Politik & Wirtschaft

Gas-Krise: Lieferstopp wie Embargo gefährden Chemieindustrie

· Lesezeit 3 Minuten.
Eine Gasleitung an einer Kellerwand
Unumgänglich: Ohne Erdgas geht Chemie nicht. Foto: Maksym Yemelyanov – stock.adobe.com

Putins Angriffskrieg macht der Chemieindustrie schwer zu schaffen. Wie kaum eine andere Branche ist sie auf preiswerte Energie angewiesen. Jetzt aber haben sich Öl und vor allem Gas enorm verteuert. Im März stieg der Gaspreis auf im Schnitt 127 Euro je Megawattstunde, das ist sechsmal so viel wie in normalen Zeiten.

 

Gas aus Russland: Sorge vor Lieferstopp wie Embargo

 

Und da ist die Sorge, dass der Kreml Europa den Gashahn zudreht. Russland will Rubel für die Gaslieferungen, der Westen aber nur in Euro oder Dollar zahlen. Auch gibt es Forderungen nach einem Gasembargo. Um Deutschland auf eine schlechtere Versorgung vorzubereiten, hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Was heißt das für die Branche? Wir erklären die Szenarien.

 

Russland stoppt die Lieferungen

 

Für die Chemieindustrie wäre das der GAU. Das hätte massive Folgen für weite Teile der Branche. Tausende Jobs wären bedroht. Aber: Ein Lieferstopp würde die Gasversorgung nicht sofort massiv beeinträchtigen! Russland liefert aktuell nur noch 40 Prozent des Gases, die Gasspeicher sind zu einem Viertel gefüllt, und aus den Niederlanden, Belgien und Frankreich kommt das Flüssiggas LNG, sagt Minister Habeck: „Deshalb haben wir eine stabile Gasversorgung für das Frühjahr und den Sommer.“

 

Brisant würde es mit der nächsten Heizperiode. Haushalte, Schulen und Kliniken würden laut Notfallplan mit Gas bevorzugt beliefert, Industriebetriebe weniger oder gar nicht mehr. Der Chemiekonzern BASF müsste dann die Herstellung wichtiger Basischemikalien und Folgeprodukte drosseln oder gar stoppen. Kunststoffe, Farben, Lacke, Schaumstoffe, Batteriematerialien würden nicht produziert, ganze Lieferketten reißen, und Autofabriken wären lahmgelegt. So käme eine Kettenreaktion in Gang, die 2,5 bis 4 Millionen Arbeitsplätze gefährden könnte, heißt es im Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

 

Der Energieträger fließt weiter, bleibt aber teuer

 

Auch ohne Lieferstopp bleibt die Situation für die Chemieindustrie herausfordernd. Denn so hohe Gaspreise wie im März stellen 70 Prozent der Unternehmen vor gravierende Probleme, ergab eine Umfrage des Chemieverbands VCI. Und 85 Prozent der Firmen können die hohen Kosten von Energie sowie Vorprodukten entweder gar nicht oder nur zum Teil an ihre Kunden weitergeben. In einigen Fällen drosseln Unternehmen bereits Anlagen oder verschieben Produktion an ausländische Standorte.

 

Ohne Erdgas geht Chemie nicht

 

Erdgas ist für die Chemieindustrie doppelt wichtig. 2,8 Millionen Tonnen nutzt die Branche als Rohstoff und noch mal fast die dreifache Menge als Energieträger. Beispiel BASF: Der Chemiekonzern verwendet Erdgas, um die riesigen Steamcracker für die Grundchemikalien-Produktion zu heizen. Und er setzt es als Rohstoff ein, um Ammoniak für Dünger zu erzeugen.

 

Kein Gas aus Russland

 

Deutschland setzt nun auf mehr Importe von verflüssigtem Erdgas aus den USA oder Katar. Energieversorger haben dafür drei schwimmende LNG-Terminals geordert. Unabhängig von russischem Gas wird Deutschland aber wohl erst 2024.

 

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