Kann man sagen, Sie sind Gegner?
Iris Willrich: Nein, das ist doch ein Klischee. Diese alte Denkweise finde ich schrecklich! Wir haben beide das gleiche Ziel: Lösungen zum Wohl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und dem Unternehmen zu finden.
Gerhard Lonzynski: Richtig. Dass wir Gegner sind, ist Quatsch. Wichtig ist doch, dass wir als Betriebsrat nicht nur Kritik rüberbringen, sondern Lösungen. Frau Willrich und ich, wir respektieren uns, und so können wir auch zu guten Lösungen kommen.
Willrich: Die Rolle des Betriebsrats hat sich auch ziemlich geändert in den letzten Jahrzehnten.
Inwiefern?
Willrich: Heute ist viel mehr im Tarifvertrag festgelegt als früher. Der Betriebsrat muss sich für viele Belange der Beschäftigten nicht mehr einsetzen, weil sie schon geregelt sind.
Lonzynski: Tatsächlich sind die Anliegen, mit denen Kollegen zu mir kommen, in etwa 40 Prozent der Fälle privat: Sie haben zum Beispiel Fragen zur Steuererklärung oder wollen wissen, ob ich einen guten Facharzt kenne. Trotzdem gibt es natürlich noch viele Themen, an denen wir gemeinsam arbeiten müssen. Zum Beispiel, dass wir die Betriebsvereinbarungen aktuell halten.
Wie genau arbeiten Sie zusammen?
Willrich: Wir setzen uns jeden Mittwoch an den Tisch und besprechen unsere Themen. Klar, manchmal sagt Herr Lonzynski gleich vorweg: Er habe da was, was mir nicht gefallen werde …
Also doch: Meinungsverschiedenheiten!
Willrich: Sicher – wir sind nicht immer einer Meinung. Ganz lange haben wir zum Beispiel übers Jobrad diskutiert. Da hat Herr Lonzynski einfach nicht lockergelassen (lacht). Ich habe aber vom Tarifvertrag her keine Möglichkeit dafür gesehen. Und irgendwann dachte ich: Puh, jetzt muss auch langsam mal gut sein. Aber als sich mit dem Tarifvertrag 2019 die Möglichkeit bot, haben wir das Jobrad eingeführt. Ich sehe das nicht als Streit! Das sind doch ganz normale Geschäftsthemen.
![Gemeinsam fürs Unternehmen: Die Sozialpartner bei Röchling Industrial in Lahnstein. Foto: Wir.Hier./Frank Eppler](/fileadmin/_processed_/c/9/csm_R%C3%B6chling_Koblenz025_913692101c.jpg)
Was unterscheidet denn eine Diskussion vom Streit?
Willrich: Da geht es um die Sache. Ich höre Herrn Lonzynski erst mal zu, und er mir. Man tauscht seine Meinungen und Argumente aus. Und überlegt: Welche Entscheidung ist für unser Unternehmen die richtige? Natürlich rege ich mich auch mal auf. Aber jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, das führt zu nichts.
Lonzynski: Wir haben schon auch Konflikte. Wir lassen den anderen dann aber aussprechen und haben Respekt voreinander. Das ist der Punkt. So kommt man auch schneller zum Ziel.
Was ist Ihr Rezept für ein gutes Miteinander?
Lonzynski: Dass wir uns vertrauen und immer ehrlich zueinander sind.
Willrich: Genau. Wichtig ist auch, dass man zielorientiert diskutiert und uneitel an Themen herangeht.
Auch wenn ein gutes Miteinander herrscht – die Belegschaft wird nicht über jedes Thema der Geschäftsführung erfreut sein.
Willrich: Das stimmt. In diesem Jahr müssen wir zum Beispiel über die Pausenzeiten sprechen. Unstrittig ist für mich: Es ist die Verantwortung aller Kolleginnen und Kollegen, am Erfolg unseres Unternehmens mitzuarbeiten. Dieses Commitment erwarte ich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und vom Betriebsrat. Aber da sind wir uns auch einig.
Was, wenn das Unternehmen mal in eine Krise gerät? Wird die Einigkeit dann halten?
Lonzynski: Wir hoffen, dass solche Zeiten nicht kommen. Aber zu den Aufgaben von uns Betriebsräten gehört es auch, Einsparmöglichkeiten zu finden. Ich denke schon, dass wir auch in schlechten Zeiten zu Lösungen kommen.
Willrich: In Krisenzeiten zeigt sich erst richtig, ob man einen guten Zusammenhalt hat. Während man in guten Zeiten meist etwas zu verteilen hat, sind in schlechten Zeiten Einschnitte nötig. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dauerhaft zu beschäftigen, das ist allerdings eine Verantwortung, die uns schon immer sehr wichtig war. Und wenn alle in die gleiche Richtung laufen, die gleichen Leitplanken haben, dann bleiben wir auch in Zukunft und trotz Krisenzeiten ein erfolgreiches Unternehmen.