Politik & Wirtschaft

Chemie und Pharma: Bundeskanzler Scholz stellt sich der Branche

· Lesezeit 4 Minuten.
Olaf Scholz und Markus Steilemann stehen beim Branchengipfel vor einer Leinwand des VCI. Foto: VCI
Branchengipfel in Berlin: Bundeskanzler Scholz traf Markus Steilemann, den Präsidenten des VCI. Foto: VCI

Wie gelingen Aufbruch und Fortschritt am Standort Deutschland? Und die Balance aus Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit? Darüber hat die Chemie- und Pharmaindustrie bei ihrem Branchengipfel in Berlin mit Kanzler Olaf Scholz und weiteren hochkarätigen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diskutiert. Markus Steilemann, der als Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) bestätigt wurde, betonte die Innovationskraft der Branche. Er fordert Mut zur Veränderung und von der Politik die Kernsanierung des Wirtschaftsstandorts: „Wir müssen den Aufbruch wagen. Jetzt!“

Chemiestandort Deutschland in Gefahr

Die vergangenen zwei Jahre waren für die chemisch-pharmazeutische Industrie die herausforderndsten seit langer Zeit – für die energieintensive Chemie noch mehr als für Pharma. Die Lage im internationalen Wettbewerb ist noch immer sehr angespannt. „Viele Unternehmen verlieren zunehmend den Glauben an gute Rahmenbedingungen am Standort Deutschland. Das muss sich ändern“, sagte Steilemann. „Das Vertrauen unserer innovativen Industrie in das Potenzial des Standorts ist groß. Deutschland hat die riesige Chance, zu einem Zentrum für grüne Zukunftstechnologien zu werden.“ 

Doch die Zuversicht schwinde, dass das ,Geschäftsmodell Deutschland‘ dem globalen Wettbewerb dauerhaft standhalten kann. „Die strukturellen Defizite hängen wie Blei an unseren Füßen. Deshalb fordern wir den industriepolitischen Aufbruch, der mit aller Kraft durchgesetzt werden muss.“ Ein Muss für eine wettbewerbsfähige Industrie sind aus Sicht des VCI günstigere Stromkosten, konsequenter Bürokratieabbau, ein Steuerbooster, ein Industrial Deal in der EU sowie Investitionen in Bildung, Sicherheit und Infrastruktur.

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte in seiner Eingangsrede zu den Vertretern der Branche: „Die Chemieindustrie ist die Basis unseres Erfolgs als Industrienation. Damit das so bleibt, haben wir mit der Chemie- und Pharmastrategie, der Wachstumsinitiative, der Senkung der Stromsteuer und der Strompreiskompensation die politischen Weichen gestellt. Deutschland ist ein zentraler Standort für die Chemieindustrie in der Welt. Ich will, dass er das bleibt.“

Fehlende Unterstützung bei Netzentgelten

Scholz ging in seiner Rede auf prioritäre Maßnahmen ein, die die Bundesregierung zur Stärkung des Chemiestandortes plant. Der VCI begrüßte die Ablehnung eines Totalverbots ganzer chemischer Stoffgruppen und das Bekenntnis zu einem risikobasierten Ansatz in der REACH-Verordnung. 

Die Unterstützung für das chemische Recycling und des Massenbilanzansatzes bewertete der Verband als sehr positiv. Kritik äußerte der VCI vor allem daran, dass die Entlastung bei den viel zu hohen Energiepreisen nicht weit genug geht und eine Unterstützung bei den Netzentgelten dringend erforderlich ist. Das Ergebnis ist ein erster Schritt. Die Maßnahmen reichen aber nicht aus, um den nötigen Aufbruch hin zu einem starken Chemiestandort zu starten. Die guten Ankündigungen des Bundeskanzlers müssen jetzt schnell realisiert werden, betonte Steilemann.

Mehr Freiheit, weniger Vorgaben

Der VCI setzt weiterhin auf den konstruktiven Dialog, fordert aber auch Klarheit über den wirtschaftspolitischen Kurs der Bundesregierung. „Ich plädiere sehr deutlich für eine Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Verhältnissen“, sagte Steilemann. „Wir können keine ideologisch gefärbten Vorgaben und Detailregelungen gebrauchen. Was wir brauchen, ist unternehmerische Freiheit in einem Spielfeld, das wir selbst am besten kennen.“ Das Land müsse offensiver und dynamischer werden, mit mehr Mut zur Veränderung. 

„Eine optimistische, konstruktive Grundhaltung tut Not: Wir sollten uns nicht als letzte Generation verstehen, sondern als erste, die es in der Hand hat, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Dafür müssen wir aber den Menschen auch zeigen: Es gibt Lösungen und Fortschritt ist machbar – auch dank der Innovationen aus Chemie und Pharma.“

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