Politik & Wirtschaft

LTS: 40 Jahre Medizin auf die sanfte Tour

· Lesezeit 1 Minute.
LTS: 40 Jahre Medizin auf die sanfte Tour
Labor der LTS: Noch werden MAP-Pflaster in Handarbeit erstellt. Foto: LTS

Manchmal braucht es für bahnbrechende Innovationen jahrzehntealtes Wissen. So war es auch, als in den USA in den 1970er-Jahren eine vielversprechende Idee entstand: Menschen durch Pflaster mit medizinischen Wirkstoffen zu versorgen. Neue Verfahren, sogenannte transdermale Systeme, brachten damit über die Haut Medikamente kontrolliert dosiert über bestimmte Zeiträume in den Blutkreislauf. Davon hörte auch der Spezialist für Klebetechnik Lohmann in Neuwied. Das Unternehmen produzierte damals bereits seit mehr als 130 Jahren Klebebänder, Verbandmaterial und Pflaster. Kurzerhand wurde ein Pharmazeut eingestellt, der ein solches Wirkstoffpflaster entwickeln sollte. Das gelang 1984 und eine eigene Pharmasparte des Klebeherstellers war geboren, heute bekannt als die LTS Lohmann Therapie-Systeme AG.

Wettlauf an die Spitze

„Viele Unternehmen stürzten sich auf die Entwicklung transdermaler Systeme, darunter auch viele renommierte Pharmaunternehmen“, sagt Mike Schäfers, Chief Commercial Officer (CCO) bei LTS, zu den Anfängen des Unternehmens. „Mal waren es Wettbewerber, mal waren es wir, die Produkte mit neuen Wirkstoffen zuerst auf den Markt brachten.“ Die LTS sei schließlich einer der globalen Marktführer geworden, weil sie ausschließlich als Lohnhersteller agiert. Sie vermarktet also keine eigenen Produkte, sondern stellt sie für andere Pharmafirmen her. „Die Tatsache, dass andere auf uns zukamen und Systeme mit uns zusammen konzipierten und von uns produzieren ließen, verschaffte uns bessere Entwicklungsmöglichkeiten als bei Konkurrenten, die nur für sich produzieren.“

Unscheinbar, aber es steckt viel Technologie drin:
Unscheinbar, aber es steckt viel Technologie drin: Ein Pflaster der LTS, das Wirkstoffe durch die Haut transportiert. Foto: LTS

Aus der Pharmasparte wurde bald ein eigenständiges Unternehmen, das mittlerweile gänzlich von der Mutter getrennt ist. Es hat seinen Sitz in Andernach auf der anderen Seite des Rheins, wo LTS seine Pharma-Produktionsstätte errichtet hatte. Heute umfasst allein der Herstellungsbereich eine Fläche von 23.000 Quadratmetern – plus Hochlager für über 14.000 Paletten. Gegenüber steht ein imposantes Hauptgebäude für die Verwaltung und die Entwicklungslabore. Produziert werden hier über eine Milliarde Einheiten im Jahr, einerseits Wirkstoffpflaster und andererseits orale Wirkstofffilme. Diese werden unter die Zunge gelegt und führen Therapeutika über die Mundschleimhaut in den Körper. Neben Andernach hat das Unternehmen weltweit drei weitere Produktionsstandorte: zwei in den USA und einen in Israel sowie ein Verkaufsbüro in China.

Unkompliziert und schmerzfrei

Die erfolgreichsten Produkte der LTS sind Wirkstoffpflaster als Standardtherapie zur Behandlung von Parkinson und Alzheimer. Auch Menschen, die sich das Rauchen mit Nikotinpflastern abgewöhnen oder eine Abhängigkeit von Drogen überwinden wollen, werden weltweit oft mit LTS-Technologien behandelt. Die Produkte werden auch für die Schmerztherapie sowie Hormontherapien eingesetzt, zum Beispiel gegen Wechseljahresbeschwerden oder zur Schwangerschaftsverhütung.

„Der Pharmamarkt ist derzeit in Bewegung, und wir müssen uns mitbewegen“
 

Mike Schaefers, Chief Commercial Officer bei LTS

Wirkstoffe über die Haut zu verabreichen, hat viele Vorteile: Die Behandlung ist nicht schmerzhaft, anders als etwa die Injektion einer Spritze, länger anhaltend, und die Therapeutika wirken meist verträglicher. Besonders für Menschen, die wegen chronischer Beschwerden viele Tabletten einnehmen müssen, sind sie eine unkomplizierte Alternative.

Zukunftsfeld Mikronadeln

Die LTS hat für die Zukunft aber noch mehr vor. „Der Pharmamarkt ist derzeit in Bewegung und wir müssen uns mitbewegen“, betont Schäfers. Da Biopharmazeutika wichtiger werden, arbeitet LTS zunehmend mit Biotechfirmen zusammen. Das Unternehmen möchte sich in der mRNA-Technologie engagieren, die mithilfe genetischer Informationen in Ribonukleinsäuremolekülen (RNA) den Körper dazu bringt, Proteine für Abwehrreaktionen des Immunsystems zu produzieren. Diese Technik hat sich mit den Corona-Impfstoffen durchgesetzt und könnte in Zukunft viele weitere Anwendungen ermöglichen.

Die transdermalen Systeme und Wirkstofffilme der LTS haben den Nachteil, dass nur Wirkstoffe einer bestimmten Molekülgröße damit verabreicht werden können. Daher eignen sich weder mRNA noch die Biologika der Biotech-Firmen bisher dafür. Aus diesem Grund steckt die LTS wie schon zu Beginn der Unternehmensgeschichte ihr Know-how in eine Innovation: die Mikronadel-Array-Patch-Technologie (MAP). Diese verwendet winzige Nadeln, die auf einem kleinen Pflaster dicht angeordnet sind und nur in die oberen Hautschichten eindringen, was in der Regel schmerzfrei ist. Branchenkenner sehen in der Technik Potenzial, die Art und Weise zu verändern, wie Medikamente und Impfstoffe künftig verabreicht werden. Zwar ist noch kein MAP-Produkt der LTS zugelassen, aber das Unternehmen arbeitet intensiv daran, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen.

Innovation der LTS im Video: Winzige Nadeln bringen Substanzen schmerzfrei in die oberen Hautschichten. Video: Andreas Hauser/IW Medien

Kürzlich bekam die LTS für die Technologie eine Förderung der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung. Die Fördergelder sind dazu bestimmt, Frauen in Entwicklungsländern den Zugang zu einer einfachen und diskreten Verhütungsmethode mit MAP-Pflastern zu ermöglichen und die hohe Sterblichkeitsquote bei Abtreibungen zu verringern. Damit kann ein wesentlicher Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit in diesen Ländern geleistet werden. „Die Kooperation ist für uns ein Meilenstein“, so Schäfers.

Trotz des Wachstums im Ausland bekennt sich die LTS zum Standort in Andernach. Dafür steht unter anderem der Neubau des Technikums, das ab 2025 hier die Entwicklungskapazitäten erweitert. Sei es die Rheinschiene, die Nähe zu Ballungsräumen wie Köln, Bonn und Koblenz mit ihrem großen Fachkräftepotenzial oder die hohe Lebensqualität im Rheintal: „Andernach hat für uns weiterhin seinen Reiz und Charme“, betont Schäfers.

Weitere Infos auf www.ltslohmann.com

Hauptsitz der LTS in Andernach mit Entwicklungslaboren:
Hauptsitz der LTS in Andernach mit Entwicklungslaboren: Dahinter erstreckt sich ein riesiges Produktionsgelände. Foto: LTS
  • Like
  • PDF

Das könnte Sie auch interessieren

Newsletter