Was ist der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM)?
Der Green Deal der EU sieht vor, bis 2050 klimaneutral zu werden. Eines der Instrumente, um dies zu erreichen, sind Zertifikate für CO2-Emissionen aus dem Emissionshandelssystem (EHS) der EU. Das heißt: Verschmutzungsrechte in der EU kosten Geld, außerhalb der EU aber nicht unbedingt. Die Verlagerung von Treibhausgasemissionen ins Ausland sind eine mögliche Folge. Um dieser vorzubeugen, hat die EU im Mai 2023 die Verordnung 2023/956 erlassen. Sie soll sicherstellen, dass für Importe die gleichen Emissionspreise anfallen wie für Erzeugnisse, die in der EU produziert wurden. Das Prinzip heißt CO2-Grenzausgleichssystem beziehungsweise Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Wer CO2-intensive Produkte importiert und sich somit die Kosten für EHS-Zertifikate spart, zahlt stattdessen CBAM-Zertifikate. Auf diese Weise ist der CO2-Preisunterschied ausgeglichen. Die EU hofft, andere Länder ebenfalls zu einer CO2-Bepreisung zu motivieren. Wer in anderen Ländern bereits einen CO2-Preis gezahlt hat, kann sich diesen in der EU anrechnen lassen.
Für wen gilt der CBAM?
Der CBAM gilt laut Verordnung für
- die Einfuhr von Strom sowie für
- die Industriesektoren Eisen und Stahl, Aluminium, Raffinerien, Zement, Aluminium, organische Grundchemikalien, Wasserstoff und Düngemittel.
Wo es derzeit technisch nicht möglich ist, Emissionen eindeutig zuzuordnen (wie bei Raffinerieerzeugnissen und organischen chemischen Erzeugnissen), gilt diese Verordnung noch nicht.
2025 prüft die Kommission jedoch eine Ausweitung.
Wie funktioniert der CBAM?
Unternehmen, die die oben genannten Waren (Strom, Eisen, Stahl, Alu …) aus Nicht-EU-Ländern importieren, müssen vierteljährlich darüber berichten. Unter die CBAM-Berichterstattung fallen drei Treibhausgase:
- CO2
- Distickstoffoxid (N2O)
- perfluorierte Kohlenwasserstoffe (KFWs)
Die Berichtspflichten beginnen jetzt (Oktober 2023). In einer Durchführungsverordnung sind die derzeit geltenden CBAM-Berichtspflichten geregelt. Auch die Berechnung grauer Emissionen wird erläutert. Graue Emissionen entstehen nicht direkt durch den Betrieb eines Systems, sondern durch die Herstellung von Gütern sowie durch Transport, Lagerung und Entsorgung.
Im CBAM-Übergangszeitraum bis Ende 2025 müssen Unternehmen noch keine finanziellen Anpassungen leisten. Dies gibt den Unternehmen ausreichend Planungssicherheit und Vorbereitungszeit, während die EU die endgültige Methodik noch bis 2026 nachjustieren kann.
Ab 2026 müssen die betroffenen Unternehmen dann CBAM-Zertifikate erwerben. Wie hoch der Preis der CBAM-Zertifikate ist, hängt von den EHS-Zertifikaten ab. Maßstab ist deren wöchentlicher Durchschnittspreis.
Ist der CBAM eine Steuer oder ein Zoll?
Der CO2-Grenzausgleichssystem betrifft den Import bestimmter Warengruppen, die nicht aus der EU oder aus Island, Liechtenstein, Norwegen oder der Schweiz stammen.
• Ab 2026 dürfen nur noch autorisierte CBAM-Anmelder diese betroffenen Warengruppen zur Einfuhr anmelden.
• Zuständig sind die Zollbehörden: Sie gestatten die Einfuhr der CBAM-Waren, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen.
• Allerdings nehmen die Zollbehörden die CBAM-Beträge nicht ein – stattdessen zahlen die Unternehmen diese vorab, indem die die CBAM-Zertifikate erwerben.
• Nichtsdestoweniger hat das CO2-Grenzausgleichssystem Auswirkungen auf den internationalen Handel. Kritiker nennen es daher „grüne Zollmauer“. Sie bezweifeln, dass es mit dem Ziel der Welthandelsorganisation (WTO), den Handel zu liberalisieren und Zölle abzubauen, vereinbar ist.
Was bedeutet der CBAM für die Chemie-Industrie?
Viele Chemie-Unternehmen importieren Vorprodukte zur Weiterverarbeitung in Deutschland. Sie sind daher vom CBAM betroffen. Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie, mahnt, dass wichtige Strukturen zur CBAM-Einführung noch immer fehlten. Importeure und Verwender von Importprodukten müssten sich aktuell durch hunderte Seiten Gesetzestext und Leitlinien kämpfen und gegebenenfalls Geschäftspartnern die neuen Regeln erklären – mit entsprechenden Folgen für Verträge und Lieferbeziehungen.
Er appelliert an EU-Kommission und Bundesregierung: „In der deutschen Chemie bestehen große Zweifel bezüglich CBAM. Bevor das Instrument voll greift, müssen die Umsetzbarkeit, die damit verbundenen Lasten, die Wirkung auf Wertschöpfungsketten im In- und Ausland und die WTO-Konformität sorgfältigst beobachtet werden. Und ich wünsche mir den Mut, dass bei negativen Befunden eine neue Regulierung nicht nur angepasst, sondern - wenn nötig - auch einmal wieder einkassiert wird.“