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Podcast Wir. Hear. - Reden ist Gold

· Lesezeit 29 Minuten.
Industrie-Beschäftigte mit Helmen. Foto: sittinan
Verständnis der Beschäftigten: Um alle mitzunehmen, gilt es, intern sinnvoll zu kommunizieren. Foto: sittinan

Die chemische Industrie befindet sich in der Transformation. Wie verhindert man, dass die Menschen in den Betrieben sich dabei abgehängt fühlen? Die Kommunikationsberaterin Andrea Montua erklärt, worauf es für Unternehmen in der internen Kommunikation ankommt.  

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Tobias Göpel: Die chemische Industrie befindet sich in der Transformation. Das wirtschaftliche und politische Umfeld führt zu Herausforderungen, die vor wenigen Jahren noch undenkbar erschienen. Über Wandel, Unternehmenskultur und wie man die Menschen in den Betrieben dabei an Bord hält, spreche ich heute mit Andrea Montua. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin der Beratung MontuaPartner Communications in Hamburg, eine der ersten Agenturen, die sich auf interne Kommunikation spezialisiert haben. Hallo Andrea, schön, dass du da bist.

Andrea Montua: Guten Morgen. Freut mich. Hallo.

Göpel: Wir haben uns ja das erste Mal gesehen auf dem diesjährigen Barcamp Chemie, bei dem du uns begleitet hast. Das Thema war „Den Laden zusammenhalten“. Es ging um interne Kommunikation in Zeiten der Transformation. Du hast begonnen mit der Aussage: Die Zeiten sind wild, auch für Kommunikatoren. Was meinst du damit?

Montua: Ich fange mal vorne an. Wir sind jetzt fast 20 Jahre am Markt unterwegs und wenn ich mir anschaue, was so die letzten Jahre gebracht haben, dann ist das eine Veränderungsgeschwindigkeit und auch ein Veränderungsdruck, der ist schon enorm und das hat natürlich die Herausforderungen für Kommunikation einfach ziemlich massiv erhöht. Also wir brauchen ganz andere Skills, wir brauchen eine andere Resilienz, um gleich noch ein zweites Wort in den Raum zu werfen, was wir alle kennen. Und ja, wir müssen uns mit völlig neuen Themen auseinandersetzen und ich finde das manchmal ganz schön wild.

Göpel: Es ist ja meistens so: Wenn eine Krise kommt, wird geguckt, wo gespart wird. Die Kommunikation ist auch mit davon betroffen. Was kann Kommunikation im Change-Prozess bewirken? Also warum lohnt es sich dann, in diese verschiedenen Skills zu investieren?

Montua: Wie viel Zeit hast du? Also ich würde da gerne zitieren aus der Gallup-Studie. Jedes Jahr werden Unternehmen und die Mitarbeitenden in Unternehmen befragt, wie sie sich fühlen und wie sie eigentlich angedockt haben an der jeweiligen Organisation. Und die Zahlen, die verbessern sich nicht, sondern die verschlechtern sich eher. Die Mitarbeitenden sagen: Ich bin überhaupt nicht mehr so richtig dabei. Und wenn man das in Zahlen ausdrückt, dann sind da ganz viele Nullen dabei, wenn es darum geht, welchen Schaden das in den Organisationen anrichtet. Also sprich wenn wir nicht in Kommunikation, in Führung investieren, dann haben wir auf der einen Seite direkte Kosten, weil wir vielleicht uns mit anderen Themen auseinandersetzen müssen, neu antworten müssen, weil wir vielleicht Projekte nicht erfolgreich beenden können. Wir haben aber vor allem auch langfristige Kosten, wenn einfach demotivierte Mitarbeitende dabei herauskommen, die zwar dabei bleiben, aber die vielleicht einen Job machen und uns damit in Schwierigkeiten bringen.

Göpel: Gibt es in der Studie auch Hard Facts? Nach dem Motto: Einen Mitarbeiter zu halten kostet nur 2.000 Euro, einen zu verlieren kostet 6.000 Euro mit dem Recruiting-Prozess.

Montua: Da muss ich fast lachen über die Formulierung „Gibt es da denn auch Hard Facts oder ist das alles so weichgespült?“ So würde ja der Satz sozusagen weitergehen. Das ist nämlich das, was wir Kommunikatoren oder auch die HR-Kollegen ganz oft ja in dem Unternehmen erleben, dass sie sozusagen nach harten Fakten gebeten werden, Ausschau zu halten. Dabei empfinde ich die Rate an Fluktuation oder die Krankheitsrate oder eben solche Zahlen wie die Mitarbeitenden arbeiten, nine to five oder vielleicht überhaupt nicht mehr engagiert und motiviert, die empfinde ich als ganz schön hart. Es gibt das nicht runtergebrochen auf den einzelnen Mitarbeiter. Das wäre so, als wenn du zum Arzt und sagst: Mensch, mir tut der Kopf weh. Sagen Sie mir doch mal die eine Diagnose. Jetzt ist würde der sagen: Nee, das kann ich nicht, weil ich muss jetzt erst mal ein paar Fragen stellen. Und genau das tun wir auch, wenn wir in die Organisation gehen: Erst mal ein paar Fragen stellen. Woran liegt denn das? Vielleicht: Das Engagement hat nicht so, dass das bei Führung gerade ein Thema ist, dass nicht so motiviert gearbeitet wird. Also es gibt nicht die eine Lösung und deswegen kann man auch nicht die eine Zahl benennen und sagen: Also wenn Mitarbeitende nicht so richtig dabei sind, dann sind das 25.000 Euro. Die gibt es nicht.

Göpel: Na gut, aber KPIs mit Fluktuation, Krankheit, Schaden hast du ja schon genannt. Aber du sagst ja auch, dass Kommunikation nicht allein betrachtet werden kann, sondern eine deiner Thesen ist ja, dass der ganzheitliche Wandel nur dann gelingt, wenn die Bereiche Struktur, Führung, Kommunikation von Beginn an mitgedacht werden. Was genau kann ich mir darunter vorstellen?

Montua: Na ja, es hilft wenig, wenn wir und da sind wir dann wirklich bei dem weichgespülten, wenn wir uns nur das Feld Kommunikation angucken und vielleicht sagen: Kommunikation ist der alles rettende Faktor im Veränderungsprozess, in der Krise oder auch im Alltag. Das ist falsch, also da dürfte mich dann jeder CEO auch gerne wieder vor die Tür setzen. Es ist natürlich ein Konglomerat aus verschiedenen Faktoren und all die Faktoren, die du genannt hast, sind diejenigen, die dafür sorgen, dass eine Organisation erfolgreich sein kann. Das heißt, wenn wir reinkommen, man könnte jetzt erst mal sagen, na ja, mit Kommunikatoren, aber das ist gar nicht so, sondern ich habe BWL als Hintergrund. Bei uns haben viele Organisationsentwicklung, Ausbildung und viele andere kommen aus ganz anderen Feldern und gucken sich die Organisation dann strukturell an. Also da gibt es ganz, ganz viele Facetten, die wir einbringen, wenn wir in Organisationen gucken und uns diese verschiedenen Themenfelder anschauen. Und da sind eben solche Sachen wie Struktur, wie Führung, wie Kommunikation. Aber ich mache jetzt mal dieses Buch auf, die Altlast auch ein Riesenthema. Das heißt, eine Organisation, die schon durch fünf Jahre Prozesse gegangen ist, die vielleicht nicht so gut gelaufen sind, die musst du anders begleiten in einem Veränderungsprozess. Und dann musst du andere Themen aufmachen, andere Fragen stellen. Anders mit dem CEO arbeiten oder ihn anders positionieren als in einer Organisation, wo bisher alles super lief und jeder Change-Prozess war gut begleitet. Es gab vielleicht noch gar keinen großen, der jetzt auch irgendwie Wunden hinterlassen hat. Das sind alles Facetten, die du aufmachen musst und da siehst du schon, unser Feld ist halt eben nicht nur Kommunikation, sondern du bist ganz, ganz schnell bist du in einem Feld wie Neurowissenschaften, Psychologie, dann natürlich alles, was sich rund um das Feld Herz dreht, Führung. Also es sind so viele Themen, die da mit reinspielen und das macht es so komplex und hochspannend.

Göpel: Weil du Themen wie einen kurzen Exkurs Change ansprichst: Ich habe Pädagogik studiert mit Personal-, Organisationsentwicklung als Schwerpunkt, in Hamburg sogar. Und es gab Studien, die festgestellt haben, wenn man einfach mal die Wandfarbe verändert, hat das schon einen Effekt auf die Menschen, dass sie plötzlich anders arbeiten. Das ist dann zeitlich nicht so langfristig, aber es gab den Effekt. Also unterscheiden wir mal oder unterscheidest du zwischen Change, also ich sag mal leichten Veränderungen, Stichwort angemalte Wand – und Transformation, wo es also um wirklich strukturell umgreifende Geschichten geht? Also wie definierst du dann Change für dich oder Transformationsprozess?

Montua: Also es ist spannend, du machst wirklich so viele Felder auf, die wirklich auch in den Köpfen vieler Leute drin sind. Es ist halt der kleinere Veränderungsprozess, der spürbar ist für jemanden, der aber eben nichts Transformative hat. Wenn wir jetzt mal bei uns selber anfangen, es ist immer schön, so von sich selbst in das große Ganze, in Organisation oder die Gesellschaft, dann würden wir ja auch nicht sagen, wir transformieren uns, wenn wir einen kleinen Umzug haben, wenn wir in der Großstadt ziehen, von einer Kleinstadt und die Großstadt vielleicht plötzlich in Südamerika liegt und nicht in Deutschland, dann kann man vielleicht schon davon ausgehen, dass eher was Transformative passiert, weil das wird was mit mir machen auf ganz anderen Ebenen. Also deswegen, das Transformative verändert auf allen Ebenen im Normalfall und zieht wirklich auch eine große Verhaltens- und Strukturveränderung nach sich in den Organisationen. Das heißt, da bleibt kaum ein Stein auf dem anderen. Das Domino-Prinzip, das eine setzt das andere in Gang. Ein Change kann die angestrichene Wand sein, kann aber zum Beispiel auch das neue Intranet sein. Ist das neue Intranet ein in Anführungsstrichen kleiner Trend, der aber den großen Transformationsprozess Digitalisierung begleitet? Das ist so vom Kleinen ins Große und das kann ich vorher nicht sagen. Aber wenn mich jemand anruft, ein Kommunikationschef und sagt, wir wollen ein neues Intranet einführen, dann habe ich noch nicht im Hinterkopf, ob das ein Zentrum der Transformation ist und dann fragt man: Wie ist das eingebettet? Ist das Themenfeld Digitalisierung dabei? Welche Prozesse gab es noch so? Also daran siehst du schon, das ist so, wir denken so ein bisschen komplexer.

Göpel: Vielen Dank. Mein Postulat ist: Die Bereitschaft zur Veränderung ist ja meist minimal, außer der Leidensdruck steigt. Dass ich von meinem idyllischen Dorf dann doch in die Großstadt muss oder umgekehrt. Oder eine persönliche Leidenschaft treibt uns an, also die typischen Aussteiger, die sagen:  Ich verlasse jetzt Deutschland, ich gehe woanders hin. Also entweder Leidensdruck oder persönliche Leidenschaft. Wie kann man sich aber an Veränderung gewöhnen? Wie kann die Komfortzone überwunden werden, wenn der Leidensdruck und die Leidenschaft beide nicht so ausgeprägt sind, dass man Lust hat, sich zu verändern?

Montua: Oh, du machst so viele Felder auf. Also, das war toll. Du hast gerade sozusagen fürs Private das aufgemacht, was wir auch für das große Ganze mal aufmachen in den Organisationen, nämlich die Veränderungsformel. Und das ist entweder Leidensdruck. Das andere Wort, was da für uns mal mit reingehört, ist Vision. Du hast es jetzt als persönliche Leidenschaft gesehen. Wir sagen, es braucht eine Vision, also du brauchst Leidensdruck und Vision. Und dann brauchst du kleine, umsetzbare Schritte, damit wirklich Veränderung passiert. Das ist die Veränderung von dir. Wie können wir uns daran gewöhnen? Ich glaube, wir Menschen gewöhnen uns da nicht dran. Wir wollen möglichst wenig Energie aufbringen, um in irgendeinen anderen Zustand zu kommen. Das ist einfach so angelegt. Das heißt, grundsätzlich wollen wir das erst mal nicht. Und jetzt kommen aber die Punkte, die du gerade genannt hast. Wenn es meine Leidenschaft ist, umzuziehen, weil ich das cool finde, irgendwie neu, wenn man, um auch in dem Bild noch mal zu bleiben, neue Städte zu sehen oder was auch immer zu machen, dann kriege ich eine Energie, die ich brauche, um eben gegen dieses „Mein Körper will das eigentlich nicht und meine Psyche auch nicht“ etwas gegen setzen zu können. Und dann finde ich es wiederum gut. Das heißt, das müssen wir schaffen, wir müssen, wenn wir wollen, dass die Menschen sich verändern und gerne verändern, es für sie runterbrechen, warum es für sie persönlich spannend sein kann, in diesen Veränderungsprozess zu gehen. Und ehrlicherweise hilft dann nicht das Gießkannenprinzip. Also wir können nicht one for all nehmen und sagen Mensch, ist super, wenn die Wände jetzt plötzlich rosa sind, um im Bild zu bleiben, weil mindestens die Hälfte sagt: Rosa ist nicht meine Farbe. Was machen wir dann mit denen? Und deswegen ist es so wichtig zu gucken. Führung ist über die letzten Jahre, wo der Veränderungsdruck so zugenommen hat, immer individueller geworden. Das ist der Grund dafür, weil wir Menschen nur dann mitnehmen, begeistern, ja auch bei der Stange halten können. So, wenn wir sie da ansprechen, wo sie ihre Wünsche haben, also wo sie etwas brauchen, wo wir sie mitnehmen können. Und dafür muss ich das als Führungskraft natürlich erst mal wissen. Und natürlich, wir hatten auch über das Thema Komfortzone gesprochen, auch bei dem Barcamp. Und du hast es jetzt auch noch mal angesprochen. Was brauche ich, um aus meiner Komfortzone rauszukommen? Auch da brauche ich das. Warum? Also mir muss es jemand erklären. Es ist immer wichtig zu verstehen, warum soll ich mich überhaupt bewegen? Das können wir in der Kommunikation sehr gut, weil Kommunikation ist Energie. Und das Dritte ist: Es muss irgendwie zu meinen Leidenschaften passen. Also ich muss irgendwie danach mich besser fühlen als vorher. Und das muss eben geschafft werden. Deswegen ist Führung heute auch nicht mehr so einfach.

Göpel: Gehen wir mal zuerst auf die größten Hürden, weil du hast es gerade gesagt mit Farbe, gegebenenfalls die Wand rosa anmalen. Aber manchmal gibt es ja Notwendigkeiten im Betrieb, wo ich nicht fragen kann: Willst du ein rosa oder grün? Sondern das sage ich, das sind die Rahmenbedingungen und da müssen wir hin und daher werden dann halt Veränderungen im Betrieb selten bejubelt oder sofort umgesetzt, weil es heißt ja auch, dass zusätzlich Arbeit und Zeit investiert werden muss. Für Unternehmen, große und kleine, was sind aus deiner Sicht die größten Hürden, die bei allen irgendwie gleich sind?

Montua: Also ich würde gern erstmal zu diesem ersten Punkt noch was sagen, den du gerade angesprochen hast. Manchmal gibt es Dinge, die müssen gemacht werden. Ja, und zugleich wünscht sich jeder Mensch trotzdem, das Warum zu verstehen. Was nicht funktioniert in Veränderungsprozessen, ist, dass jemand sagt: Wir gehen jetzt nach links und los. Das funktioniert nicht mehr, weil ja auf der anderen Seite gerade allen Leuten versucht wird, beizubringen, dass sie unternehmerisch denken sollen, dass sie eigenverantwortlich handeln sollen, dass sie möglichst agil in die Projekte gehen sollen und dann jemand kommt und sagt: Ab jetzt geht's nach links. Selbst wenn es ein „Es geht gerade nicht anders, weil die Marktlage ist so oder unsere Zahlen sind schlecht“ oder was auch immer ist: Es braucht eben diese Offenheit und Transparenz. Das vielleicht einfach noch mal als Erklärung dazu. Wie kann man auch an dem Punkt sozusagen arbeiten? Das zweite, was du fragst, das ist der zweite Punkt. In dem Thema würden also Widerstände entstehen aus unterschiedlichen Facetten, die in einem Menschen passieren. Das kann Altlast sein. Also ich habe schon den Prozess erlebt, dass alles an die Wand gefahren wurde oder schlecht kommuniziert wurde. Dann habe ich auf den nächsten echt keinen Bock mehr und dann muss mir jemand mehr Energie da reingeben, damit ich aus diesem Widerstand, den ich dann habe, rauskomme. Wenn ich nicht verstehe, dann bewege ich auch nix, weil bevor ich was Falsches mache, das habe ich ja irgendwann mal gelernt, bewege ich mich dann lieber gar nicht, gehe ich in die Starre. Das ist dieser starre Widerstand, den man vielleicht auch ab und an mal kennt. Und das Dritte ist meine Persönlichkeit. Also wie bin ich selber strukturiert? Bin ich ein Unterstützer vom Typus oder bin ich eher jemand, der erst mal in einer abwartenden Position ist und ein bisschen mehr Infos braucht dazu und dann über andere vielleicht auch abgeholt wird? Oder bin ich vielleicht sogar ein Gegner? Es gibt viele Menschen, die einfach per se auch erst mal sagen: Nö, will ich nicht. Und all diese verschiedenen Varianten an Persönlichkeiten brauchen eben auch eine unterschiedliche Ansprache. Und die dürfen nicht unter- oder überschätzt werden. Wir tun gerne beides. Manchmal unterschätzen wir die Kollegen, manchmal überschätzen sie. Also deswegen, Widerstand kommt aus unterschiedlichen Ecken. Wenn wir mit Widerstand konfrontiert werden in den Organisationen, dann gucken wir uns immer erst mal an, wo kommt er her? Weil auch da gilt wieder: Ohne Analyse kannst du fast nur daneben liegen. Wir machen Interviews oder Fokusgruppen und fragen nach.

Tobias Göpel: Die Anforderungen an eine Führungskraft sind unwahrscheinlich gestiegen. Das hast du jetzt auch schon mehrfach gesagt. Das ist auch eine These von dir, dass Herausforderungen anders sind als noch vor zehn oder fünf Jahren. Kann das eine Führungskraft überhaupt schaffen? Also ich überspitzt mal wieder ein bisschen. Ich habe den BWLer, der die Zahlen kennt, der im Zweifelsfall dann sich da mathematisch durchhängt, Zusammenhänge sozusagen herstellt, wo andere schon längst ausgestiegen sind. Und ich habe den Chemiker, der die Formeln kennt und also alle sehr fachlich gut sind und dann aufgrund ihrer fachlichen Expertise dann eine Führungsverantwortung kommen und dann plötzlich Menschen führen sollen. Und jetzt sagst du: Hey, es gibt die und die und die verschiedenen Persönlichkeiten, auf die du eingehen muss, die musst du unterschiedlich ansprechen, die muss mitnehmen. Da gibt es den Change-Prozess. Parallel gibt es dann eine Überregulierung, es gibt wirtschaftliche Zwänge. Also als Führungskraft würde ich ja einfach sagen: Ihr könnt mich mal kreuzweise, ich habe keinen Bock mehr. Ich bin jetzt Aussteiger. Ich mache auf Malle irgendwie ein Reisebüro auf.

Montua: Also ehrlicherweise gibt es genau das. Reisebüro aufmachen weiß ich nicht, aber es gibt genug Kollegen, die sagen, also das mit der Geschichte, das jetzt hier ist nicht mehr meins, ich möchte bitte wieder woanders hin oder ich möchte ganz woanders hin. Und zugleich hast du natürlich total recht mit dem, was du sagst. Die Anforderungen sind hoch, die sind auch komplex und ich muss ein bisschen schmunzeln, als du es gerade aufgezählt hat, weil ich dachte ja, das ist genau der Grund, warum wir unseren dritten Bereich aufgemacht haben. Das ist exakt der Bereich, wo mit die meisten Themenfelder im Moment liegen, im Transformationsprozess sind, weil eben Führungskräfte entwickelt werden müssen. In Sachen Change, also was heißt das überhaupt? Wie verhalte ich mich in Veränderungsprozessen, in Transformationsprozessen? Was mache ich eigentlich mit mir selber? Und dann eben auch das Feld Kommunikation, weil genau wie du das sagst, wenn auf meiner Visitenkarte Leiter Einkauf steht, dann heißt das nicht automatisch, dass da drunter steht „Und ich bin der Beste in Kommunikation“. Oder ich bin Leiter von den Werten meiner Organisation und dann steht da auch nicht automatisch drunter, dass Kommunikation schon immer mein Lieblingsfach war. Ganz im Gegenteil, meistens ist man nicht Führungskraft geworden, weil ich irgendwelche fachlichen Themen gut konnte, aber nicht, weil ich besonders gut führen oder besonders gut kommunizieren konnte. Und da braucht es ganz viele verschiedene Dinge, nämlich einmal eine Erhöhung der Selbstreflexion bei den einzelnen Kollegen überhaupt erst mal anzuerkennen, das ist nicht mein Feld. Das ist aber nicht schlimm, weil ich kann versuchen zu lernen. Das hat aber damit zu tun, dass ich erst mal mir das eingestehen muss. Da ist tatsächlich immer noch ein ganz großer Punkt ehrlicherweise, dann muss ich es auch dürfen. Also ich muss es mir eingestehen dürfen und nicht sofort meinen Job verlieren. Das hat meistens den Führungskräften auch niemand gesagt, dass sie plötzlich kommunizieren können müssen, bloß weil sie jetzt in eine Führungsrolle gekommen sind und da braucht es dann eben wieder dieses Dürfen und das Können. Und da musst du dir dann Unterstützung holen. Entweder hast du intern gute Leute, die schulen können oder du nimmst dann eben jemanden dazu, der den Menschen das beibringt. Und das ist also ich glaube, das ist gerade noch so ein riesengroßer Weg von jedem einzelnen, aber auch von Organisationen, anzuerkennen: Ich bin jetzt nicht weniger wert oder ich bin nicht krank und ich brauche nicht ein Coaching, weil ich hier irgendwie ein mentales Problem habe, sondern ich lern einfach was. Also wenn ich Tennisspielen lernen will, dann sage ich ja auch nicht: Ab morgen kann ich das und spiele mit, sondern dann nehme ich mir erst mal ein paar Stunden, um irgendwie da reinzukommen. Und genau das braucht es dann eben auch bei den Führungskräften.

Göpel: Mitspielen ist ein Wort, das will ich aufgreifen, weil wir haben uns jetzt gerade auf die Führungskräfte konzentriert und es erweckt so den Eindruck, als ob auf denen die ganze Last liegt, was wahrscheinlich auch weitestgehend so ist. Aber mitspielen, Kommunikation, Dialog bedeutet ja auch, dass die Beschäftigten ja auch mitmachen. Und inwiefern kann ich so was voraussetzen? Soll ich so was voraussetzen, dass sie nicht nur dasitzen, sondern inwiefern kann ich auch voraussetzen, dass sie einen gewissen Erkenntnisgewinn durch Selbstreflektion schon vorher haben, dass dieser Wandel notwendig ist?

Montua: Wirklich gute Frage. Und tatsächlich auch eine Frage, die aus dem realen Leben kommt. Vielleicht erst mal so als generelle Antwort, auch wenn sie frustrierend ist: Voraussetzen kann ich erst mal gar nichts. Zum einen, weil die Mitarbeitenden völlig unterschiedlich ticken. Jeder Einzelne bringt eine eigene Historie mit und bringt eigene Wünsche, Bedürfnisse, Erwartungshaltung mit. Und das ist zum Beispiel was, was ich in der CEO-Positionierung oder in meiner Arbeit einbeziehe. Immer wieder zu erklären: Du musst darüber reden, was du willst. Also was ist deine Erwartungshaltung an deine Führungskraft, an deine Mitarbeitenden, an wen auch immer. Weil die können keine Gedanken lesen. Und in einer anderen Organisation waren die Erwartungshaltung vielleicht völlig andere. Oder bei dem CEO vorher waren es vielleicht völlig andere. Also es ist immer ein Feld von beidem. Das ist übrigens wie in Freundschaften oder in Partnerschaften, auch wenn ich nicht darüber rede, was ich als gut und richtig und als für mich wichtig erachte, dann kann der andere das nicht wissen. Und das andere ist, wenn ich darüber rede, muss ich auch damit leben können, dass mein Gegenüber sagt: Das kann ich nicht oder das will ich nicht. Also im Gespräch miteinander und das ist halt das Relevante und Wichtige. Also Führung ist nicht eindimensional, sondern im besten Falle ist es interaktiv miteinander. Und ja, der eine redet darüber, was er erwartet und dann guckt man, wie kommen wir da hin. Ich mache immer gerne beide Facetten auf. Wenn wir darüber reden, welche Erwartungshaltung wir haben, müssen auch Konsequenzen folgen, wenn sie nicht erfüllt werden. Was natürlich auch wichtig: Es gibt viele Organisationen, die haben keine gute Feedback-Kultur zum Beispiel. Also auch zu sagen okay, wenn das nicht passiert, dann gibt es auch Konsequenzen. Also das müssen wir tun, damit wir erfolgreich am Markt bestehen können.

Göpel: Bei dem Barcamp ist mir aufgefallen, dass viele der Teilnehmenden nach Lösungen gesucht haben, wie sie die Themen über welche Kanäle bespielen können. Da kommen wir auch noch gleich drauf. Aber das Warum haben sie komplett ausgeblendet. Ich interpretiere mal: Der CEO hat das ja so vorgegeben. Wie wichtig ist in deiner Beratung das Warum?

Montua: Also das Warum ist für mich, das merkt man vielleicht auch schon an den Antworten, für mich mit das A und O, also weil ich daran glaube, dass ich nur so Menschen mitnehmen kann, wenn sie das verstehen und wenn man mit ihnen auch diskutiert hat und sie sozusagen dann entweder überzeugt hat oder eines Besseren belehren konnte oder vielleicht auch einen gemeinsamen Kompromiss gefunden hat. Also Themen und Kanäle sollten auf jeden Fall nach dem Warum folgen und wir zum Beispiel fragen bei CEOs oder auch bei Führungskräften immer wieder auch nach: Warum wünscht ihr denn genau diesen Kanal oder dieses Format? Und das irritiert dann oft erst mal, also weil genau wie du sagtest na ja, ich habe das irgendwo anders gesehen und ich möchte jetzt, dass wir ein gutes Intranet haben, das ist für mich ganz persönlich in meiner Beratungsarbeit noch nicht das, was mich dann davon überzeugt zu sagen okay, dann ist es auch der richtige Kanal für euch, sondern man sollte dann einmal gucken: Zielt es auch in die richtige Richtung ab? Also braucht es wirklich gerade ein Intranet oder braucht es vielleicht eher etwas anderes? Und das hatten wir ja tatsächlich auch in dem Barcamp, dass es viel darum ging, zum Beispiel gewerbliche Kollegen und Kolleginnen abzuholen. So, und auch da würde ich immer fragen, warum? Also geht es darum sie zu erreichen, nur um sie zu erreichen? Geht es darum, dass Sie die Strategie verstehen sollen, weil sie eine bestimmte Rolle haben in diesem Prozess? Ja, dann muss ich sie natürlich erreichen. Oder möchte ich mehr Motivation erreichen, weil ich die Stimmung verbessern möchte? Oder das grundlegende Engagement, weil immer mehr Leute weggehen, woanders hin, dann ist das der richtige Weg. Da aber kommt dann vielleicht als Antwort naja, die Fluktuation ist grad so hoch, da würde ich auch da immer wieder fragen: Warum? Liegt das denn wirklich an mangelnder Kommunikation oder wünschen die sich mehr Geld oder kommen den Führungskräften grad nicht klar? Und daran siehst du schon, du kommst dann von Hölzchen auf Stöckchen und deswegen wird es dann komplex und muss dann wieder zusammengefasst werden zu einem gemeinsamen Ganzen.

Göpel: Ich bin ein Anhänger von einfachen Lösungen und der Kanal ist jetzt auch das, wo ich noch ein bisschen drauf rum reite. Wir haben die Situation, dass aus der Verwaltung, aus dem Vertrieb und Co. viele jetzt im Homeoffice arbeiten können, aber nicht in der Produktion. Also die Produktion ist ganz stark bei uns der chemische Industrie, die müssen ja weil sie Schicht arbeiten in den Betrieb kommen. Wir haben also so eine Art Ungleichgewicht auch. Und ich kenne Geschichten, dass auch Vorstände verzweifelt die Verwaltungsleute anhauen oder anschreiben: Bitte kommt doch auch mal wieder in die Firma, lasst euch blicken. Wir haben sogar Büros, die haben sich ganz schick gemacht. Also was sind aus deiner Sicht geeignete Kanäle, um die die Produktion und die Verwaltung zu erreichen?

Montua: Also das, was am meisten während Corona und auch danach dafür gesorgt hat, dass Menschen gerne wieder vor Ort sind, ist der persönliche Kontakt und der persönliche Austausch. Weil was man sich klar machen muss ist, dass ein Mitarbeiter im Kopf die Rechnung aufmacht: Was kriege ich auf der einen Seite und was steht dem entgegen? Zwei Stunden Fahrt. Eigentlich wollte ich heute noch die Wäsche machen nebenher. Ich wollte auch kochen für heute Abend nebenher. Meine Tochter kommt um zwei nach Hause. Okay, das ist nur die eine Seite. Das andere ist, ich will meine Kollegen wiedersehen. Aber wer ist denn heute da? Ach ja, nur Klaus. Hm. Also, was ist da passiert? Im Kopf Ganz, ganz viel. Das wissen wir aus Befragungen. Es ist faszinierend, was in den Köpfen der Menschen passiert. So, wenn sie diese Entscheidung treffen. Deswegen die Mail, um mal in deinem Beispiel zu bleiben, bringt nichts bis gar nichts. Wir können uns auch den erhobenen Zeigefinger sparen. Davon bin ich überhaupt kein Fan. Das heißt, ich würde nie mit dem Druck arbeiten wollen, sondern ich würde damit arbeiten wollen zu gucken, wie schaffe ich Momente oder ein Momentum vielleicht auch, dass sie gerne wieder reinkommen. Also ich sorg dafür, immer der Mittwoch, da wäre es schön, wenn alle da sind, weil dann haben wir hier volle Räume und wir finden Möglichkeiten dann auch, dass wir vielleicht noch einen After Work dran packen oder dass wir gemeinsam Mittagessen gehen, weil das sind diese sozialen Kontakte, die den Menschen im Homeoffice fehlen. Also du musst darüber kommen: Was haben Sie im Homeoffice nicht, was sie aber im Büro kriegen können? Und das ist ehrlicherweise nicht der schicke Rechner, sondern es sind im Normalfall die Menschen. Und es ist auch das: Ich habe wieder Austausch. Also ich kann an den Projekten anders arbeiten, weil ich kann ich mal eben zur anderen Tür gehen und den Kopf reinstecken und sagen guckt mal hier auf das Konzept. Ist das so? Also das sind die Momente, die ziehen. Das muss ich aber erfragen. Da sind wir wieder bei Führung in meinem Team. Zu fragen, was die brauchen, damit sie gut arbeiten können, ist total relevant, in den Austausch zu gehen. Du hast aber nach Formaten gefragt. Ich würde Formate wählen wie eine Town Hall zum Beispiel. Das ist Information und auf der anderen Seite vielleicht auch noch Begegnung. Das können sich natürlich auch Leute zuschalten, aber es ist immer schöner, gemeinsam vor Ort zu sein oder eben an ein Team-Event noch irgendwas anderes dran zu koppeln, eine Informationsveranstaltung oder irgendwas. Also so um Mehrwert zu schaffen. Das würde ich für die Leute versuchen, die in den normalen Büros unterwegs sind. Bei den anderen Mitarbeitern müssen wir eher darauf gucken, zu sagen, wie gleichen wir ihren gefühlten Schmerz aus, sozusagen, dass sie diese Chance gar nicht haben. So, und auch da muss es uns wieder gelingen, sozusagen etwas zu erschaffen. Und das können vielleicht auch da gemeinsame Treffen sein mit einem Bier nach Feierabend in den Werken oder dass man irgendwie den Leuten irgendwelche Austausch Formate ermöglicht, wo sie mal einen Blick über den Tellerrand haben oder wo wir in der Kantine irgendwelche Highlights haben. Also ich bin auch da immer Fan von einmal nachfragen und das kostet nicht viel Zeit, weil das klingt immer so nach großer Analyse, aber man muss nur mal mit seinen Leuten reden.

Göpel: Wenn jetzt ein Unternehmen sagt okay, ich will gescheit in den Transformationsprozess rein, Was sind deine drei Learnings aus anderen Prozessen, wo du sagst: Bitte, das ist so Basisarbeit, macht das unbedingt? Und dann hat es auch eine Chance, was zu werden.

Montua: Also ich würd mal sagen, holt euch interne oder externe Hilfe. Also wir haben wirklich meistens auch super interne Kollegen, die schon Transformationsprozesse begleitet haben. Oder holt euch externe Unterstützung, die euch strukturiert sozusagen. Also wenn ihr wisst, ein Change steht an, fangt nicht erst an dem Tag an, wo er verkündet wird. Denkt vorher drüber nach, macht eine Roadmap und macht einen Meilenstein-Plan und redet sozusagen darüber, wie es dann am Ende laufen soll. Das ist das eine. Wenn ihr das tut, denkt darüber nach, welche Altlasten es gibt und guckt euch an, wie man die aus der Welt schaffen kann, damit man sozusagen möglichst neutral zumindest sich auf den Weg machen kann. Dann guckt euch auch vorher an, welche Formate habt ihr schon eingeführt, die nachher nutzen können? Weil wir haben immer wieder Organisationen, die rufen uns irgendwo mitten im Change an und sagen: Wir merken gerade, wir haben nicht die Formate, um das richtig zu kommunizieren. Also so ein bisschen, ich nenne es mal Planung, das ist vielleicht so Analyse und Planung, also das ist das eine. Und dann guckt ihr euch an, das ist vielleicht das zweite Feld: Mit wem hast du's eigentlich zu tun? Also wer sind deine Mitarbeitenden? Welche Zielgruppen hast du da und wie gut sind deine Führungskräfte gestärkt, um in diesem Prozess zu gehen? Oder musst du an der Stelle noch irgendwas tun? Das wäre vielleicht so der zweite große Bereich. Und dann bin ich ein Riesenfan von Offenheit und Transparenz im Prozess, dass, wenn du nichts zu sagen hast, sage, dass du nichts sagen kannst oder willst. Vertrauen schaffen ist das Wichtigste in einem solchen Prozess und dafür braucht man Offenheit und Transparenz. Und das übrigens, das sagen aktuelle Studien gerade, wird oft dem CEO zugeschrieben. Der hat eine riesen Stellung in Veränderungsprozessen, zurzeit auch größer als noch vor ein paar Jahren. Deswegen bin ich ein Riesenfan von CEO-Positionierung nach innen und nach außen.

Göpel: Liebe Andrea, vielen Dank, dass ich dir heute zuhören durfte. Ich lass das jetzt bewusst so stehen, auch mit Blick auf die Uhr. Zum Abschied bitte ich auch Dich um einen oder zwei Titel für meine Playlist. Bei welchen Songs kannst du am besten entspannen, wenn es wieder sehr sportlich geworden ist, oder welche Titel hörst du, wenn ein Projekt so richtig gut gelaufen ist?

Montua: Also ich habe nicht den einen Titel oder so, sondern ich bin ein ganz großer Fan von lateinamerikanischer Musik. Ich tanze nämlich, um meinen Kopf ab und an ein bisschen abschalten zu können: Und da gibt es eine Playlist, die wirklich nur zum Tanzen ist. Und dann gibt es eine Playlist, die ist eher für genau solche Momente, wie du es gerade beschrieben hast.

Göpel: Liebe Andrea, herzlichen Dank für das heutige Gespräch. Liebe Zuhörende. Das war eine weitere Folge von Wir. Hear. Zu Gast war Andrea Mantua, Inhaberin von MontuaPartner Communications, eine Beratungsagentur für interne Kommunikation in Hamburg. Wir haben über den Wert der internen Kommunikation in der Transformation gesprochen.

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