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Podcast Wir. Hear.: Windkraft - nein, danke?!

· Lesezeit 28 Minuten.
Podcast Wir. Hear.: Windkraft - nein, danke?!
Umstritten: Der Ausbau der Windkraft kommt nicht so schnell voran wie er müsste. Foto: christian - stock.adobe.com

Die Energiekrise belastet Deutschland - rein in die Erneuerbaren wäre eigentlich wichtiger denn je, um unabhängiger zu werden. Aber vor allem der Ausbau der Windkraft in Deutschland stockt. Woran liegt das und wie ginge es besser? Ein Podcast über Naturschutz, Bürokratie und Bürger, die gegen Windkraft sind.

 

Gastgeber Tobias Göpel spricht mit dem Wirtschaftsjournalisten Uli Halasz, der Befürworter und Gegner des Ausbaus getroffen hat.

 

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Tobias Göpel: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts Wir. Hear. Hier ist Tobias Göpel von den Chemieverbänden Rheinland-Pfalz. Unser Thema heute: Windenergie bzw. Windkraft. Worum geht es konkret? Der Winter steht vor der Tür und Deutschland befürchtet eine Energiekrise. Grund ist der Krieg Russlands in der Ukraine. Wir wollen aber unabhängiger werden. Auch die Bundesregierung hat ja vor nicht allzu langer Zeit davon gesprochen, dass wir Energie aus erneuerbaren Energiequellen bekommen, dass das Freiheitsenergie ist. Für die meisten Menschen klingt das gut – aber offenbar nur, solange die Windräder nicht vor der eigenen Haustür stehen. Ich habe mich mal umgeschaut. “Windkraft im Pfälzerwald? Nein danke!” steht zum Beispiel auf einem Banner einer lokalen Initiative. Befürwortern auf der anderen Seite, denen geht es nicht schnell genug. Gerade mal elf neue Windräder sind im ersten Halbjahr in Betrieb gegangen. Und genau über dieses Thema will ich mich heute unterhalten mit Uli Halasz. Er ist Redakteur der Themenagentur IW Medien und hat sich richtig in das Thema reingegraben, mit Gegnern und Befürwortern gesprochen und entsprechend recherchiert. Hallo Uli, schön, dass du da bist. 

 

Uli Halasz: Hallo Tobias, vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich, dass ich hier sein darf. 

 

Göpel: Ich freue mich auch. Wir haben ja in Deutschland das Ziel, dass wir den Stromverbrauch bis 2030 vollständig mit erneuerbaren Energien abdecken wollen. Eingangs habe ich ja gesagt, die aktuelle Energiekrise sollte eigentlich dafür sorgen, dass das noch mal gepusht wird. Mal zur Einordnung am Anfang: Wo stehen wir eigentlich aktuell? Wie viele Windräder haben wir und wie viel Strom produzieren diese? 

 

Halasz: Also ich muss einmal ganz kurz korrigieren. Die Ziele der Bundesregierung lauten, dass wir bis 2030 80 Prozent unseres Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen decken wollen. Aber bis 2035, also ein paar Jahre später, sollen es 100 Prozent sein. Ich fange mal so an: Ich bin privat relativ häufig an der Nordseeküste. Ich mag die ostfriesischen Inseln unheimlich. Und wenn du auf so einer Insel bist, Langeoog, Spiekeroog, wie auch immer die heißen, und du guckst Richtung Festland, dann siehst du das Festland eigentlich gar nicht vor lauter Windkraftanlagen. Das ist total verspargelt, eine Mühle neben der nächsten. Die einen finden es fürchterlich, weil verspargelt, die anderen wunderbar, weil für die sind Windräder halt Symbol von Zukunftsenergie, grüner Energie, Energiewende. Das an der Nordsee, da ist es ja meistens windig. Dass das viele Windräder stehen, ist klar. Das heißt aber nicht, dass sie nur da stehen, sondern wir haben mittlerweile in Deutschland ungefähr 30.000 Windräder, davon 28.500, also die allermeisten, an Land. Und die produzieren richtig Saft. Im vergangenen Jahr gibt es genaue Werte: Da haben sie 114 Milliarden Kilowattstunden an Strom produziert. Was heißt das? Schon im vergangenen Jahr war der Wind hierzulande damit die Stromquelle Nummer eins vor Braunkohle und vor Erdgas. 40 Prozent, also nicht ganz die Hälfte, des deutschen Stroms stammen schon jetzt aus erneuerbaren Quellen und davon die Hälfte aus Wind.  

 

Göpel: Zur Einordnung noch von mir, das habe ich auch ein bisschen recherchiert: Wir haben ja in Rheinland-Pfalz rund 1800 Windräder, die seit 2010 gebaut werden. Auch hier muss man sagen, dass, was den Bereich der erneuerbaren Energien betrifft, dass die Windräder den größten Teil letztendlich einnehmen. Aber du hast ja gesagt, rund 30.000, das ist schon eine große Menge. Aber wie viele Anlagen müssten eigentlich dazukommen, um die Ziele der Bundesregierung zu erreichen? 

 

Halasz: Das ist eine gute Frage, und es ist eine schwierige Frage. Also wenn wir 80 % Grünstrom bis 2030 erreichen wollen, wird der Wind die erste Geige spielen. Und es wird bedeuten, dass wir die installierte Leistung, also das, was die Anlagen, im besten Fall, wenn es immer 24 Stunden kräftig weht, zu produzieren imstande sind, die müssen wir verdoppeln auf 115 Gigawatt. Das heißt aber nicht, dass wir doppelt so viele Windräder bräuchten. Das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Das geht auch in den Medien immer wild durcheinander. Sondern wir müssen dabei bedenken, dass hierzulande sich viele Windräder drehen. so seit Anfang der Nullerjahre. Und die neuen Windräder, Windräder der neuesten Generation, die können bis zu zehnmal mehr Strom produzieren. Soll heißen: Wenn die alten abgebaut werden, die sind dann auch so langsam ein bisschen schrottig und haben das Ende ihrer Lebensdauer erreicht, und durch neue ersetzt werden, die deutlich leistungsfähiger sind, heißt das am Ende: Wir werden Berechnungen zufolge vielleicht bei 33.000 Windrädern am Ende landen, wenn wir das sogenannte Repowering, also das Ersetzen von alten Anlagen durch neue Anlagen, kräftig vorantreiben. Es gibt Berechnungen, die sagen, dass man so ungefähr sieben Anlagen pro Tag neu würde errichten müssen, um im Schnitt zu bleiben. Aber wie gesagt, diese Berechnungen sind mit Vorsicht zu genießen. Aber wir müssen was tun.  

 

Göpel: Wurde bei den Berechnungen auch berücksichtigt, dass uns das Gas schneller ausgeht als geplant? Also wir haben ja Nordstream, was nicht mehr produziert. Wir haben jetzt die Gasspeicher zu rund 90 Prozent voll, aber das war ja sicherlich in den ursprünglichen Berechnungen gar nicht berücksichtigt worden. Und man hat dann gegebenenfalls gedacht, dass Gas noch eine Übergangslösung ist und uns Luft verschafft. 

 

Halasz: Davon kannst du ausgehen, dass es nicht berücksichtigt worden ist, weil die Planungen etwas älter sind als die Tatsache, dass wir möglicherweise in eine Gasmangellag reinrutschen. Nein, das wird da sicherlich keine Rolle gespielt haben. Aber selbst wenn, würde es höchstens bedeuten, dass wir noch mehr Gas geben müssten. Aber es wäre schon gut, wenn wir in dem Tempo, das wir in früheren Jahren mal hatten, was den Ausbau anbelangt, wieder aufnehmen könnten. Aber da sind wir derzeit echt weit von entfernt, das kann nicht so bleiben.  

 

Göpel: Das spricht du gut an, also eigentlich müsste es boomen, der Bau von Windkrafträdern. Aber du sagst auch gerade richtig, das tut es nicht. Woran liegt das? 

 

Halasz: Also du hast recht, eigentlich müsste es boomen, aber wir sehen im Prinzip das Gegenteil. Wir sehen eine Flaute und ich geb dir mal ein paar Zahlen. 2017, ist noch nicht so lange her, da haben wir in Deutschland in einem Jahr 1860 neue Windkraftanlagen aufgestellt. Im vergangenen Jahr waren es 480 und im ersten Halbjahr 2022 nur 240. Also da ist kein Zug reingekommen in den Aufbau. Das ist ein historisches Tief. Wir müssten, um die Ziele der Bundesregierung sicher zu erreichen, so an Leistung pro Jahr in etwa zehn Gigawatt neu aufstellen. Und im vergangenen Jahr haben wir nicht mal zwei geschafft. Und woran das liegt? Das kann man eigentlich ziemlich gut auf den Punkt bringen. Das liegt an wirklich kaugummizähen Genehmigungen, die sich teilweise über viele, viele Jahre hinziehen. Das sind Kinder, als die geboren wurden und jemand die Idee hatte, so ein Windrad hier wäre vielleicht nicht schlecht – die sind inzwischen schon auf der weiterführenden Schule, und das Windrad ist immer noch nicht da. Und das ist kein Einzelfall, sondern das zieht sich von Flensburg bis Füssen so durch. Problem sind zu wenig ausgewiesene Flächen. Es ist ein Dickicht aus Vorschriften. Das schreckt zum Teil natürlich auch Investoren ab. Warum willst du dich da weit über viele Jahre rumschlagen, mit Behörden und mit Gegnern? Da machst du dein Windrad lieber woanders hin, wenn du damit Geld verdienen möchtest. Und mittlerweile, was auch noch reinspielt, sind gestörte Lieferketten bei der Produktion der Anlagen selber. Also es ist ein bunter Strauß an Problemen.  

 

Göpel: Fangen wir mal an, den bunten Strauß nochmal einzeln zu beleuchten. Du hast gerade von Gegnern gesprochen, die da mit drin sind, bei den Genehmigungsverfahren selber, Behörden. Kannst du das konkret fassen, was das ist? Braucht es eine längere Begutachtung oder muss das sehr lange diskutiert werden? Was sind so die zwei, drei Knackpunkte? 

 

Halasz: Also ich glaube, in zwei, drei Punkten kommen wir gar nicht hin. Du kannst dir nicht vorstellen, was da diskutiert, gestritten, gezofft, prozessiert wird. Ich kann dir das mal an einem Beispiel versuchen näher zu bringen. Ich war vor einigen Wochen in Bayern, im Hessenreuther Wald, in der Oberpfalz, also die bayerische Toskana, so sanft geschwungene Hügel und gelbe Felder, da ist die Welt noch in Ordnung.  

 

Göpel: Klingt gut.  

 

Halasz: Es ist auch touristisch sehr nett, in der Nähe von Bayreuth ist das. Und da haben sich Anwohner, ich betone Anwohner, vor elf Jahren mal überlegt, für die Energiewende selber was zu tun. Wie wäre es denn mit acht Windrädern hier bei uns im schönen Hessenreuther Wald? Wie gesagt, das ist elf Jahre her und seit elf Jahren stehen sich dort in einem kleinen Ort die Befürworter und die Gegner gegenüber. Und was da hinkommen soll, sind acht Anlagen, die produzieren Strom für 32.000 Haushalte. Und ich habe mich getroffen mit den Befürwortern wie auch mit den Gegnern. Und die Befürworter haben mir erzählt, was sie an Genehmigungsverfahren so hinter sich haben bringen müssen. Ich kann ja mal aufzählen ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Es geht auch um Artenschutz-Gutachten, Schlagschatten, Infraschall, Eiswurfrisiko, Abstandsmessungen, Standsicherheitsgutachten, Trinkwasserschutz, Umweltverträglichkeitsprüfung. Und allein im Sinne des Artenschutzes ist da ein Gutachter zweieinhalb Jahre im Hessenreuther Wald gewesen, um zu gucken, wo fliegen hier die seltenen Vögel lang und was kann man tun, damit sie nicht geschreddert werden, was sie natürlich auch nicht werden sollen. Teils wurden dann auch wieder Vorschriften mitten im laufenden Prozess geändert und dann fing alles wieder von vorne an. Und im Februar 2022, endlich nach elf Jahren, haben sie den Genehmigungsantrag endlich einreichen können und hoffen, dass sich vielleicht 2025 ein paar Windräder drehen. Das wäre dann 14 Jahre nach der ursprünglichen Idee. Hast du noch Fragen, warum das alles so lange dauert? Und das ist kein Einzelfall. Das ist eher die Regel als die Ausnahme. 

 

Göpel: Hast du auch mit Vertretern der Behörden gesprochen? Weil das, was mir so ad hoc durch den Kopf schießt, ist, wenn es in der Gegend schon Windräder gibt oder in dem Bundesland, dann kann man ja gegebenenfalls bestimmte Überprüfungen übertragen, also Genehmigungen vereinfachen, wie man sagt. Nach dem Motto: Das haben wir schon geprüft, das übernehmen wir ja auch für das Projekt. 

 

Halasz: Das ist eine gute Frage, und die Antwort ist so ein bisschen zwiegespalten. Also wir reden von Bayern. Bayern und Windkraft ist sowieso so ein schwieriges Thema. Da gibt es ein paar Windräder, aber ich glaube, es gibt mit Sicherheit nicht so viele, wie es geben sollte. Ich habe mich bemüht, mit Vertretern der Behörden und auch der Lokalpolitik zu sprechen. Das ist mir zum Teil auch gelungen. Die waren nicht so ganz begeistert, die ticken so ein bisschen anders, glaube ich. Zumindest in den Orten, in denen ich war, und waren von Windenergie nicht so wirklich angetan. Da ging es dann, glaube ich auch eher so um Emotionen und um das Landschaftsbild und ganz und gar nicht um irgendwelche vereinfachten oder beschleunigten Genehmigungsverfahren. Da ist nicht auf allzu viel zu hoffen. 

 

Göpel: Du warst jetzt in Bayern, wir unterhalten uns über Rheinland-Pfalz, aber ich glaube, die Probleme sind ähnlich gelagert, weil ja auch im Pfälzerwald auch oft das Argument ist, dass diese Windkrafträder die Landschaft verschandeln und die ganzen Menschen, die gerne in die Natur möchten, vertreiben. Und wir bleiben aber zunächst bei den Befürwortern, mit denen hast du ja auch gesprochen. Und wie lauten deren Argumente für den Bau der Windkrafträder? Ein Argument habe ich gehört: Man kann damit Haushalte versorgen und sich unabhängiger machen. Gibt es noch darüber hinaus Argumente, die mit ins Feld geführt werden? 

 

Halasz: Also ich glaube, dass das Argument, das wir momentan alle beim Blick auf die weltpolitische Lage ganz deutlich sehen, ist, dass man sich mit solchen Anlagen unabhängiger macht vom Import von Energie aus Ländern, die wir nicht uneingeschränkt toll finden, also sei es aus kriegstreibenden Ländern oder Ländern, in denen Homosexuelle an Baukräne gehängt werden. Ich weiß nicht, wie ihr das findet, aber ich mache da lieber meine eigene Energie. Soll heißen: Windräder sind in den Augen der Befürworter Anlagen für sichere, für saubere Energie, die man sozusagen im Einklang mit der Natur und unter Erfüllung aller Vorschriften und Auflagen zukunftssicher und dezentral betreiben kann. Man macht sich damit unabhängig von Großkraftwerken. Wichtiges Stichwort für die Befürworter ist auch das Stichwort Bürgerenergie. Das ist so ein Konzept, mit dem man versuchen will, die Skeptiker, die den Anlagen kritisch gegenüberstehen, so ein bisschen mitzunehmen. Also gelebte Energiewende und die Bürger haben am Ende auch was davon, sei es in Form von etwas günstigerem Strom oder dem ein oder anderen Euro für die klamme kommunale Kasse. 

 

Göpel: Menschen, die wirklich von einer Sache überzeugt sind, gehen ja auch gerne auf die Straße. Also “Fridays for Future” erleben wir, wir erleben auch die “Letzte Generation”, die sich einsetzen wollen für ihre Sache, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Wieso erleben wir keine Demos von Windkraft-Befürwortern, zusammen vielleicht auch mit Naturschutzbund oder ähnliches?  

 

Halasz: Das kann ich dir nicht sagen. Ich weiß es nicht. Vielleicht haben die Befürworter nicht so den Furor aufzubringen, den die Gegner da empfinden. Vielleicht ist man eher gewillt, auf die Straße zu gehen, wenn man gegen etwas protestiert. Das müsstest du die Befürworter fragen. Man sieht ja auch keine Demos pro Tempolimit oder so, wobei man vielleicht ja auch da Punkte finden könnte, um dafür zu sein. Weniger Verkehrstote, bessere Luft, weniger Spritverbrauch. Ich habe keine Ahnung, aber das ist vielleicht mal eine Anregung. 

 

Göpel: Wir können ja schauen, ob sich da jemand organisieren lässt und wir dann für Windkraft auf die Straße gehen. Die Gegner hast du schon angesprochen, dass Menschen eher auf die Straße gehen, wenn sie gegen etwas sind. Den Perspektivwechsel nehme ich jetzt einfach mit. Was sind eigentlich die Hauptargumente der Menschen, die gegen Windkraft sind? Woran stören sie sich am meisten? 

 

Halasz: Also ich habe mich wie gesagt auch mit den Gegnern dort getroffen, und es waren sehr pittoreske Begegnungen. Ich bin durch diese besagte Landschaft gefahren und habe mich dann irgendwann auf so einem Feld tatsächlich auch mit einem sehr netten Menschen, Hermann Popp heißt er, Naturfilmer, getroffen, der es glaube ich so zu seiner Passion gemacht hat, gegen diese Windräder anzukämpfen. Und die Gründe, die er dafür hat - ich finde, die muss man auch ernst nehmen. Der Mann ist da aufgewachsen, ist mittlerweile so in seinen Sechzigern und war erst mal eine imposante Erscheinung, stilecht mit Lederhose und so groben Wanderstiefeln. Ich habe ihn gefragt, ob er das immer so trägt. Er sagt Ja, glaube ich ihm auch. Und der läuft da mit der Kamera durch die tiefen Wälder auf der Spur von seltenen Vögeln wie Schwarzstorch und Rotmilan oder so. Also die Begegnung mit dem war eigentlich fast zu perfekt, um wahr zu sein. Aber man muss sich vorstellen, dass der Mann durch diese Wälder streift, seit er ein Junge ist, und der ist den Anblick dieser Wälder so im Wechsel der Jahreszeiten gewöhnt, seit er ein Junge ist. Und jetzt sieht er sich so mit der Aussicht konfrontiert, dass da demnächst 18 Windkraftanlagen hinsollen. Und das findet er nicht toll. Und er macht sich Sorgen um seinen Wald und sagt dann, da würden Wasserläufe trockenfallen, seltene Vögel gefährdet. Das muss man ernst nehmen, finde ich. Der ist emotional tief berührt und zudem ist der Wald ein sensibler Organismus, der durch die Windkraftanlagen bedroht ist. Die Argumentation solcher Leute ist also der Wald. Was kann er liefern? Der liefert Erholung, der liefert saubere Luft. Wir brauchen, sagt er, wir brauchen mehr Wald im Kampf gegen den Klimawandel und dürfen den Wald nicht zerstören, was wir täten. Das ist seine Argumentation mit den Windkraftanlagen. Der Wald kann die Städte beliefern, mit Nahrung, mit Holz, aber nicht mit Energie. Das sollten die Städte selber tun. Das ist die Argumentation, die du hörst, wenn du mit den Gegnern sprichst. 

 

Göpel: Ich war auch an der Küste letztes Jahr im Oktober und ich muss gestehen, diesen Spargelwald habe ich dann auch gesehen. Jetzt würde ich, wenn ich dieser Argumentation folge, sagen: Okay, da ist kein Wald, da kann ruhig noch ein bisschen mehr hingebaut werden. Auf der anderen Seite, ich wohne hier in Rheinhessen, bin letztens auch nachts gefahren und mir sind die Windkrafträder am Tage nie so bewusst aufgefallen wie dann in der Nacht, weil ja ständig diese rot blinkenden Leuchten hatten. Und plötzlich hatte ich so eine Wand von roten Leuchten. Was ich damit ansprechen will: Es tritt ja auch ein gewisser Gewöhnungseffekt ein. Also ich gewöhne mich langsam an diese Windkrafträder. Meinen Kindern fällt es schon gar nicht mehr auf. Jetzt würde ich halt spitzfindig mal behaupten, irgendwann hat sich das dann auch erledigt, wenn die, die das gewohnt sind, die nicht zu sehen, nicht mehr da sind und die, die gewohnt sind die Windkrafträder zu sehen, dann halt überwiegend da leben. Das wäre dann aber ja, wie soll ich sagen, einfach nur so ein “Gefällts mir”- oder “Gefällts mir nicht”-Argument. Gibt es auch etwas, wo Windkrafträder wirklich eine Art Bedrohung darstellen? Also ich habe diesen Vogelschlag öfter mal gehört an der Küste, die kennen das nicht. Vielleicht haben sich die Möwen mittlerweile dran gewöhnt. Gibt es da Studien? Gibt es da Aussagen, dass wirklich diese Windkrafträder aufgrund ihrer Vibrationen oder letztendlich auch aufgrund ihrer Rotation der Natur Schaden zufügen können? 

 

Halasz: Also es gibt eine ganze Reihe von Studien. Die allermeisten Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Befürchtung, die man hat, Infraschall ist so ein Ding, eigentlich nicht existieren. Mit solchen Studien, die sagen, es ist gar nicht so schlimm und eigentlich stimmt es nicht, was man befürchtet, kannst du den Gegnern aber nicht kommen, weil die es einfach nicht glauben. Die sagen dir dann wieder: Es gibt aber Studien aus Israel, die sagen, dass im Sommer die Windkraftanlagen wirken wie so heiße Luftföhne und dass sie dafür sorgen, dass weniger Regen fällt. Und natürlich drücken die dir dann zwei Kilo Papier in die Hand, wo das Gegenteil dessen steht, was wiederum andere Studien behaupten. Ich glaube als neutraler Beobachter, dass die Studien, die sagen, es ist nicht der Sündenfall, wenn man Windräder in die Gegend stellt, das ist, was wissenschaftlich fundiert ist. Alles andere dribbelt relativ schnell in den Bereich der Esoterik. Es gibt natürlich auch Studien darüber - du hast den Vogelschlag angesprochen -, die belegen, dass natürlich durch Windenergie Vögel zu Schaden kommen. Es gibt sogar Zahlen, magst’s sie hören? Es gibt einen dänischen Energieforscher, der hat tatsächlich ausgerechnet, dass durch die Windenergie im Schnitt 0,27 Vögel pro erzeugter Gigawattstunde – eine Gigawattstunde sind 1 Million Kilowattstunden, also da kannst du lange für fernsehen – sterben. Heißt das, dass deswegen die Windkraft zu verdammen ist? Eigentlich nicht, weil es gibt die gleichen Berechnungen eben auch bei der fossilen Stromerzeugung. Da sind es nicht 0,27 Vögel pro erzeugter Kilowattstunde, sondern 5,18. Darüber redet aber keiner. 

 

Göpel: Weil man es, glaube ich, nicht richtig sieht, oder weil das mit den Vögeln nur ein vorgeschobenes Argument ist. 

 

Halasz: Ja, das mag sein.  

 

Göpel: Aber wir haben ja auch eine gewisse Veränderung der Lage. Ich weiß nicht, wann warst du in Bayern, wann hast du mit den Leuten gesprochen? 

 

Halasz: Das ist vor einigen Wochen gewesen. 

 

Göpel: Okay, ich habe jetzt mal so aktuelle Zahlen, was die Energiepreise betrifft und von September letzten Jahres zu September dieses Jahres sind die Strompreise ungefähr 90 Prozent gestiegen auf dem Markt und die Gaspreise um 580 Prozent gestiegen. Also es entwickelt sich auch so ein gewisser Druck, was die Preise betrifft. Meinst du, das könnte ein Argument sein auch für die Gegner, dass dann die Geldbörse vielleicht näher ist als der Wunsch nach einem unberührten Wald? 

 

Halasz: Da bin ich mir sehr sicher. Ich bin, als ich in diesem Dorf war, auf dem Marktplatz gewesen und beim Bäcker und habe Leute angesprochen, was sie denn von den geplanten Windkraftanlagen dort halten. Ich habe im Prinzip keine einzige wirklich kritische Stimme gehört. Das sind jetzt nicht die Stimmen der Gegner, mit denen ich mich ja gesondert getroffen habe, aber bei diesen Stimmen im Dorf habe ich niemanden gehört, der wirklich dagegen ist. Das wird ganz sicher auch damit zu tun haben, dass die Leute sehen, dass so eine sichere und grüne Energie, im eigenen Land erzeugt, in Krisenzeiten wie diesen und in Zeiten explodierender Energiepreise vielleicht nicht so die schlechteste Idee ist. 

 

Göpel: Das eine ist ja, bin ich dafür oder dagegen. Das andere ist aber auch die Frage der Effektivität. Also es stehen ja auch viele Windkrafträder oben an der Küste, weil es da schön flach ist. Der Wind kommt reingepfiffen. Die sind sehr effektiv. Vorhin hast du gesagt, die Technik verbessert sich. Meine Frage konkret: Macht es überhaupt Sinn, in einen Wald Windkrafträder zu stellen, wo der Wald potenziell vielleicht auch den Wind abbremst und die Effektivität gar nicht so hoch ist? 

 

Halasz: Also es würde ganz sicher keinen Sinn machen, so ein Windrad quasi zwischen die Bäume zu stellen. Das wäre nicht gut fürs Windrad, das wäre auch nicht gut für die Bäume und es würde niemand machen, weil so ein Ding kostet natürlich auch ne Schweinekohle. Also bevor du erst mal so ein Windrad irgendwo hinstellst, machst du eine Messung und das ist auch keine Sache von zwei Wochen, sondern – wieder Beispiel Hessenreuther Wald: Die haben drei Jahre lang Windmessungen betrieben mit so einem Mast. Und was haben die rausgefunden? Dass dort küstenähnliche Verhältnisse herrschen. Soll heißen, nicht nur an der Küste gibt es ordentlich Wind, sondern eben auch im Landesinneren. Und wenn die Ergebnisse gut sind, muss man gucken, ob man da ein Windrad hinbaut. Das heißt aber immer noch nicht, dass man einfach in irgendeinen Wald muss, weil da viel Wind weht. Du darfst das nur dann, wenn es ein Waldgebiet ist, das ohnehin bereits forstwirtschaftlich intensiv genutzt wird, also nicht ökologisch wertvoller Mischwald ist, sondern so Monokulturen aus vor allen Dingen natürlich Fichten und Kiefern. Für die sieht es - Stichwort Klimawandel - ohnehin nicht so gut aus. Und da darfst du dein Windrad hinsetzen. Du musst dafür nicht den ganzen Wald platt machen, sondern noch mal dieses Beispiel Hessenreuther Wald: Acht Anlagen insgesamt brauchen ungefähr zwei Hektar Platz, also zwei Fußballfelder für Strom für 32.000 Haushalte. Das ist jetzt kein intensiver Flächenverbrauch. Was die Effektivität der Windräder anbelangt: Klar, an der Küste ist der Wind stärker, deswegen stehen da auch die meisten. Wir können es uns aber, wenn wir die Ziele erreichen wollen, gar nicht leisten, immer nur auf die 1A-Lagen zu gehen. Wir müssen auch die 1B- und 1C-Lagen mit in den Blick nehmen. Das heißt natürlich noch lange nicht, dass wir alles mit Windrädern zuknallen. Niemand wird da ein Windrad hinbauen, wo es keinen Wind gibt, denn da lässt es sich nicht wirtschaftlich betreiben. 

 

Göpel: Ich fasse zusammen: Wir brauchen passende Plätze. Nicht alles ist geeignet. Aber im Zweifel wohnen auch Menschen an Stellen, wo man kein Windrad bauen kann und brauchen da trotzdem Strom. Das bringt mich zu dem nächsten Thema: die Trassen. Die Stromtrassen müssen ja gebaut werden und die Speicher müssen gegebenenfalls auch dafür errichtet werden. Hast du darüber mit den Leuten sprechen können oder Erfahrungen, wie denn so bewertet wird, ob das okay ist, da Stromtrassen zu bauen, gegebenenfalls auch einmal alles platt zu roden, tief in die Erde reinzugraben oder Überlandleitungen zu ziehen? 

 

Halasz: Ich habe mit den Anwohnern auch darüber gesprochen. Was du da bekommst, ist ein bisschen wolkig. Das muss man natürlich auch wieder sagen: Das ist Bayern. In Bayern ist das Thema Stromtrassen ja auch wieder ein ganz besonderes. Und die wollen es nicht überirdisch haben, sondern unterirdisch, damit man sie nicht sieht. Das Ergebnis ist, jetzt haben sie gar keine Stromtrassen und merken gerade im Moment, das ist vielleicht doch nicht so geil, was wir da seinerzeit beschlossen haben. Aber deine Vermutung, die hinter der Frage steckt, die ist natürlich realistisch. Also das Phänomen: überall sonst, Hauptsache ich sehe nichts davon, das ist allgegenwärtig. Damit musst du in einer Demokratie einfach leben, dass infrastrukturelle Projekte immer auf Widerstand stoßen, dass sie deswegen sich verzögert erst realisieren lassen. Das heißt ja noch lange nicht, dass wir uns deswegen wünschen würden, wir würden an diesem Punkt werden wie China – das will ja keiner. Aber es ist schwierig. Das Ding ist aber: Wir müssen einsehen, dass, wenn 80 Millionen Bundesbürger nur so lange grüne Energie und die dafür nötigen Stromtrassen gut finden, wie sie nichts davon sehen, dann wird's am Ende irgendwie kompliziert. Ich glaube, Ärger mit Anwohnern gibt es immer. Das musst du als Gesellschaft auch aushalten. Aber am Ende muss halt so langsam mal mehr rauskommen als der ewige große Stillstand. 

 

Göpel: Also den Ärger mit den Anwohnern, da bin ich ja bei dir. In der chemischen Industrie ist das bei uns fast Standard, dass wenn wir ausbauen wollen, erweitern wollen, immer dann die Diskussion ist: Muss das wirklich sein? Wir versuchen aufzuklären, Transparenz zu zeigen. Ist das etwas, was auch die Windkraftindustrie braucht? Also brauchen wir mehr Aufklärung? Brauchen wir mehr Kampagnen auch seitens der Bundesregierung, um für mehr Verständnis zu werben? 

 

Halasz: Ich weiß nicht genau, ob wir da mehr Aufklärung brauchen. Was ich mir wünschen würde, ist, dass wir endlich einmal in die Pötte kommen. Also das Tempo, das wir brauchen, um die Ziele zu erreichen, das hatten wir in der Windenergie ja schon und da müssen wir nur mal wieder hin. Also ich habe auch den Eindruck, dass da politisch schon viele wichtige Knöpfe gedrückt werden. Das Problem bei der Aufstellung von Windrädern waren ja – nicht nur in Bayern, aber eben mal wieder besonders da – zum Beispiel die Abstandsregelung dieses Osterpakets aus dem Habeck-Haus. Das sieht vor, dass 2 Prozent der Fläche in Deutschland ausgewiesen werden soll als potenzieller Standort für Windenergieanlagen und derzeit sind es 0,8 und genutzt haben wir nur 0,5. Und das Paket ist schon dazu angetan, dass die Bundesländer merken, wir müssen mal so ein bisschen aus der Hüfte kommen. Weil wenn da nichts passiert und dann weiter blockiert wird, dann gibt es so ein paar Daumenschrauben, mit denen man sich, glaube ich, besser nicht ausgesetzt sehen möchte. Aber ich glaube, da kommt jetzt so langsam ein bisschen Zug rein. 

 

Göpel: Schön wär's. Wir kommen so langsam zum Ende unseres Gespräches. Und meine letzte Frage ist echt technisch jetzt. Unser Stromnetz hat eine Frequenz von 50 Hertz und man sagt, wenn man so zwei drüber, zwei drunter geht, ist das Netz an sich noch stabil. Auf der anderen Seite ist ein großes Argument auch gegen Windkrafträder, dass der Wind ja nicht ständig weht. Das heißt, wir haben eine hohe Volatilität in den Netzen und alles, was über diese zwei Hertz raus geht, sorgt dafür, dass potenziell ein großer Stromausfall letztendlich die Folge ist. Und bei den Zusammenhängen in Europa hatten wir schon Beispiele, dass ein Netz in Norddeutschland abgeschaltet wurde, eine Trasse. Es hat sich bis Spanien durchgezogen, wo dann bis zu 20 Minuten Stromausfall war. Also lange Rede, kurzer Sinn: Was brauchen wir aus deiner Sicht, um die Netze zu stabilisieren, um die Windkraft mit ihrer Volatilität auszugleichen? 

 

Halasz: Ich gebe jetzt mal eine ganz platte Antwort. Was wir brauchen, ist einfach mehr Strom und zwar richtig mächtig mehr Strom. Wir haben im vergangenen Jahr in Deutschland 500 Milliarden Kilowattstunden Strom verbrezelt. Das ist eine ganze Menge. Aber das wird noch mehr werden. Also Elektromobilität ist immer mehr auch auf der Straße unterwegs. Wenn sich jetzt jeder noch eine Wärmepumpe in seine Bude ballert, dann wird der Stromverbrauch aber ordentlich, der Bedarf ordentlich nach oben gehen. Es gibt Schätzungen, dass bis 2030 750 Milliarden Kilowattstunden jährlich in Deutschland verbraucht werden. Das sind mal eben 50 Prozent drauf, die müssen irgendwo herkommen. Also dass wir Speicher brauchen, ist klar. Aber so in die Fachdebatte, müssen jetzt Angst haben vor der Dunkelflaute und gibt es so was wie die Grundlast dann überhaupt noch oder ist das in Zeiten von Smart Grids und grünem Wasserstoff, Power to Gas, thermischen Energiespeichern, Pumpspeichern, Druckluftspeichern alles gar kein Thema mehr – in die Debatte will und kann ich jetzt gar nicht eintreten. Wir brauchen mehr Strom und ich glaube wir sind gut beraten, wenn wir möglichst viel Strom, wie schon gesagt, hier im Land produzieren. Technologieoffen, aber emissionsfrei. 

 

Göpel: Das lasse ich als Schlusswort mal so stehen. Vielen Dank! Meine allerletzte Frage ist eine Standardfrage an meine Gesprächspartner. Es geht um Songs. Wir haben ja eine Wir-Hier-Playlist. Und ich frage immer nach zwei oder drei Songs, wo du gut entspannen kannst oder wenn du ein Projekt hattest, welche zwei Songs sollten aus deiner Sicht dann spielen? 

 

Halasz: Wenn es mal so ein bisschen chillig sein darf, mag ich Lounge, sehr sogar. So mit dem Cognacschwenker, ich mag zwar keinen Cognac, aber das Glas dazu, über der Tastatur, weil da wünsche ich mir Adventurous von Melody. Und wenn es was zu feiern gibt, ein gutes Projekt oder das Gespräch mit dir, dann kann es ein bisschen krachen: My Hero von den Foo Fighters.  

 

Göpel: Das klingt hervorragend. Uli, vielen Dank für das Gespräch. 

 

Halasz: Sehr gerne, war mir ein Fest. 

 

Göpel: Liebe Zuhörende, das war eine weitere Folge von Wir. Hear. Zu Gast war Uli Halasz von der Themenagentur IW Medien in Köln. Wir haben über den Ausbau der Windenergie gesprochen. Und wenn Sie Fragen, Hinweise oder sogar Lob haben, dann senden Sie mir eine E-Mail an podcast@wir-hier.de.

 

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