Sie sind jung und bestens gelaunt, die Beschäftigten des Mainzer Start-ups Got Bag auf ihrem Gruppenfoto. So stellt man sich das Team einer Gründerfirma vor - ungezwungen, begeistert und mit einer Power, die Ideen voranbringt und ein wenig die Welt verändert. Genau das wollen die Mainzer mit den nachhaltigen Rucksäcken, die sie fertigen. 2020 gewannen sie mit ihrer Geschäftsidee einen Förderpreis der Landesregierung, "Start-up innovativ" heißt der Wettbewerb. Wirtschaftsminister Volker Wissing lobt ihn in diesem Jahr zum dritten Mal aus. Zudem hat das Land mit einem Innovationsfonds bisher 68 Gründerfirmen mit 26,6 Millionen Euro Wagniskapital unterstützt. "Von Start-ups gehen häufig Innovationsimpulse aus, die in die gesamte Wirtschaft hineinwirken", begründet Wissing das Engagement. Ob trendige Rucksäcke, ein Material mit Formgedächtnis oder Kieselgel gegen Mikroplastik in Kläranlagen - die Gründer in Rheinland-Pfalz sind kreativ.
Clevere Idee im Kampf gegen Corona
Eine der wichtigsten Ideen hatte im Januar 2020 das Unternehmerehepaar Ugur Sahin und Özlem Türeci von Biontech in Mainz. Das neue Corona-Virus begann damals gerade, sich über den Globus auszubreiten. Da entschieden die Firmenchefs: Biontech entwickelt einen Impfstoff gegen Sars-CoV-2. Heute ist das Präparat des 2008 gegründeten Unternehmens (1.300 Mitarbeiter) einer der Hoffnungsträger im Kampf gegen die Corona-Pandemie.
Ein ganz anderes Problem packen die Mainzer von Got Bag an: den Kunststoffmüll in den Meeren. Die Idee dazu hatte Firmengründer Benjamin Mandos auf einer langen Autofahrt: "Warum nicht aus dem Plastikmüll der Weltmeere etwas Neues herstellen? Rucksäcke zum Beispiel." Heute gehen 1.500 Fischer in Indonesien auf Plastikfang für das Start-up. Aus diesem Material wird der Kunststoff PET gewonnen, gereinigt, zu Garn und Gewebe verarbeitet. Aus 3,5 Kilogramm Altkunststoff entsteht ein Rucksack. Über 100 Tonnen hat die 50-Mitarbeiter-Firma so seit 2018 verarbeitet.
Start-up-Idee geht Mikroplastik in Abwasser an
Mikroplastik fordert Kläranlagen mehr und mehr heraus. Die Chemikerin Katrin Schuhen und ihr Team von Wasser 3.0 entfernen die Partikel etwa aus Abwässern von Industrie oder Haushalten (aus der Waschmaschine). Das Mikroplastik wird am Ende des Klärprozesses in einem Wasserstrudel konzentriert und dort mit einem Kieselgel verklumpt. 95 Prozent lassen sich so - ohne Filter - rausfischen. Dieses Jahr starten in Kläranlagen und Betrieben die Dauertests.
Für die Industrie interessant ist ein neues Material der Firma CompActive in Neustadt/Weinstraße. Es kann den Luftwiderstand von Autofelgen verbessern. Die Nickel-Titan-Verbindung zieht sich beim Erwärmen zusammen, beim Abkühlen dehnt sie sich aus. Damit konstruierte Lüftungsklappen an Felgen öffnen sich bei vielem Bremsen (Wärme) und schließen sich bei voller Fahrt.
Die Beispiele zeigen: Start-ups haben enormes Potenzial. Auch die BASF nutzt das. Kreative Mitarbeiter mit ungewöhnlichen Ideen unterstützt sie in ihrer Experimentierfirma Chemovator in Mannheim. So kam eine neuartige Oberflächenbeschichtung für die medizinische Forschung auf den Markt. Sie lässt sich einfach auf Laborgeräte auftragen und schafft, so Forscherin Véronique Schwartz, für das Wachstum von Säugetierzellen "eine Umgebung, die den Bedingungen im menschlichen Körper ähnelt". Die Zellkulturen wachsen räumlich. Und liefern daher in Krebs- oder Arzneiforschung zuverlässigere Ergebnisse.