Die Tarifrunde für die Chemie- und Pharmaindustrie ist nach zweitägigen Verhandlungen vertagt worden. Die Verhandlungen für 1.700 Betriebe mit 585.000 Beschäftigten werden am 4. und 5. Juni in Wiesbaden fortgesetzt. Strittig sind insbesondere die Bewertung der wirtschaftlichen Lage sowie eine für beide Seiten tragfähige Lösung, um die Tarifbindung zu stärken.
BAVC: Ziel ist ein krisengerechter Tarifabschluss
„Positiv nehmen wir mit, dass die Verhandlungen grundsätzlich konstruktiv verlaufen sind. Das ist ein gutes Zeichen in einer wirtschaftlich schwierigen Situation“, sagte Matthias Bürk, Verhandlungsführer für den Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC). „Dennoch liegen wir in der Sache noch weit auseinander. Die kritische Lage in vielen Betrieben wird von der IGBCE bislang nicht ausreichend berücksichtigt. Die Branche befindet sich in einer tiefen Krise – deshalb brauchen wir einen krisengerechten Tarifabschluss.“
Bürk rief die IGBCE auf, ihre Erwartungen an die Lage anzupassen: „In diesem Jahr wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Entscheidend ist, dass wir uns aufeinander zu bewegen und intensiv an einem Kompromiss arbeiten. Wir kommen nur gemeinsam aus dem Krisen-Modus heraus.“
Stärkung der Tarifbindung: zusätzliche Gespräche geplant
Mit Blick auf die geforderte Besserstellung von Gewerkschaftsmitgliedern haben IGBCE und BAVC vereinbart, die Zeit bis zur nächsten Verhandlung für weitere Gespräche zu nutzen. Bürk: „Wir stehen zu dem Ziel, die Tarifbindung auf beiden Seiten zu stärken. Die Arbeitgeber haben mehrere Vorschläge in die Verhandlungen eingebracht, mit denen wir das gemeinsame Ziel erreichen können. Für uns ist zentral, eine Spaltung der Belegschaften ebenso zu verhindern wie eine Schwächung der Tarifbindung durch Austritte aus dem Arbeitgeberverband. Ob es hier ausreichend Schnittmengen gibt, werden wir in den nächsten knapp drei Wochen weiter sondieren“, so Bürk.
IGBCE und BAVC prüfen zudem, welche Änderungen am Bundesentgelttarifvertrag (BETV) grundsätzlich konsensfähig sind. „Ein umfangreicher Tarifvertrag wie der BETV lässt sich nicht ohne gründliche Prüfung und ohne seriöse Folgenabschätzung ändern. Das Thema ist komplex und auch materiell von Gewicht. Hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.“ Eine Reform des BETV sei daher kein Projekt, das sich in einer einzelnen Verhandlung abschließen lasse. „Hinzu kommt, dass bei vielen Unternehmen die Krisenbewältigung derzeit ganz oben auf der Agenda steht. Zusätzliche materielle und administrative Belastungen kommen da zur Unzeit. Wir brauchen auch hier einen Weg, der die unterschiedlichen Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammenführt.“
„Die Arbeitgeber müssen verstehen, dass sie mit einer Total-Blockade nicht weiterkommen“, forderte IGBCE-Verhandlungsführer Oliver Heinrich. „Wenn wir in der Friedenspflicht zu einem Ergebnis kommen wollen, muss sich noch einiges bewegen.“
Die IGBCE will eine Erhöhung der Entgelte um 7 Prozent durchsetzen. Eine angemessene und realistische Forderung, bekräftigte Heinrich und wies die Schwarzmalerei der Arbeitgeber entschieden zurück. „Die Chemie ist wieder auf Wachstumskurs, die Konjunktur zieht an.“ Anders als von der Arbeitgeberseite behauptet seien Verteilungsspielräume für Entgelterhöhungen da. Er betonte: „Wir lassen nicht zu, dass die Chemie-Beschäftigten Reallohnverluste hinnehmen müssen und zu Inflationsverlierern werden. Wir müssen ihnen dauerhaft Kaufkraft zurückgeben.“
Vorteilsregelung für Mitglieder als Priorität
Mit Blick auf den geforderten Mitgliedervorteil legte die IGBCE Modelle vor, die grundsätzliche Bedenken der Arbeitgeberseite ausräumen sollen. „Wir haben den Beweis erbracht, dass Vorteilsregelungen möglich sind, ohne die Belegschaft zu spalten oder Bürokratiemonster zu schaffen. Nun liegt der Ball im Feld der Arbeitgeber”, machte Heinrich deutlich. Für den IGBCE-Tarifvorstand ist klar: „Einen Tarifabschluss ohne eine Vorteilsregelung für Mitglieder wird es mit uns nicht geben. Es ist höchste Zeit, dass die Arbeitgeberseite ihre pauschale Abwehrhaltung aufgibt.“ Beide Seiten haben sich darauf verständigt, bis zur nächsten Tarifverhandlung an dem Thema weiterzuarbeiten.