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Chemistry4Climate: Update für die Transformation der Chemieindustrie

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Wasserstoffpipeline. Foto: AA+W - stock.adobe.com
Grüne Energie, ja bitte: Auf dem Weg zur Klimaneutralität braucht die Chemieindustrie große Mengen grüner Energie, zum Beispiel Wasserstoff, der mit Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wurde. Foto: AA+W - stock.adobe.com

Die Chemie auf dem Weg zur Klimaneutralität: Fakten sind die Basis

Im Mai 2023 hatten der Verband der Chemischen Industrie (VCI) und der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) ihren Bericht Chemistry4Climate (C4C) vorgelegt. Das Ziel des faktenreichen Reports: aufzeigen, wie die deutsche Chemieindustrie bis 2045 klimaneutral werden kann.

Basis für die Berechnungen, wieviel Energie die Chemie benötigen wird, war die Annahme, dass die Produktion in der

  • Grundstoffchemie jährlich um 0,5 Prozent zurückgeht und
  • in der Spezialchemie um 1,1 Prozent steigt.

Die Hauptaussage des C4C-Berichts von 2023: Die Transformation ist machbar, erfordert aber erhebliche Veränderungen in Produktionsprozessen, Energieversorgung und Rohstoffnutzung.

Wichtig war die Annahme, dass es während der Transformation keine drastischen Produktionsverlagerungen ins Ausland geben würde.

Da das Zahlenwerk vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine entstand, legte das Autorenteam nun ein Update vor.

Der neue C4C-Bericht: Produktionsrückgänge verringern den Energiebedarf

2022 stiegen die Energiepreise durch den Ukrainekrieg und gedrosselte Gaslieferungen aus Russland. Sie sind inzwischen wieder in etwa auf das Vorkrisenniveau gefallen, schwanken aber deutlich.

Nachfragerückgänge im In- und Ausland führten zudem in der deutschen Chemieindustrie bis Mitte 2023 zu sinkenden Umsätzen. Bis heute haben diese nicht das Vorkrisenniveau erreicht. Dies gilt auch für die Produktion.

Bei bestimmten, wichtigen Basischemikalien sind die verzeichneten Produktionsrückgänge so hoch, dass sie sich auf die Prognosen für den künftigen Energiebedarf auswirken.

Zwar geht die neue C4C-Studie weiterhin von einer um 0,5 Prozent geringeren Grundstoffproduktion und 1,1 Prozent höheren Spezialchemieproduktion pro Jahr aus. Aber die Ausgangsbasis ist durch die Einbrüche zwischen 2020 und 2022/23 niedriger. Darum gibt es jetzt eine Aktualisierung der Studie. Mit der Produktionsentwicklung mehrerer Basischemikalien begründet sie die geringeren Prognosen:

Beispiele: Produktionseinbruch bei Methanol und Ammoniak

Der flüssige Alkohol Methanol (CH3OH) entsteht überwiegend aus Erdgas. Methanol spielt als Kraftstoff und Ausgangsstoff in der Chemieindustrie eine große Rolle. In der Wasserstoffwirtschaft gewinnt es als Energieträger an Bedeutung, weil es leichter zu transportieren ist als Wasserstoff.

2020 betrug die Methanolerzeugung in Deutschland rund 1.523.000 Tonnen, 2022/23 nur noch 910.000 Tonnen. Dies ist ein Rückgang von rund 40 Prozent. Die neue Bedarfsprognose beträgt dementsprechend nun 810.000 Tonnen (statt im früheren C4C-Bericht: 1.344.000 Tonnen).

Die gasförmige Verbindung Ammoniak (NH3) ist eines der wichtigsten Chemieprodukte. Die Herstellung ist energieintensiv. Bedeutende Abnehmer sind die Hersteller von Stickstoffdünger. Doch auch viele Industriebranchen brauchen Ammoniak für ihre Prozesse. Ammoniak gilt wie Methanol in der Wasserstoffwirtschaft als geeigneter Energieträger.

2020 betrug die Ammoniakerzeugung in Deutschland rund 3.111.000 Tonnen, 2022/23 nur noch 2.120.000 Tonnen. Dies ist ein Rückgang von rund 32 Prozent. Die neue Bedarfsprognose beträgt dementsprechend nun 1.889.000 Tonnen (statt im früheren C4C-Bericht: 2.744.000 Tonnen).

Einige Anlagen in Deutschland zur Methanol- und Ammoniakherstellung sind bereits außer Betrieb.

Die Chemie braucht weniger Energie

Die reduzierten Produktionsmengen führen der neuen C4C-Studie zufolge zu einem geringeren Bedarf an Strom, Wasserstoff und weiteren Rohstoffen. So sinkt allein der prognostizierte Strombedarf einer im Jahr 2045 transformierten, Chemieindustrie von ursprünglich 508 Terawattstunden (TWh) um 68 TWh auf 440 TWh. Diese Minderung entspricht in etwa der Stromproduktion 2023 aus Photovoltaik (52,2 TWh) und Wasserkraft (19,5 TWh) zusammengenommen.

Es ist demnach auch weniger Wasserstoff als Energieträger erforderlich, um die deutschen Chemieanlagen zu versorgen.

Der Investitionsbedarf für die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaftsweise ist nach Ansicht des Autorenteams ebenfalls kleiner. Er könnte bis 2024 um zwei bis fünf Milliarden Euro geringer ausfallen als ursprünglich veranschlagt (2023: rund 26-40 Milliarden Euro).

Der Weg in die Klimaneutralität wird nicht unbedingt einfacher

Trotz der Produktionsrückgänge bei Grundstoffen: Der Energiebedarf in der Chemieindustrie bleibt hoch. Experte Alexis Bazzanella von der Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. betonte bei der Vorstellung der neuen C4C-Studie: Nach wie vor gelte es,

  • Anlagen auf klimafreundlichen Betrieb umzustellen,
  • die Produktionsketten umzugestalten und
  • den enormen Bedarf an erneuerbaren Energien zu decken.

Dass sich die Chemieindustrie an der Erzeugung von grünem Wasserstoff beteilige, sei „alternativlos“. Denn Wasserstoff sei als Energieträger zentral für die Transformation.

VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup sagte, die Produktionsverlagerung von Grundstoffen in andere Länder sei kein Beitrag zur Nachhaltigkeit oder zur Resilienz der deutschen Wirtschaft. Denn sie zu befördern, koste ebenfalls Energie. Zudem zeigten Vorfälle wie das quer liegende Schiff im Suezkanal im Jahr 2021, wie anfällig Lieferketten seien. Er appellierte, die Klimaziele seien „nicht durch Industrieabbau zu erreichen“.

 

Wolfgang Große Entrup, VCI-Hauptgeschäftsführer. Foto: VCI/Lohnes
Wolfgang Große Entrup, VCI-Hauptgeschäftsführer. Foto: VCI/Lohnes

 „Unser Ziel muss es sein, die Transformation zu schaffen, denn sie bietet Chancen auf dem Weltmarkt.“

Die Klimaneutralität bietet der Chemieindustrie attraktive Chancen

Madjar Navah von der Boston Consulting Group (BCG) schilderte, wie die erfolgreiche Transformation der Chemieindustrie aussehen könnte. Einer BCG-/VCI-Studie zufolge sind dabei vier Faktoren entscheidend:

  1. die Innovationskraft in Deutschland stärken: zum Beispiel durch Innovationscluster für Zukunftstechnologien
  2. den Produktionsstandort aufwerten: zum Beispiel durch den Aufbau weniger energieintensiver Produktionen und durch bessere Energieinfrastruktur
  3. die Wertschöpfungskette absichern: zum Beispiel durch mehr Kreislaufwirtschaft und besseres Risikomanagement
  4. Fachkräfte für die Chemie- und Pharmabranche sichern: Umweltskills aufbauen, internationale Fachkräfte halten und gewinnen.

Große Chancen sieht Madjar Navah in Innovationen wie E-Crackern, Recyclingverfahren sowie in KI für Forschung & Entwicklung und Produktion. Die Erneuerung sei bereits im Gange. Kleine und mittlere Unternehmen hätten sich dabei als flexibler erwiesen, da sie nicht in komplexen Verbundsystemen produzierten.

Alle drei Experten waren sich einig: Grüne Energien zu wettbewerbsfähigen Preisen und schnellere Genehmigungen sind der Schlüssel für zügige Fortschritte.

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