Chemie im Alltag

Nachwachsende Rohstoffe werden Teil unseres Alltags

· Lesezeit 7 Minuten.
Blühendes Rapsfeld. Foto: Daniel Prudek – stock.adobe.com
Raps, die wichtigste Ölfrucht in Deutschland: Rapsöl eignet sich zur Herstellung von biologisch abbaubaren Ölen und Schmierstoffen. Auch als Grundstoff für Farben und Lacke oder für Weichmacher, Tenside und Pflanzenschutzmittel kommt es zum Einsatz. Man kann daraus auch Biodiesel herstellen. Foto: Daniel Prudek – stock.adobe.com

Was sind nachwachsende Rohstoffe?

Nachwachsende Rohstoffe stammen aus lebender Materie – anders als fossile Rohstoffe wie Kohle und Öl, die aus abgestorbenen Pflanzen und Tieren vor Jahrmillionen entstanden sind. Der Vorrat an fossilen Rohstoffen ist endlich: Einmal abgebaut und verfeuert, stehen sie für den Menschen und seine Industrien nicht mehr zur Verfügung.
Nachwachsende Rohstoffe hingegen erneuern sich relativ schnell. In Land- und Forstwirtschaft wachsen Produkte, die nicht als Nahrungs- oder Futtermittel dienen. Stattdessen kommen sie als Rohstoff zum Einsatz, und zwar:

  • in der Produktion,
  • zum Heizen,
  • zur Stromerzeugung oder
  • als Sprit.


Meist handelt es sich bei nachwachsenden Rohstoffen um Pflanzen – aber nicht immer

In aller Regel handelt es sich bei nachwachsenden Rohstoffen um Pflanzen. Die Chemie- und Pharma-Industrie verwendet allerdings auch Tierfett und -öl, zum Beispiel zur Seifenherstellung. Gülle und Mist sind ebenfalls wichtige tierische Rohstoffe. Sie machen knapp die Hälfte des Substrateinsatzes in Biogasanlagen aus.

Nachwachsende Rohstoffe kommen in der Chemie schon lange zum Einsatz

Ob Färberpflanzen für Naturfarben, Polymilchsäure für Kunststoffbecher oder stärkebasierte Klebstoffe: Nachwachsende Rohstoffe haben sich in der Chemie-Industrie seit Langem bewährt. 2022 verbrauchte sie rund 2,4 Millionen Tonnen nachwachsende Rohstoffe für die Produktion. Die Top 3 sind dabei:

  • Fette und Öle mit einem Anteil von 39 Prozent (950.000 Tonnen)
  • Stärke mit einem Anteil von 20 Prozent (484.000 Tonnen)
  • Chemie-Zellstoff mit einem Anteil von 16 Prozent (384.000 Tonnen)

Fette und Öle machen mit 39 % das Gros der nachwachsenden Rohstoffe aus, gefolgt von Stärke (20 %) und Chemiezellstoff (16 5). Quellen: FNR, BMEL; Diagramm: FNR 2024
Fette und Öle machen mit 39 % das Gros der nachwachsenden Rohstoffe aus, gefolgt von Stärke (20 %) sowie Chemiezellstoff (16 %). Die Gesamtmenge betrug 2022 rund 2,4 Millionen Tonnen. Quellen: FNR, BMEL; Diagramm: FNR 2024

Der Anteil der nachwachsenden Rohstoffe in der Chemie steigt peu à peu

Zwar stellen Mineralölprodukte die wichtigsten Produktionsrohstoffe in der organischen Chemie dar. Sie haben einen Anteil von rund 72 Prozent.
Doch die nachwachsenden Rohstoffe holen auf. Lag ihr Anteil an der Rohstoffbasis der organischen Chemieproduktion 2018 noch bei 13 Prozent, so betrug er 2022 bereits 15 Prozent.

Welche Vorteile haben nachwachsende Rohstoffe?

Gegenüber fossilen Rohstoffen mit ihrer hohen Energiedichte und begrenzten Verfügbarkeit haben nachwachsende Rohstoffe einige Vorteile: Sie

  • setzen bei der Verbrennung weniger Kohlendioxid frei,
  • erneuern sich schneller,
  • sind oft biologisch abbaubar,
  • verringern die Abhängigkeit von Importen,
  • ermöglichen Innovationen in der Material- und Produktentwicklung, in Produktionsprozessen und in der Kreislaufwirtschaft.

Welche Nachteile haben nachwachsende Rohstoffe, und was wäre eine Lösung?

Nachwachsende Rohstoffe (NawaRo) beanspruchen Flächen und andere Ressourcen. Diese stehen dann für die Nahrungsmittelproduktion nicht mehr zur Verfügung.
 

Ein paar Fakten zum Flächenbedarf nachwachsender Rohstoffe in Deutschland

  • Rund 82 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland stehen für Futter- und Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung.
  • 13 Prozent entfallen auf den Energiepflanzen-Anbau, 2 Prozent auf den Industriepflanzenanbau.
  • Die Anbaufläche für nachwachsende Rohstoffe beträgt rund 2,5 Millionen Hektar. Seit 2017 hat er sich leicht verringert.

Die Top-3-Hauptkulturen in Deutschland sind:

  1. Mais (Anbaufläche: 896.000 Hektar), Verwendung nur für Biogas
  2. Raps (Anbaufläche: 663.000 Hektar), Verwendung überwiegend für Biodiesel, aber auch zur stofflichen Verwendung
  3. Getreide (Anbaufläche: 419.000 Hektar), Verwendung überwiegend für Biogas und -ethanol, aber auch stofflich.

Die wichtigste Abnehmerin von Industriepflanzen ist die Chemie-Industrie. Industriepflanzen enden im Unterschied zu Energiepflanzen nicht in der Biogasanlage oder im Tank. Stattdessen gehen ihre speziellen chemischen und physikalischen Eigenschaften in Produkte und Zwischenprodukte ein. Man kann aus ihnen zum Beispiel Waschmittel, Medikamente, Kunststoffe oder Baumaterialien herstellen.
 

Viel Platz für Energiepflanzen: mögliche Lösungen

Problem Mögliche Lösung
Essbare Pflanzen wie Mais enden direkt in Biogasanlagen. Verstärkt Restprodukte wie Stroh zur Energieerzeugung zu nutzen, entschärft die Konkurrenz.
Die NawoRo-Flächen fehlen für die Nahrungsmittelproduktion. Je ergiebiger Neuzüchtungen sind, um so weniger Platz brauchen sie für denselben Output.
Pflanzen zu ziehen, um sie zu verfeuern (statt sie stofflich zu nutzen), ist Verschwendung. Die Energie-Erzeugung sollte schwerpunktmäßig nicht durch Pflanzen, sondern durch Solar-, Wind- und Wasserkraft erfolgen.
Der NawaRo-Anbau in Form intensiver Landwirtschaft beeinträchtigt die Artenvielfalt. Natürliche Landschaftselemente wie Hecken und Blühstreifen müssen erhalten bleiben.

 

Beispiel Werner & Mertz: Tenside aus Raps und Sonnenblumen

Sonnenblumenfeld Foto: Storyblocks
Sonnenblumen als Ölquelle: Werner & Mertz nutzt sie und andere europäische Ölpflanzen, um daraus Tenside zu gewinnen. Dies ist ökologisch vorteilhafter als Erd- oder Palmkernöl. Foto: Storyblocks

Öko-Vorteil: Nützliche Rohstoffe gedeihen in unseren Breitengraden

Tenside sind waschaktive Substanzen, die in Shampoos, Spül- und Waschmitteln enthalten sind. Man kann sie aus Erdöl oder Palmkernöl herstellen – beides hat ökologische Nachteile.

Werner & Mertz will daher mehr Tenside auf der Basis europäischer Ölpflanzen einsetzen. Dazu gehören Raps, Oliven, Flachs und Sonnenblumen, zum Beispiel aus Deutschland, Polen oder Frankreich. Das Olivenöl stammt aus Spanien, Italien und Griechenland. Keines der verwendeten Öle, so das Unternehmen, steht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.
 

Beispiel Huhtamaki: Holzfaser statt Plastik

Zwei Becherdeckel aus Holzfaser. Foto: Huhtamaki
Plastikdeckel adé: Heiße oder kalte Getränke lassen sich auch mit diesem Holzfaserdeckel schützen. Er eignet sich für kleckerfreies Trinken mit oder ohne Strohhalm. Prost! Foto: Huhtamaki

Endlich plastikfrei trinken

Wer unterwegs seinen Durst löschen möchte, kam bisher oft um die Plastikdeckel auf dem Getränkebecher nicht herum. Das wird jetzt anders: Die Future Smart™ Molded Fiber Deckel von Huhtamaki bestehen aus pflanzlichen Holzfasern:

  • Als Quellen dienen zu 100 Prozent pflanzenbasierte Rohmaterialien aus europäischen Gehölze.
  • Die Deckel sind plastikfrei.
  • Sie enthalten keine per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS). Diese Stoffgruppe weist Wasser und Fett ab, hat aber problematische Umwelteigenschaften.

Die Deckel halten heißen und kalten Getränken stand. Nach Gebrauch lassen sie sich recyceln wie Papier. Auch für den privaten und industriellen Kompost sind sie geeignet. Huhtamaki stellt sie an seinem Standort Alf an der Mosel her.

BASF: rund eine Million Tonnen nachwachsende Rohstoffe

Die aus fossilen Quellen beruhenden Rohstoffe Naphta und Methan sind wichtig für die chemische Industrie. BASF ersetzt sie in vielen Fällen durch Biomethan und Bionaphta. Eine der Quellen ist Klärschlamm. Foto: Kalyakan - stock.adobe.com

Bei mehr als 1.400 BASF-Produkten kommt Biomasse als Rohstoffquelle zum Einsatz. 2023 beschaffte das Unternehmen rund 1 Million Tonnen nachwachsende Rohstoffe. Beispielsweise Biomethan und Bionaphtha ersetzen ihre aus Erdgas beziehungsweise Rohöl gewonnenen Pendants.

  • Biomethan: Dies bezieht die BASF hauptsächlich aus Europa (aus der EU, Großbritannien und der Schweiz). Als bevorzugte Quellen für Biomethan dienen Abfälle und Rückstände wie Lebensmittel-, kommunale und landwirtschaftliche Abfälle, Klärschlamm und Mist. Auch Roggen, Leguminosen, Süßklee, Mais und Weizen finden Verwendung.
  • Bionaphtha: Die Hauptquellen sind Altspeiseöl, Abfälle aus der Palmölherstellung und Tallöl, ein Nebenprodukt der Zellstoffherstellung. 

Die biobasierten Produkte haben einen stark reduzierten CO2-Fußabdruck. Sie sind nach dem internationalen Zertifizierungssystem ISCC PLUS geprüft. Auf diese Weise erhalten die Kunden der BASF Klarheit über die Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette.

Pilze, Zucker und Öle für die Enzymproduktion

In der Industriellen Biotechnologie nutzt die BASF Mikroorganismen – Pilze oder Bakterien - zur Herstellung von

  • Chemikalien,
  • Enzymen und
  • Biologicals (biotechnologisch hergestellte Substanzen) her.

Die Pilze und Bakterien gedeihen auf nachwachsenden Rohstoffen, in aller Regel handelsüblicher Zucker oder Pflanzenöle. In Bioreaktoren, auch Fermenter genannt, sowie durch die anschließende Aufarbeitung entstehen so

  • Produkte für die Human – und Tierernährung,
  • Riech - und Aromastoffe,
  • Waschmittelenzyme sowie
  • Pflanzenschutzprodukte.

BASF-Forschende versuchen in Zusammenarbeit mit mehreren Universitäten, die Mikroorganismen dazu bringen, noch andere Kohlenstoffquellen zu nutzen. Im Projekt FUMBIO soll aus Kohlendioxid und Zucker der wichtige Rohstoff Fumarsäure entstehen - die bisherige Basis ist hauptsächlich Erdöl. Für das Projekt stellt der Bund rund 2,6 Millionen Euro bereit.
 

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