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Geradeaus weitergehen oder abbiegen? Das ist die Frage!

Berufliche und persönliche Veränderungen brauchen kluges Handeln. Doch was ist besser – einfach loslegen oder nichts überstürzen? Wir haben zwei Profis gefragt: Ulrike Winzer und Hans-Georg Willmann.

Hingabe und Farbe für Jahrhunderte

Im Mittelalter gabs nur Düsternis und Kirchenkunst? Weit gefehlt! Autorin Erika Weigele beschreibt in ihrem historischen Roman, mit welcher Farbenpracht damals auch weltliche Werke glänzten. Sie arbeitet als Assistentin der Geschäftsführung bei dem Pigmenthersteller Aralon Color.

Frau mit Smarthpone und Mail-Symbol. Foto: oatawa - stock.adobe.com

Mails, Videocalls, Meetings: Jeder fünfte Beschäftigte ist mit der Informationsflut am Arbeitsplatz überfordert. Was lässt sich dagegen tun? Der Mainzer Medientrainer und Journalist Jörg Michael Junginger erklärt, wie man es schafft, sich auf die wirklich relevanten Infos zu beschränken.
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Tobias Göpel: Herzlich willkommen zur heutigen Podcastfolge. Mails, Posts, Chats, dazu Anrufe, Videocalls und Meetings. Täglich kommunizieren wir auf verschiedenen Wegen zu verschiedenen Themen wie Marketing, Einkaufen, Vertrieb, Kommunikation oder einfach nur die interne Organisation. Manche Infos dürfen an Beschäftigte oder Kunden sofort raus, andere erst später. Die Arbeitswelt ist sehr stark geprägt von umfangreichen Informationen und vielfältigen Kommunikationswegen. Das laugt aus. Jeder fünfte Beschäftigte gibt an, mit den Informationen am Arbeitsplatz überfordert zu sein. Das ergab eine Studie, die im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin erstellt wurde. Wie eine Lösung durch gezielte Information aussehen kann, dazu spreche ich heute mit Jörg Michael Junginger. Er ist Medientrainer und Journalist aus Mainz. Hallo Herr Junginger!
Jörg Michael Jungiger: Hallo Herr Göpel! Hallo liebe Zuhörer. 
Göpel: Wie kommt diese Informationsflut aus Ihrer Sicht zustande?
Junginger: Ein Wort in Ihrer Anmoderation hat mich nachdenklich gemacht. Information laugt aus. Ausgelaugt sein heißt erschöpft werden, weil man überinformiert ist. Wir werden zugeschüttet mit Reizen. Das heißt für meine persönliche Kommunikation und die von Führungskräften: Ich muss relevant sein, bedeutsam für mein Publikum, und vom Publikum her meine persönliche Kommunikation gestalten. Das allerdings machen die wenigsten, weil sie zuvor nicht drüber nachdenken, wenn sie reden oder schreiben.
Göpel: Wir machen ja bisher in dem Podcast auch zielgerichtete Information an Führungskräfte. Aber ich glaube, dass dieses Phänomen der Überinformation nicht nur Führungskräfte betrifft. Denn alle Beschäftigten gestalten ja Information und sind Leidende und Verursacher gleichermaßen. Wenn Sie also sagen, es geht um Relevanz: Was können wir – ich nehme mich da mal mit rein – aus Ihrer Sicht gegen die Informationsflut tun und für mehr Relevanz der eigenen Information sorgen? 
Junginger: Also noch mal, ich glaube, dass mehr als nur jeder fünfte ausgelaugt ist. Relevanz, Bedeutsamkeit, und jetzt kommt der alte Nachrichtenjournalist Junginger ins Spiel, heißt, dass ich meine Information strukturiere. Strukturieren heißt, ich muss mich fragen, jetzt im Journalismus: Welches Angebot? Wann? Wo? Wer? Wie? Was? Wodurch? Warum? Als Unternehmenssprecher, als Führungskraft: Was ist für meine Zielgruppe, für mein Publikum von höchster Bedeutung? Also konkret in der Handlungsanweisung: Information sortieren. Wichtig, unwichtig. Durch diesen Prozess schaffe ich Substanz. Das Wichtigste muss ganz oben hin, zu Beginn der Nachricht. Am besten in eine persönliche Headline. So macht's der Headliner bei Boulevardmedien wie Bild oder Express in Köln. Das heißt, es muss spitz stehen wie eine Pyramide, damit ich unter den vielen Reizen – 10.000 täglich – überhaupt reinkomme in mein Publikum. Rein wollen viele, und die allermeisten fliegen raus. Das ist mir die Arbeit persönlich nicht wert. Also vorher: das Wichtigste in Kürze auf den Punkt. So funktioniert es. Ich wiederhole mich: Meistens steht die Pyramide auf dem Kopf. Es wird breit begonnen, lang geredet oder geschrieben und die Position oder der Standpunkt kommt leider erst zum Ende. Erschöpfend, auslaugen, ermüdend.
Göpel: Da kann ich mir aber gut vorstellen, dass das ein Knackpunkt ist. Also was ist für mich als Sender relevant? Was ist für die Menschen, die sich das anhören, dann relevant? Da kann es ja durchaus zu Friktionen kommen. Haben Sie Tipps: Wie kriege ich das, was mir wichtig ist, rüber undgut verpackt und habe dann aber auch Informationen, die die Zielgruppe dann als relevant bewertet wird. 
Junginger: Der erste Leitsatz, der eherne Leitsatz ist: Alles vom Publikum her denken, von meinen Zuhörern, von meinen Lesern, von denen, die diesen Podcast anhören. Was ist substanziell? Ich wiederhole mich da gerne. Ich muss meine innere Wahrheit, welches Gefühl zu meiner Information entwickle ich, damit ich diese Information mit einer beherrschenden Idee an mein Publikum transportieren kann. Mach den Punkt, indem du auf ihn kommst, also denke nach, bevor du redest oder schreibst, was für die, die es empfangen, wohl das wichtigste. Oder andersrum formuliert: Komm auf den Punkt, indem du ihn machst. Das bedingt wiederum die Kürze. Wenn Sie überlegen, im digitalen Bereich, tägliche News: 4 bis 7 Sekunden ist die Aufmerksamkeitsspanne. Das heißt, wer es nicht schafft, mit seinem Post, News, Tweet in vier Sekunden den Pflock zu setzen, ran und rein zu kommen, der wird mit dem Daumen sofort weggewischt. Die allermeisten werden gekillt. Das ist die Mühe, die Arbeit und die Leidenschaft, die dahintersteckt, einfach nicht wert. Das ist so schade. Ich will es aber vielleicht noch am Beispiel verdeutlichen. Die meisten Menschen, Führungskräfte leben nicht in der Welt der Medien, die von Emotionen bestimmt wird. Das sind sachorientierte Menschen, hochgradig fachkompetent und sachkundig. Also das Beispiel: Ein Erfinder, ein Diplomingenieur erfindet einen Wasserfilter mit einer doppelosmotischsuboptimalen Membran, der das Schwermetall Blei aus allen Wohnungen in Mainz, in Frankfurt, in Berlin herausfiltern kann. Er ruft alle Medien an in seinem Einzugsbereich und sagt: Ich habe die beste Erfindung gemacht, die es gibt, mit einem Purifikationsgrad von 99,9 % mit einem doppelosmotischdiffundierenden Reaktionsprinzip, das das Schwermetall Blei herausfiltert. Jeder CvD, jeder leitende Redakteur, jeder Medienvertreter wird sagen: Ja, lieber Herr Junge, Ihr Filter ist ja gut und schön, hier rufen 1000 täglich an, die glauben, das Wichtiges erfunden zu haben, was ist denn die Story? Was ist denn die beherrschende Idee? Die Relevanz? Warum sollten wir darüber was sind, machen, schreiben? So. Hätte der gute Mann den Bezug zum Publikum, zu den Hörern sich bedacht, wäre er ins Medium gekommen, der nämlich da lautet: Krebsrate sinkt, Konzentrationsstörungen bei Schülern gehen zurück, Potenzstörungen bei Männern werden weniger, Haarausfall bei Frauen gemindert. Das ist die Relevanz zum Publikum seiner Erfindung, also der klebrige thematische Faden im positiven Sinne, die Verbindung. Jetzt sagen alle Journalisten: Was, sowas hast du erfunden? Krebsrate gemindert, Konzentrationsstörungen und Haarausfall geht zurück. Das ist Relevanz für Publikum. Und dann funktioniert's. Diesen Kniff und diese Klarheit haben leider die wenigsten. Und es ist relativ einfach.
Göpel: Ich versuch das mal zu übertragen mit Ihnen gemeinsam auf die chemische Industrie. Wir sind im Wandel. Der Wandel bedeutet ja auch Unsicherheit mitunter. Und auch Chefs wissen nicht zwingend, wo es hingeht. Aber trotzdem sollen sie und wollen sie kommunizieren. Sie passen an, sie werden effizienter. Aber meistens bedeutet ja Effizienz und Anpassungen für Beschäftigte: Mein Arbeitsplatz könne in Gefahr sein. Also wie würde ich dann so was verpacken können? Wie kann ich eine Botschaft daraus generieren, die dann auch positiv klingt, den Mehrwert bietet und die Leute mitnimmt?
Junginger: Eine Botschaft ist dann überzeugend, wenn der Empfänger spürt, dass der Sender authentisch ist. Authentisch sein heißt, zu meiner Botschaft, die relevant ist, die ich sortiert habe, zur Information gesellt sich eine stimmige Emotion während des Sprechens. Ich hoffe, dass ich auf Sie, auf die Zuhörer, genau diese Verbindung momentan, während des Sprechens darlege. Das heißt, der Diplomingenieur mit seinem Wasserfilter darf nicht nur die Sache, den tollen Reinigungsgrad und das Prinzip der Reinigung bemühen, er muss sie anreichern mit der Relevanz. Was heißt das für meine Menschen draußen, die meinen Filter kaufen, nämlich gesünder, weniger krank, konzentrierter und hübscher. So, das ist die Verbindung. Das muss ich bei jeder Information, auch in der chemischen Industrie, fragen: Wie ist die Relevanz, die Bedeutsamkeit, der Zugang? Die Sinnhaftigkeit liegt nicht sofort auf der Hand. Das ist oftmals ein schwieriger Prozess, die Sinnsuche, aber sie ist möglich. Und wer sie geht, der wird die Verbindung finden und schaffen. Und wer sie hat, der wird frei sprechen. Der braucht keine Teleprompter, der braucht keine Spickzettel, der braucht keine Aufschriebe. Das ist so entscheidend in der Wirkung nach außen. Wenn Sie an Herrn Scholz denken, der da acht Minuten dran steht und vom Prompter die Neujahrsansprache abliest: Es ist ein Grauen
Göpel: Ich bin ein Fan von möglichst einfachen Darstellungen, und wenn ich es richtig verstanden habe, kann ich mich bei der Struktur meiner Botschaft an der klassischen Pressemitteilung orientieren mit den Fragen. Und wenn ich als CEO, als Führungskraft im ersten Schritt den Mehrwert meiner Botschaft für das Unternehmen sehe, müsste ich mich dann auch fragen: Was ist der Mehrwert für die Beschäftigten? Wenn ich Beschäftigter bin in einem Team, müsste ich nicht nur schauen, was ist der Mehrwert im Rahmen des Projektes, sondern wie können letztendlich dann auch die anderen Teammitglieder davon profitieren? Habe ich das so richtig zusammengefasst?
Junginger: Im Prinzip ja. Und ich ergänze: Ich bin auch ein großer Freund von Einfachheit. Deshalb noch mal runtergebrochen: Die Nachricht muss klar sein Die Nachricht muss relevant, bedeutsam für den Empfänger sein. Das können Mitarbeiter, Kunden, Medien, das können spezielle Zielgruppen sein. Die Relevanz unterscheidet sich, aber sie muss immer gefunden werden. Je einfacher, desto mehr verstehen es, kapieren es. Wer mehrheitsfähig sein will, muss so einfach wie möglich sein. Zu schlicht, für Unterforderung ist noch niemand bestraft worden, für Überforderung schon. Insofern ist die Schlichtheit das Entscheidende. Was der schlichte Geist kapiert, kapiert der Gescheiteste auch. Der fühlt sich vielleicht unterfordert, aber kapiert hat er's dennoch. Die drei Qualitäten sind: Sage und schreibe, spreche etwas sofort Begreifbares. Wenn dein Sprechen oder dein Schreiben begreifbar ist, hat er die Chance, in die Köpfe, in die Hirne reinzukommen. Das dritte ist: Wenn es im Kopf drin ist, wird es, wenn die Emotion im Spiel war, von Mitarbeitern weitererzählt werden. Hast du den Göppel gehört mit der Pressemitteilung bzw. der Ansprache im Meeting? Dann wird die Bewegung, die Sie ausgelöst haben wird, zum Weitererzählen führen. Und letzte Geschichte: Warum treten wir eigentlich öffentlich auf? Da gibt es nur eine schlüssige Antwort: Um beim Publikum in Erinnerung zu bleiben Wer diesen Anspruch nicht hegt und pflegt, kann seinen öffentlichen Auftritt knicken. Um es ganz einfach zu sagen. 
Göpel: Ich habe den Anspruch, in Erinnerung zu bleiben. Ich habe auch den Anspruch, dass meine Argumente akzeptiert werden. Und jetzt gibt es ja meist unterschiedliche Perspektiven auf einen Sachverhalt. Haben Sie vielleicht einen Tipp, wie ich da über einen Sparringspartner oder ähnliches schauen kann, ob das, was ich mir vorgenommen habe, auch wirklich wirkt oder ob da noch Nachholbedarf ist und dass ich ein bisschen fein schleifen muss?
Junginger: Der Anspruch, der in der Frage mitschwingt, ist ein bisschen zu hoch formuliert für mein Verständnis, also dass meine Argumente überzeugen. Das liegt letztlich nicht bei mir. Eins tiefer heißt, dass meine Argumente oder mein Vortrag verstanden wird. Das ist die Pflichtschwelle. Ob er dann überzeugend zu einer Folgehandlung führt, hängt davon ab, ob die zweite Qualität, dass ich ins Hirn reinkomme, erfüllt wird und dass ich emotional meinen Empfänger so in Bewegung versetze, dass er sagt: Mensch, hast du den Göpel oder sonst wen gehört, der hat das und das gesagt. Dann wird die Nachricht weitererzählt. Neudeutsch: geht viral in digitalen Zeiten. Also die Emotionalisierung des Publikums hat stattgefunden, weil eine Bedeutsamkeit definitiv rübergekommen ist, die eine Information verbindet. Information ohne Emotion ist medial völlig wertlos. Das haben die meisten nicht verstanden. Sage es einfach verständlich und nimm die Leute mit. Das ist das Thema, das wir haben.
Göpel: Das ist übrigens ein guter Punkt. Also es gibt ja häufig, ich nenne es mal Marketing-Sprech oder es werden Fachbegriffe verwendet, die auf andere nerdig wirken könnten. Und die versperren meist den Blick auf die Kernbotschaft. Sie sind ja schon Medientraining seit langer, langer Zeit. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, wenn Sie Menschen trainieren, auf den Punkt zu kommen? Was ist eigentlich das größte Hemmnis?
Junginger: Das Hemmnis ist die Scheu vor sich selbst. Die Scheu vor sich selbst heißt, den Blick in den Spiegel zu wagen. Was ist meine Emotion zu meiner Information, die ich in meiner Pressemitteilung schreibe, die ich in meiner Ansage, in meinem Vortrag, in meiner Rede, in meiner Präsentation zum Ausdruck bringen möchte? Meistens gibt es gar keine Kernbotschaft. Dieses Wortgeklingel, dieses Geblubber, das ist alles Drumherum, das letztlich psychologisch Angst und Unsicherheit dokumentiert und klug klingen soll, aber verschleiert. Wenn Sie sich selbst als Rezipient, als Konsument, also als Zuschauer oder Zuhörer oder Leser mal gestern, vorgestern Abend auf die Couch zurückdenken, um Tagesschau, Tagesthemen, irgendein Format angucken: Den meisten, die dort stattfinden, höre ich zu und übersetze innerlich, während ich zuhöre. Was will er mir denn sagen, der Herr Lindner zu seinem Haushaltsentwurf und den Kürzungen? Alles viel drumherum, wenig substanzielle Verdichtung. So schade. Politik, sage ich noch ganz klar, hat den Anspruch, verstanden zu werden, in großen Teilen verloren.
Göpel: Wenn ich jetzt richtig verstanden habe, je verschwurbelter eine Person redet, umso weniger weiß sie selber, was sie sagen will. Aber dann macht es ja Sinn, gar nichts zu sagen. Richtig?
Junginger: Das wäre manchmal viel besser. Richtig. Oder sich die Mühe zu machen, wenn ich tatsächlich meine Empfänger wertschätze, also Stichwort wertschätzende Kommunikation: Die höchste Wertschätzung, die Sie Ihrem Publikum geben können, ist verständlich zu sein. Ob ich dann Ihrer Meinung bin, Ihnen folge oder zustimme, ist eine zweite Qualität. Die meisten wissen das gar nicht zu trennen, die meisten schaffen es auch nicht und schaffen es nicht verständlich zu sein, den Prozess der Simplifizierung, der Vereinfachung auf das Wesentliche. Und im Wort Wesen steckt auch Wesen drin, also mein Naturell, mein Charakter, meine Persönlichkeit. Letztlich, und das ist mir in den letzten 30 Jahren zunehmend auch klar geworden als Medientrainer: Medientraining ist Persönlichkeitsentwicklung, die Fähigkeit, in einer Welt, die kaum mehr Zeit hat, wo wir überflutet sind, mit Informationen, noch zum Publikum durchzudringen. Was im leidenschaftlichen Appell gipfelt: Sei kurz, zwingend. Wenn du lang bist, ist das nur noch fürs Symposium im Elfenbeinturm. Da hocken Fachleute und hören sich lange zu. Für die große, breite Geschichte, den Mainstream völlig untauglich.
Göpel: Was mir dann durch den Kopf schießt, ist, wenn ich jetzt an mir feile und trotzdem kurz und knapp auf den Punkt komme, ich kenne das aus dem Militärischen: Wenn ich eine klassisch militärisch kurze Information weitergebe, stößt das auch im zivilen Bereich öfter mal auf Unverständnis, weil ihnen dann wieder Hintergrundinformationen fehlen. Und genau da fängt für mich also das Abwägen an: Was ist zu viel, was ist zu wenig? Haben Sie da Tipps, an denen man sich orientieren kann?
Junginger: Also in elektronischen Medien, Radio und Fernsehen, was nicht sofort verstanden wird, Level, Erkenntnis, Vorwissen, Allgemeinbildung nehme ich jetzt mal als Standard, wie auch immer man den definiert. Was nicht sofort verstanden wird: weglassen. Bei intellektuelleren Medien, sprich Gedrucktes, kann ich denen das Zitat von Herrn Göpel einmal nachlesen, ein zweites Mal und auch ein drittes Mal. Da bestimme ich das Aufnahmetempo der Information durch meine Lesegeschwindigkeit. In den anderen Fällen diktiert mir Radio und Fernsehen das Tempo. Das ist eine gänzlich andere Geschichte. Und wenn ich den Göpel oder auch den Junginger beim dritten Mal nicht verstanden habe, dann werde ich die Zeitung weglegen und sagen: Was ist das? Was redet der daher? Völlig verschwurbelt und kompliziert. Die Verdichtung, Verbalisierungstalent, also man kann ja über Boulevard denken was man will, aber die verdichten in der Headline maximal. Dass da vieles an Details wegfällt, ist doch ganz klar. Aber der Kern der Story ist oben drin und diese Qualität muss persönliche Kommunikation haben, vor allem im neuen Medienverständnis. Immer weniger Raum, Platz und Zeit. Also wer breit ist oder glaubt über die Sache informieren oder überzeugen zu können, ist völlig falsch gepolt. Um es ganz klar zu sagen: Die Welt ist draußen eine andere. Die Konkurrenzsituation ist, dass sie innerhalb von 4 bis 7 Sekunden den Punkt machen oder rausfliegen.
Göpel: Es geht ja darum, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dass man schon auf den Punkt kommt, kurz und knapp formuliert und dann am Anfang mit den Kernbotschaften kommt und dann nach hinten gegebenenfalls ergänzend Information gibt. Korrekt?
Junginger: Ja, ich nehme nochmal das geometrische Bild, das Symbol der Pyramide, die Spitze der Pyramide. Oben ist meine persönliche Headline in meinem Zitat, in meinem O-Ton. Diese Headline muss ich bilden, innerlich gerne noch mal aus der Information und der stimmigen Emotion des Sprechers oder Schreibers. Das ist die Spitze. Wer keine persönliche Headline hat, wird viel quasseln, weil er während des Quasselns auf der Suche ist: Was ist die Headline ? Das erleben Sie tagtäglich. Wer eine Headline hat, kann ein Argument oder zwei drunter setzen. Dann ist aber mit 20 Sekunden schon zeitlich voll. Mehr geht nicht. Und wer jetzt noch mehr redet, liefert Journalisten, und ich bin einer seit 40 Jahren, viel Schnittmaterial, aus dem ausgewählt werden kann. Meistens wird dann aber nicht das genommen, was der Sender wünscht. Fehler beim Sender. Viele Sprecher machen den großen Fehler und während wir hier reden, findet das in Deutschland wieder statt. Ich werde das mein Lebtag nicht verstehen, wie Unternehmenskommunikation das zulassen kann. Nachrichten, Steuerung, Präzision. Ich bin auch militärisch vorbelastet als Gebirgsjäger. Der militärische Befehl hat Eindeutigkeit, er hat keinen Interpretationsspielraum. Wenn ich meine Botschaft eindeutig setzen müsste, ist die Verdichtung „Rechts um“ so klar, dass alle rechts um machen. Wenn ich über den Diskurs der Dislozierung deutscher Verteidigungskräfte, ein robustes Mandat der internationalen Gemeinschaft philosophiere, wenn ich sagen möchte, wir hauen ab oder ziehen uns aus Mali zurück, dann ist das Gequassel so, wo ich, wenn ich zuhöre, mir ständig überlegen muss und Millionen andere auch: Was will die oder der mir eigentlich sagen? Warum macht er sich nicht die Mühe, mich gut mit einer verständlichen Aussage zu bedienen? Hat er keinen Standpunkt, will er keinen einnehmen, sind ihm Positionen fremd? Und ich könnte Ihnen noch zehn weitere Deutungsmöglichkeiten sagen, die alle nicht im Sinne dieses PR-getriggerten Worts Nachrichtensteuerung ist. Nein, Fehlanzeige.
Göpel: Die letzten rhetorischen Fragen, finde ich, sind auch ein gutes Schlusswort. Das Dreieck merke ich mir auf. Lieber Herr Junginger, wir wollen auch hier auf den Punkt kommen. Mit dem Podcast von 20 bis 30 Minuten liegen wir locker drin. Vielen Dank also bis hierher. Zum Abschied bitte ich Sie auch wie meine anderen Gäste um einen oder zwei Titel für meine Wir. Hear.-Playlist. Also, bei welchen Songs können Sie am besten entspannen oder welche Titel hören Sie, wenn ein Projekt richtig gut gelaufen ist?
Junginger: Singen oder mitsingen heißt es ja, zeugt dann von einem frohen Herz. Also: Ich singe gern bei Hannes Wader mit. Heute hier, morgen dort. Das ist ein schönes Lied. Stellvertretend für unser Leben, stellvertretend für unseren Tun. Aber mit einer Leichtigkeit, die mir persönlich guttut und wo ich einfach herzlich gerne aus freien Stücken und vollem Mund mitsingen.
Göpel: Vielen Dank für den Song. Ich werde ihn gleich mal recherchieren. Und auch herzlichen Dank, dass Sie hier heute im virtuellen Studio bei wir hier waren.
Junginger: Aber gerne doch. Ich hoffe, dass die, die uns lauschen werden, substanziell für ihre persönliche Kommunikation einiges mitgenommen haben. Vielen Dank.
Göpel: Das hoffe ich auch. Liebe Zuhörende, das war eine weitere Folge von Wir. Hear. Zu Gast war Jörg Michael Junginger, Medientrainer und Journalist aus Mainz. Wir haben darüber gesprochen, wie wir schneller auf den Punkt kommen und die Informationsflut bändigen. Wenn Sie Fragen, Hinweise oder sogar Lob haben, dann mailen Sie mir. Vielen Dank und bis bald.

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