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Kreislaufwirtschaft: „Der Anteil an recyceltem und biobasiertem PET steigt”

· Lesezeit 6 Minuten.
PET Flaschen Abfüllanlage
Kein Plastikmüll, vielmehr ein wertvoller Rohstoff: PET-Flaschen in einer Abfüllanlage. Foto: Pixel_B/stock.adobe.com

 

Häufig wird darüber diskutiert, ob Mehrwegflaschen aus Glas nicht ökologischer sind als solche aus PET-Kunststoff. Ist Glas denn nachhaltiger?
Alexander Kronimus: Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Ob Kunststoff oder Glas besser ist, hängt von der Umweltbilanz der jeweiligen Mehrweg-Anwendung ab. Es gibt jedoch eine einfache Faustregel, die bei der ersten Orientierung helfen kann: Je weiter ein Produkt transportiert wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass Kunststoff-Flaschen die bessere Ökobilanz haben. Das liegt daran, dass Palletten mit Kunststoff-Flaschen leichter sind, mehr Volumen fassen, PET bruchfest ist, also beim Transport seltener kaputt geht und auch bei niedrigeren Temperaturen verarbeitet wird als Glas. PET wird bei einer Temperatur von circa 280 Grad Celsius verarbeitet, Glas hingegen bei Temperaturen ab 600 Grad Celsius. Das führt dazu, dass Mehrwegflaschen aus Kunststoff oft mit einem geringeren Energieaufwand hergestellt, transportiert und recycelt werden können als Glasflaschen.

Aber auch Glasflaschen haben ihre Vorteile…
Alexander Kronimus: Mehrwegflaschen aus Glas können sinnvoll sein, wenn die Transportwege möglichst kurz sind und es eine lokale Infrastruktur gibt, die gewährleistet, dass die Flaschen oft wiederverwendet werden können. Mehrwegflaschen aus Glas können je nach System 15- bis 50-mal wiederverwertet werden, sofern sie nicht verschmutzt oder beschädigt werden. Mehrwegflaschen aus PET können zum Vergleich etwa 10- bis 25-mal gereinigt und wieder befüllt werden. Um die Ökobilanz von Mehrwegflaschen zu bestimmen, muss die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet werden. Das liegt daran, dass in jeder Phase der Wertschöpfungskette Emissionen auftreten können, beispielsweise bei der Bergung der Rohstoffe, bei der Herstellung der Mehrwegflaschen, bei der Lagerung und beim Transport, bei der Reinigung und Aufbereitung und schließlich auch beim Recycling und der Entsorgung. Mehrwegflaschen aus Glas verursachen in den meisten dieser Phasen mehr Emissionen als vergleichbare Flaschen aus PET.

 

Alexander Kronimus, Geschäftsführer von Plastics Europe Deutschland. Foto: Plastics Europe Deutschland
Alexander Kronimus, Geschäftsführer von Plastics Europe Deutschland. Foto: Plastics Europe Deutschland

„Innovationen im Produktdesign und neue Recyclingtechnologien machen es im Grunde schon heute möglich, PET-Flaschen nahezu ohne neue fossile Rohstoffe herzustellen, sie länger zu nutzen und am Ende ihrer Nutzungsdauer in hoher Qualität zu recyclen.“

Seit 2003 gibt es das Pfandsystem auch für viele PET-Flaschen. Werden denn die dabei zurückgegebenen Flaschen wirklich recycelt? 
Alexander Kronimus: Deutschland hat für PET-Flaschen eines der effektivsten Mehrweg-Systeme der Welt. 2021 wurden fast 97 Prozent der Einweg- und Mehrweg-PET-Flaschen zurückgegeben. Mehr als 90 Prozent werden recycelt und davon ein erheblicher Teil wieder für neue Flaschen verwendet. Darüber hinaus wird recyceltes PET auch in anderen Verpackungsmaterialien abseits von Flaschen sowie in Textilfasern und weiteren Anwendungen eingesetzt.

PET lässt sich also generell gut recyceln? 
Alexander Kronimus: PET ist ein leichter und stabiler Kunststoff, der oft für Lebensmittelverpackungen, Getränkeflaschen und Textilien genutzt wird. Er eignet sich neben der mehrfachen Verwendung sowohl für mechanisches als auch für chemisches Recycling. Beim mechanischen Recycling wird PET zerkleinert, gereinigt und eingeschmolzen, um daraus neue Produkte zu formen, etwa Flaschen oder Fasern. Chemisches Recycling hingegen zerlegt PET in seine chemischen Bestandteile (Monomere), die dann zu neuem PET-Material umgewandelt werden können. Das ermöglicht eine höhere Qualität und Reinheit. Man kann sich PET wie eine lange Kette aus kleinen Bausteinen vorstellen, die aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff bestehen. Diese Bausteine wiederholen sich immer wieder und bilden zusammen das Kunststoffmaterial. PET wird oft aus kohlenstoff- und wasserstoffhaltigen Rohstoffen wie Erdöl und Erdgas hergestellt. Doch PET muss nicht zwangsläufig aus fossilen Rohstoffen hergestellt werden. Der Kohlenstoff- und der Wasserstoff kann auch aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden, beispielsweise aus Algen und Zuckerrohr, oder aus recycelten Materialien, die aus bereits bestehenden PET-Anwendungen gewonnen werden.

Liegt in biobasiertem PET die Zukunft? 
Alexander Kronimus: In der europäischen Kunststoffindustrie hat in den letzten Jahren ein großes Umdenken stattgefunden. Investitionen in die Kreislaufwirtschaft werden zum Wettbewerbsvorteil, da sie neue Rohstoffe erschließen und Unternehmen weniger abhängig von schwankenden Energie- und Rohstoffpreisen machen. Die Kunststoffhersteller in Europa haben sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden und den Einsatz fossiler Rohstoffe stark zu reduzieren. In der Plastics Transition Roadmap haben sich die Hersteller auf einen Plan geeinigt, der klar vorgibt, wie dies gelingen kann. Die Maßnahmen umfassen die Förderung des zirkulären Produktdesigns, den Ausbau des mechanischen und chemischen Recyclings sowie den zunehmenden Einsatz von Biomasse und Kohlenstoff aus CO₂-Abscheidung als alternative Rohstoffquellen für die Kunststoffproduktion. Schon heute bestehen 19,5 Prozent der neu produzierten Kunststoffe in Europa aus recycelten, oder biobasierten Materialien.

Was ist nötig, damit dieser Anteil steigt?  
Alexander Kronimus: Plastics Europe geht davon aus, dass dieser Anteil an zirkulären Kunststoffen bis 2050 weiter steigt, auf 65 Prozent. Doch damit diese Transformation gelingt, wird es allein in Deutschland Investitionen in einem mittleren zweistelligen Milliardenbereich brauchen. Innovationen im Produktdesign und neue Recyclingtechnologien machen es im Grunde schon heute möglich, PET-Flaschen nahezu ohne neue fossile Rohstoffe herzustellen, sie länger zu nutzen und am Ende ihrer Nutzungsdauer in hoher Qualität zu recyceln. Dank automatisierter Sortieranlagen kann PET schon heute sehr gut sortenrein getrennt werden. Neue Methoden zum Entfärben und Entfernen von Etiketten verbessern die Recyclingqualität, sodass immer mehr recyceltes PET wieder in Getränkeflaschen und Lebensmittelverpackungen verwendet werden kann. Chemisches Recycling birgt zudem das Potenzial, verunreinigte oder stark gemischte Kunststoffe zu hochwertigen Rohstoffen umzuwandeln, wenn die gängigen mechanischen Recyclingverfahren an ihre Grenzen stoßen. 

Worin sehen Sie dabei die Herausforderung?  
Alexander Kronimus: Die Herausforderung besteht zurzeit vor allem darin, die Produktionskapazitäten für recycelte Materialien schnell genug zu skalieren, und gleichzeitig international wettbewerbsfähig zu bleiben. Wenn es aber der Bundesregierung gelingt, Deutschland als wettbewerbsfähigen Industriestandort zu stärken und es den Unternehmen erleichtert in die Kreislaufwirtschaft zu investieren, könnte das Land bei der Kreislaufwirtschaft eine internationale Vorreiterrolle einnehmen.

 

Über Alexander Kronimus
Dr. Alexander Kronimus ist Geschäftsführer von Plastics Europe Deutschland, dem Verband der Kunststofferzeuger. Zuvor war er zehn Jahre als Referent für Energiewirtschaft beim Verband der Chemischen Industrie (VCI) tätig. In dieser Funktion begleitete er Studien zur Transformation der Chemieindustrie in die Treibhausgasneutralität. Der studierte Geologe und promovierte im Bereich Umweltwissenschaften an der RWTH Aachen.
 

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