Politik & Wirtschaft

Chemieindustrie: Wissen älterer Mitarbeiter bewahren

· Lesezeit 3 Minuten.
Älterer Mitarbeiter inspiziert Chemie-Anlage.
Beim Anlagenrundgang: Erfahrene Mitarbeiter machen ihren Job mit dem Know-how aus vielen Jahren. Foto: cherryandbees – stock.adobe.com

Fit bis ins Alter – die Generation 55 plus ist heute im Schnitt körperlich und geistig besser drauf als ihre Vorgänger. Für viele 55- bis 64-Jährige beginnen nun die letzten Runden im Beruf. Die geburtenstarken Jahrgänge aus der Anfangszeit der Bundesrepublik, die sogenannten Babyboomer, nehmen in diesem Jahrzehnt Abschied vom Job. Gut sieben Millionen von ihnen sind laut Bundesagentur für Arbeit (Stand September 2020) noch auf einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz.

 

750 Euro Demografiebetrag für jeden Tarifbeschäftigten im Jahr

 

Bei manchen Unternehmen bahnt sich deshalb in nächster Zeit ein Verlust an Manpower und womöglich auch Know-how an. Die Chemieindustrie hat die Herausforderung früh erkannt. Bereits 2008 vereinbarten Arbeitgeberverband und Gewerkschaft den Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demografie“. Er ermöglicht eine vorausschauende Personalpolitik und schafft Anreize für längere Beschäftigung von Mitarbeitern.

 

Zentrales Element ist der Demografiefonds, der Finanzmittel zum Gestalten des demografischen Wandels in Betrieben bereitstellt. Wie das Geld verwendet wird, regelt jedes Unternehmen individuell. Der Arbeitgeber zahlt für jeden Tarifbeschäftigten 750 Euro Demografiebetrag im Jahr ein. Meist fließt das Geld in Langzeitkonten, die tarifliche Altersvorsorge oder in die Gesundheitsvorsorge. Bisher haben die Firmen weit mehr als 1 Milliarde Euro in die Fonds gesteckt. Und sie engagieren sich für gesunde Mitarbeiter, bilden sie weiter und sichern das Wissen Erfahrener. Beispiele aus Rheinland-Pfalz.

 

Michelin und Renolit unterstützen mit Ergonomie, Sport und Flexibilität

 

Die Generation 55 plus möglichst lange beschäftigen – das hat sich Reifenhersteller Michelin in Bad Kreuznach vorgenommen. „Dafür bieten wir gewerblichen Mitarbeitern ein Umfeld, das dies erlaubt“, sagt Personalleiterin Heike Notzon. Arbeitsplätze werden ergonomisch optimiert, höhenverstellbare Tische und Hebehilfen angeschafft. In Gymnastikkursen stärken Beschäftigte ihren Rücken, mehrmals pro Woche kommt eine Sporttherapeutin in die Hallen. Können ältere Beschäftigte ihren Job gesundheitsbedingt nicht mehr ausüben, erhalten sie nach Möglichkeit einen anderen Arbeitsplatz.

 

Für eine gesunde Belegschaft engagiert sich auch Folienhersteller Renolit in Worms. Ob Workshops zur Ernährung, Seminare „Gesunder Schlaf trotz Schichtarbeit“, Bewegung, Entspannungs- und Nichtraucherkurse, Bonusheft für Mitarbeiter – das Angebot ist breit. Sebastian Christ von der Arbeitssicherheit achtet auf Ergonomie. „Neue Schreibtische sollen nur noch höhenverstellbar beschafft werden.“ In der Produktion gibt es Hebehilfen und höhenverstellbare Transportwagen. Schwere Stahlwalzen werden durch leichtere Aluwalzen ersetzt. Viel Wert legt der Experte auf ergonomische Arbeitsschuhe. „Die Produktionsmitarbeiter tragen sie acht bis zehn Stunden am Tag, da müssen sie einfach bequem sein.“

 

Jansen setzt auf Know-how-Transfer von Älteren zu Jüngeren

 

Das Know-how der Älteren zu sichern, ist Lackhersteller Jansen in Ahrweiler enorm wichtig. Dieser Wissenstransfer sei im Arbeitsalltag fest verankert, sagt Firmenchef Peter Jansen: „Unsere Auszubildenden werden systematisch auf ihre Aufgabe vorbereitet, übernehmen das in 30 bis 40 Jahren gesammelte Wissenspaket der älteren Mitarbeiter und reichern es mit neuem Wissen an.“ Weil die jungen Kollegen digital fitter seien, fänden sie oft neue Problemlösungen.

 

Röhm will Weiterbildung für ältere Kollegen durch E-Learning ausbauen

 

Mehr Mitarbeiter weiterbilden als bisher will Röhm, Hersteller der Marke Plexiglas. Das Unternehmen setzt dabei auf technisch einfaches, aber inhaltlich anspruchsvolles E-Learning. Besonders gefragt seien Kurse zu Windows Office, das ältere Kollegen oft nicht systematisch gelernt haben, sowie zum „Gehirntraining“, um länger geistig fit zu bleiben. Auch das ist wichtig für die letzten Runden im Job.

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