Chemie im Alltag

Biokunststoffe: Eine nachhaltige Erfolgsformel?

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Biokunststoffe: Eine nachhaltige Erfolgsformel?
Wachsender Markt: Von der Mulchfolie im Ackerbau bis zur Zahnbürste, Biokunststoffe sind im Kommen. Foto: BASF SE

Die steigende Weltbevölkerung, der Klimawandel und der unstillbare Hunger nach Ressourcen belasten unseren Planeten stark. Zudem beeinflussen internationale Krisen zunehmend die globale Rohstoffverfügbarkeit. Trotzdem bleiben Kunststoffe an vielen Ecken unverzichtbar. Die Bioökonomie, die auf erneuerbare Quellen anstelle von Erdöl setzt, könnte hier einen Lösungsansatz bieten. Im Fokus stehen hierbei Biokunststoffe, die als klimafreundlich gelten und dazu beitragen, „die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen und CO₂-Emissionen zu reduzieren“, heißt es vom Fraunhofer-Institut IAP.

Die Idee dahinter: Biokunststoffe binden das während des Pflanzenwachstums aufgenommene CO₂ und setzen nach ihrer Entsorgung genau diese Menge wieder frei. Im Gegensatz dazu geben herkömmliche Kunststoffe altes Kohlendioxid frei, das über Jahrmillionen in fossilen Rohstoffen gebunden war. Dieses CO₂ kann aufgrund seiner großen Menge nicht kurzfristig durch Photosynthese in Pflanzen umgewandelt werden. Daher sammelt es sich in der Atmosphäre, verstärkt den Treibhauseffekt und trägt so zum Klimawandel bei.

Was sind Biokunststoffe?

Biokunststoffe, Biopolymere oder biobasierte Kunststoffe – diese Begriffe sorgen oft für Verwirrung. Die Vorsilbe „bio“ erweckt den Eindruck, es handele sich um natürliche und in der Umwelt leicht abbaubare Produkte. Das stimmt aber nicht immer. Biokunststoffe bestehen zwar ganz oder teilweise aus nachwachsenden Rohstoffen. Doch nur weil sie aus Pflanzen hergestellt werden, bedeutet das nicht, dass sie biologisch abbaubar oder kompostierbar sind, beziehungsweise von Mikroorganismen in CO₂, Wasser und Mineralstoffe umgewandelt werden.

Ein Beispiel: Die handelsübliche Getränkeflasche im Supermarktregal besteht aus PET, das aus Erdöl oder Erdgas gewonnen wird. Wie die meisten Kunststoffe ist es biologisch nicht abbaubar und zerfällt erst nach Jahrhunderten. Bio-PET hingegen wird aus nachwachsendem Zuckerrohr hergestellt, ist jedoch chemisch nahezu identisch mit dem fossilbasierten PET. Es ist daher auch nicht biologisch abbaubar. Eine Bio-PET-Flasche gehört also nicht in den heimischen Komposter, sondern in den Gelben Sack oder in den Pfandautomaten. Denn das Material lässt sich genauso gut recyceln wie herkömmliches PET.

Kurzum: Biokunststoffe bestehen aus erneuerbaren Ressourcen wie Pflanzenstärke, Mais oder Zuckerrohr. Nicht alle verrotten automatisch in der Natur. Es gibt aber auch Kunststoffe auf Erdölbasis, die biologisch abbaubar sind.

Eine expandierende Branche

Mengenmäßig hält sich die Nutzung von Biokunststoffen noch in Grenzen. Der Verband European Bioplastics (EUBP) beziffert die weltweite Produktion im Jahr 2022 auf rund 2,22 Millionen Tonnen. Und das ist nicht einmal 1 Prozent der Gesamtmenge herkömmlicher Kunststoffe, von denen 2022 über 390 Millionen Tonnen produziert wurden. Trotzdem erlebt der Biokunststoffmarkt einen regelrechten Boom. Die Produktionskapazitäten stiegen bereits von 2021 auf 2022 um fast ein Viertel und sollen sich bis 2027 fast verdreifachen. Die zunehmende Nachfrage wird nicht allein durch das wachsende Umweltbewusstsein der Verbraucher angetrieben. Viele Konzerne, insbesondere Getränke-Riesen, stellen ihre Getränkeflaschen bereits teilweise auf Biokunststoffe um. Auch in Rheinland-Pfalz finden sich bereits Spezialisten für Bio-Kunststoffe, etwa der Folienhersteller Röchling in Worms oder der Chemiekonzern BASF in Ludwigshafen.

Der Hauptabsatzkanal für die aufstrebende Branche ist seit Jahren die Verpackungsindustrie, die einen Marktanteil von etwa 50 Prozent hält. Jedoch gewinnen auch andere Sektoren wie Konsumgüter, Textilindustrie, Automobilwesen und Landwirtschaft zunehmend an Bedeutung.

Europa verliert den Anschluss

Dem Branchenverband EUBP zufolge ist Europa in der Biokunststoff-Forschung führend, hinkt aber bei der Herstellung hinter Asien her. Europa steuert etwas mehr als ein Viertel der weltweiten Biokunststoffproduktion bei, während Asien mit rund 41 Prozent die Nase vorn hat. Bis 2027 könnte der asiatische Raum seinen Vorsprung sogar auf fast zwei Drittel der Weltproduktion ausbauen. Dieser Trend wird laut dem Verband unter anderem auf mangelnde politische und wirtschaftliche Unterstützung in der EU zurückgeführt.

Bioplastik – eine echte Alternative?

Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) erklärt, dass technisch gesehen bis zu 90 Prozent aller Kunststoffe von fossilen auf nachwachsende Quellen umgestellt werden könnten. Aber ist das sinnvoll? Das hängt von der Anwendung ab. Die meisten Experten sind überzeugt, dass Biokunststoffe eine gute Alternative für langlebige Produkte sind – wie Bio-PET im Fall der Getränkeflaschen. Anders sieht es bei bioabbaubaren Verpackungen aus. Sie sollen im Vergleich zu konventionellen Verpackungen keinen Vorteil bringen, heißt es vom Umweltbundesamt. Stattdessen sei es besser, sie mehrmals zu verwenden oder zu recyceln. Landwirte wiederum könnten sich über kompostierbare Mulchfolien freuen. Laut der FNR werden die Folien nach Gebrauch in dem Acker einfach untergepflügt und müssen nicht teuer entsorgt werden. Biokunststoffe sind also eine gute Lösung für bestimmte Anwendungsgebiete, aber nicht das Allheilmittel.

Einige Kritiker sorgen sich darüber hinaus, dass der Rohstoffanbau für Biokunststoffe wertvolle Ackerflächen verbraucht. Das ist unbegründet, so EUBP und FNR. Selbst für die für das Jahr 2027 prognostizierten 6,3 Millionen Tonnen an Biokunststoffen würden lediglich 0,058 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Flächen beansprucht. Und was häufig vergessen wird: Die Industrie arbeitet daran, dass Biokunststoffe zukünftig vor allem aus Rest- und Nebenstoffen der Agrar- und Forstwirtschaft hergestellt werden.

Wie gentechnisch veränderte Mikroorganismen bei der Herstellung von Biokunststoffen helfen können, lesen Sie hier.

Wie es möglich sein kann, in Zukunft auf Plastikverpackungen zu verzichten und welche Lösungen die Chemiebranche bietet, lesen Sie hier.

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