Kunststoffe sind in unserer modernen Gesellschaft so allgegenwärtig wie die Luft zum Atmen: Je nach Bedarf sind sie weich oder hart, biegsam oder spröde, durchsichtig, hitze-, licht- und wetterbeständig – und preiswert. Das macht sie einerseits attraktiv. Andererseits verschmutzen Plastikabfälle mehr und mehr die Umwelt. Wie sollen wir also künftig mit dem Werkstoff umgehen?
Drei Fragen an zwei Experten, die Kunststoff aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchten: Prof. Alois Schlarb (links) ist Inhaber des Lehrstuhls für Verbundwerkstoffe an der Technischen Universität Kaiserslautern und Andreas Hartenfels ist umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz.
Wie beurteilen Sie den Werkstoff Kunststoff generell?
Prof. Alois Schlarb: Richtig eingesetzt, leisten Kunststoffe einen erheblichen Beitrag zur ökologischen und ökonomischen Befriedigung unserer Bedürfnisse. Untersuchungen zeigen, dass Kunststoffe auch unter ökologischen Bedingungen alternativen Werkstoffen oft überlegen sind. Durch die hocheffiziente Herstellung komplexer Formteile – meist abfalllos in einem Schritt – lassen sich reproduzierbar Produkte mit hoher Qualität zu niedrigen Kosten erzeugen. Ich sehe Kunststoff als Schlüsselwerkstoff für Zukunftstechnologien wie die E-Mobilität oder erneuerbare Energietechnologien. Allerdings verursachen das rasante Mengenwachstum, die Wahrnehmung ihrer Wertigkeit in der Öffentlichkeit und die damit oft achtlose Entsorgung – was etwa zur Vermüllung der Meere führt – ernste Probleme.
Andreas Hartenfels: Kunststoffe sind fester Bestandteil unseres Alltags. Bedenklich ist aber, dass bei der weltweiten Produktion, dem Einsatz und der Entsorgung Nachhaltigkeitsaspekte bislang nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das ist fatal, denn so gelangt immer mehr Plastikmüll unkontrolliert in die Umwelt – mit teils verheerenden Auswirkungen auf unsere Ökosysteme. Wir brauchen ein transparentes Mehrwegsystem, sortenreine Verpackungen und eine auf Recycling optimierte Produktions- und Verwertungskette. Dafür muss unbedingt auch die Abfallwirtschaft einbezogen werden. Hier liegt noch einiges im Argen: So werden etwa abgelaufene Lebensmittel noch immer mitsamt Verpackung geschreddert. Auch die illegale Entsorgung von Plastikmüll ist ein großes Problem.
Kunststoff in der Industrie und beim Verbraucher – wie sehen Sie das?
Prof. Alois Schlarb: Den Hersteller, beispielsweise von Küchenmaschinen, interessiert nicht, wie er Kunststoffe einsetzen kann. Dass Kunststoffe aber in technischen Produkten so erfolgreich sind, ist auf ihr Leistungsprofil und ihre Verarbeitbarkeit zurückzuführen. Die Rückführung von Produktionsabfällen in den Herstellprozess ist industrieller Standard. Daher wird Kunststoff in der industriellen Produktion sehr geschätzt. Ganz anders scheint mir der Umgang mit Kunststoffen beim Verbraucher. Tatsächlich wird Kunststoff hier ganz wesentlich als „billige“ Plastiktüte oder Verpackungsmaterial wahrgenommen. Die Qualität, die Kunststoffe in technischen Produkten ermöglichen, ist für den Konsumenten kaum sichtbar.
Andreas Hartenfels: Wir beobachten besonders bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein wachsendes Bewusstsein bei der Müllvermeidung und in diesem Zusammenhang auch den Wunsch, Plastik zu reduzieren. Dieses veränderte Konsumverhalten kommt auch bei Industrie und Handel an, dort bemüht man sich zusehends um Alternativkonzepte. Aber hier muss noch deutlich mehr passieren. Die Forschung entwickelt bereits vielversprechende alternative Werkstoffe aus nachwachsenden und nachhaltigen Rohstoffen, von denen die kunststoffproduzierende Industrie ebenfalls profitieren kann.
Was muss in Sachen Kunststoff und Umwelt jetzt getan werden?
Prof. Alois Schlarb: Die Vorteile der Kunststoffe, die Effizienz in der Herstellung, ihre Langlebigkeit, die Möglichkeiten der Farbgebung und ihre geringe Dichte sind gleichzeitig ein Schwachpunkt: Sie sind kostengünstig, überall sichtbar und werden als Verursacher einer gigantischen Umweltverschmutzung wahrgenommen. Dabei sind sie aufgrund ihrer Sichtbarkeit gewissermaßen das Lackmuspapier für unser derzeit wenig nachhaltiges Wirtschaftssystem. Ganz entscheidend für die Zukunft der Kunststoffe wird es sein, diese als Wertstoffe zu begreifen und sie in ein System mit weitgehend geschlossenen Rohstoffketten („Wiege-zu-Wiege-System“) zu integrieren. Es wird höchste Zeit, dass wir Produkte ökologisch und ökonomisch bewerten, Verschwendung und achtlose Entsorgung abstellen und sinnvoll Kreislauftechnologien perfektionieren. Dazu ist eine belastbare Ausbildung unerlässlich.
Andreas Hartenfels: Wir müssen als Gesellschaft unsere über Jahrzehnte antrainierte Wegwerfmentalität ablegen. Dass auch die Politik hierauf Einfluss nehmen kann, zeigt das Verbot von Plastiktüten im Einzelhandel. In Rheinland-Pfalz hat das grün geführte Umweltministerium zudem einige Konzepte und Aktionen ins Leben gerufen, um Plastikmüll zu verringern – darunter ein landesweites Mehrwegbechersystem, die #müllnichtrum-Kampagne sowie ein Förderprogramm für öffentliche Trinkbrunnen. Damit wollen wir den Einsatz von Einwegverpackungen, die häufig aus Kunststoff bestehen, gezielt reduzieren. Letztlich aber brauchen wir bundesweite, europäische und globale Konzepte. Auch hier ist die Politik gefragt.