Arbeiten in der Chemie

Vertrauensarbeitszeit in der Chemieindustrie

· Lesezeit 4 Minuten.
Eine Person schreibt etwas, im Hintergrund ist eine Uhr zu sehen.
Arbeitszeit erfassen: Das ist bei Vertrauensarbeitszeit nur unter bestimmten Bedingungen nötig. Bild: Quality Stock Arts - stock.adobe.com

Was ist Vertrauensarbeitszeit? 

Vertrauensarbeitszeit bedeutet, dass Mitarbeiter ihre Arbeitszeit weitgehend selbst einteilen können. Sie können unter bestimmten Bedingungen entscheiden, wann sie mit der Arbeit anfangen und aufhören, sofern sie ihre Aufgaben erledigen und vereinbarte Ziele erreichen. 

Die Arbeitgeber geben zwar vor, wie viele Stunden die Beschäftigten pro Woche oder Monat arbeiten. Wie Beschäftigte sich das zu erledigende Volumen erfüllen, ist aber ihnen überlassen. 

Wie aus dem Namen hervorgeht, setzt der Arbeitgeber auf Vertrauen statt Kontrolle: Mitarbeiter müssen in der Regel keine detaillierten Nachweise über ihre Arbeitszeiten erbringen. Stattdessen vertraut der Arbeitgeber ihnen, dass sie ihre Aufgaben erledigen. Es zählt das Ergebnis, nicht die konkreten Anwesenheitszeiten, sofern es die Aufgaben zulassen. 

Gesetzliche Vorgaben einhalten 

Natürlich müssen dabei aber gewisse Regeln eingehalten werden. So sind per Gesetz maximal tägliche Arbeitszeiten vorgeschrieben. Auch Pausen- und Ruhezeiten sind vorgeschrieben.

Folgendes ist im deutschen Arbeitszeitgesetz geregelt: 

  • Die reguläre Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte beträgt acht Stunden pro Tag
  • Es ist möglich, auf maximal zehn Stunden pro Tag zu verlängern
  • Werden acht Stunden pro Tag überschritten oder wird an Sonn- und Feiertagen gearbeitet, muss die Arbeitszeit dokumentiert werden.
  • Innerhalb von sechs Monaten oder 24 Wochen muss ein Ausgleich auf durchschnittlich acht Stunden pro Werktag erfolgen
  • Spätestens nach sechs Stunden muss eine Pause eingelegt werden
  • Bei einer Arbeitszeit von bis zu neun Stunden sind mindestens 30 Minuten Pause vorgesehen
  • Bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden sind mindestens 45 Minuten Pause vorgesehen
  • Zwischen zwei Arbeitstagen müssen mindestens elf Stunden Ruhezeit liegen. In bestimmten Fällen kann die Ruhezeit verkürzt werden, wenn sie später ausgeglichen wird.
  • Die maximale wöchentliche Arbeitszeit beträgt in der Regel 48 Stunden

Vertrauensarbeitszeit: Was gilt in der Chemie? 

Vollzeitbeschäftigte in der Chemie- und Pharmaindustrie müssen laut Tarifvertrag 37,5 Stunden pro Woche arbeiten. Auch hier setzen die Arbeitgeber teilweise auf Vertrauensarbeitszeit. Das heißt, dass sie die Arbeitszeiten der Beschäftigten nicht vollständig erfassen. Verpflichtend ist eine Aufzeichnung aber, wenn Personen länger als acht Stunden am Tag oder an Sonn- und Feiertagen arbeiten. 

Das Gesetz schreibt keine Form für die Aufzeichnung vor. Erlaubt sind zum Beispiel Zeiterfassungskarten, Lohnlisten, handschriftliche Aufzeichnungen oder elektronisch gespeicherte Listen, wenn das Unternehmen sie der Aufsichtsbehörde jederzeit zur Verfügung stellen kann. Der Arbeitgeber kann auch entscheiden, dass die Beschäftigten die Arbeitszeit selbst dokumentieren. Er trägt aber die Verantwortung dafür, dass sie das tatsächlich tun. 

Allerdings gibt es seit einiger Zeit Unsicherheit, was aus der Vertrauensarbeitszeit wird. Im Jahr 2019 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) geurteilt, dass es ein System braucht, um die tägliche Arbeitszeit zu messen. Das Bundesarbeitsgericht urteilte später, dass Arbeitgeber verpflichtet seien, die komplette Arbeitszeit der Beschäftigten zu erfassen. 2023 hatte das Bundesarbeitsministerium einen Referentenentwurf erarbeitet, um das Arbeitszeitgesetz zu ändern. 

„Die Vorschläge bedrohen bewährte flexible Arbeitszeitmodelle, insbesondere die Vertrauensarbeitszeit“, heißt es in einer Einschätzung des Bundesarbeitgeberverbands Chemie (BAVC).

Demnach müssen Arbeitgeber sicherstellen, dass Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden. Zur Aufzeichnung der Arbeitszeit bleiben Beschäftigte verpflichtet. „Damit ist die heute weit verbreitete Vertrauensarbeitszeit am Ende, denn eine vollständige Erfassung von Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit lässt keinen Platz für Vertrauen“, so der BAVC.

Der BAVC fordert, auf Aufzeichnungspflicht ab der ersten Arbeitsminute zu verzichten: „Arbeitszeit muss weiter leicht an tatsächliche Bedarfe anpassbar sein. Die Sozialpartner können sinnvolle Leitplanken für diese Spielräume schaffen – die Chemie-Sozialpartner haben damit längst begonnen.“

  • Like
  • PDF
Schlagworte

Das könnte Sie auch interessieren

Wechseln zur Seite International Articles Wechseln zur Seite Newsletter