Seit 2009 schon ist Claudia Schaefer Leiterin der Herstellung des Pharmaunternehmens LTS. Im Januar 2022 wird die 48-Jährige als Mitglied des Geschäftsleitungsteams aufrücken, in dem die für das Unternehmen relevanten operativen und strategischen Entscheidungen getroffen werden. Die Andernacher sind bekannt als Weltmarktführer im Bereich der Entwicklung und Produktion transdermaler Darreichungsformen (sogenannte Arzneimittelpflaster).
Schaefer hat diesen Schritt nicht geplant, ihre Karriere ist aber auch kein Zufallsprodukt. Was ihr Erfolgsgeheimnis ist? Vielleicht ihr Interesse für Chemie und Mathematik, das in der Oberstufe in die passenden Leistungskurse mündete. Vielleicht die Unterstützung ihrer Familie, die sie in ihren Entscheidungen stets bestärkt und bei der Betreuung ihrer Tochter unterstützt hat. Mit Sicherheit ist es auch eine Weltsicht frei von Stereotypen, die Schaefers Mutter ihr mitgegeben hat. „Sie hat immer gesagt: Mit Chemie kann ich gar nichts anfangen. Aber ich sehe, dass dir das Spaß macht und du das gut kannst“, erinnert sie sich. „Geschlechterfragen wurden bei uns zu Hause im Hinblick auf die Berufswahl überhaupt nicht gestellt. Mein Bruder und ich durften entscheiden, was uns Spaß macht.“
Industrie als Wunscharbeitgeber
Aufgewachsen in Horb am Neckar, studierte Schaefer nach ihrem Abitur im nahe gelegenen Tübingen Pharmazie. Ihr praktisches Jahr absolvierte sie zur Hälfte in einer Apotheke in Reutlingen und zur Hälfte bei Bayer in Leverkusen. „Seitdem war mir klar, dass ich in der Industrie arbeiten möchte“, resümiert Schaefer. Und sie stellte die Weichen dafür: Ihre Doktorarbeit schrieb sie am Lehrstuhl für pharmazeutische Technologie in Tübingen und hatte in dieser Zeit bereits Gelegenheit, industrielle Herstellungsprozesse kennenzulernen.
Ihr Plan ging auf: 2003 begann sie als Laborleiterin bei LTS. Das Angebot eines großen Pharmakonzerns schlug sie hingegen aus. An dem Mittelständler LTS gefielen der damals 30-Jährigen die flachen Hierarchien, kurze Entscheidungswege und die vernetzte Arbeitsweise zwischen Entwicklung und Produktion. „Insgesamt habe ich knapp fünf Jahre als Leiterin eines Entwicklungslabors gearbeitet und Personalverantwortung für drei Mitarbeitende übernommen. 2006 habe ich allerdings ein halbes Jahr pausiert“, erzählt Schaefer über ihre ersten Jahre in der Industrie. Damals wurde ihre Tochter geboren.
Kind und Karriere
Mit Unterstützung ihres Mannes und ihrer Schwiegermutter hat sie das hinbekommen, was manche Eltern ins Straucheln bringt: Sie hat Kind und Karriere unter einen Hut gebracht. Und nein, natürlich sei es nicht einfach gewesen, die Tochter nach sechs Monaten erstmals in der Kita abzugeben und als Laborleitung wieder Vollzeit zu arbeiten. „Ich weiß nicht, ob eine Teilzeitstelle als Labor- und Projektleitung vor 16 Jahren möglich gewesen wäre“, erzählt sie. „Ich hatte aber auch den starken Wunsch, das zu schaffen. Wir haben dann als Familie schnell gemerkt: Das funktioniert für uns.“
Auch nach außen muss Schaefer das ausgestrahlt haben. Mitte 2008 wechselte die junge Mutter als stellvertretende Leiterin der Herstellung in die Produktion. 2009 erhielt sie das Angebot, auf den Chefposten in der Herstellung zu wechseln, mit Personalverantwortung für mehr als 400 Beschäftigte. Schaefer überlegte nur kurz und nahm das Angebot an. „In der Produktion ist eine solche Karriere schon außergewöhnlich, weil in der Ebene, die an mich berichtet, praktisch nur Männer sitzen“, gesteht sie. „Vielleicht sind die Gespräche unter Männern manchmal ein bisschen rauer. Ich hatte aber nie das Gefühl, dass ich da jetzt mitmachen oder mich verbiegen muss.“
Sich selbst treu bleiben
Ihre Tochter wird vermutlich keine Karriere in der Chemie- oder Pharmabranche anstreben. „Zurzeit zeichnen sich da andere Interessen ab“, schmunzelt sie. Aber Schaefer glaubt, dass die Branche in den letzten Jahren offener für Frauen in Führungspositionen geworden ist. „Mittlerweile gibt es in unseren Entwicklungslabors und auch in der Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung bei LTS einige Naturwissenschaftlerinnen als Führungskräfte“, erzählt sie.
Ihr Tipp für die nächste Generation? „Am besten einfach machen und sich selbst treu bleiben. Und wenn man, wie ich, das Glück eines tollen Teams hat, dann stehen einem viele Wege offen.“