Feuerlöschen liegt bei Nils Maurer in der Familie. Großvater, Vater, Zwillingsbruder – sie alle sind freiwillige Feuerwehrmänner geworden. „Mein Opa hat die Einheit in seinem Heimatdorf sogar mit aufgebaut“, berichtet der 21-Jährige. Er selbst startete mit gerade einmal acht Jahren bei der Kinderfeuerwehr. Heute profitiert davon sogar sein Arbeitgeber Michelin. Denn Maurer, eigentlich angestellt in der Reifenprüfung in Bad Kreuznach, ist auch als Freiwilliger in der Werkfeuerwehr tätig.
Rund 50 Personen aus der 1400-köpfigen Belegschaft haben sich am rheinland-pfälzischen Standort des Reifenherstellers für diese Aufgabe gemeldet. Sie unterstützen die 12 ausgebildeten Berufsfeuerwehrleute. Rund um die Uhr müssen mindestens fünf Freiwillige und ein Hauptberuflicher vor Ort sein. Die Werkfeuerwehr kümmert sich um den vorbeugenden Brandschutz: Sie prüft und wartet etwa Feuerlöscher, Sprinkleranlagen oder Wandhydranten. Und sie rückt aus, wenn es im Werk einen Notfall gibt. Ihr Engagement ist für das Unternehmen existenziell: Die Feuerwehr schützt das Unternehmen vor wirtschaftlichem Schaden. Und vor allem sorgt sie für die Sicherheit der Kolleginnen und Kollegen.
Im Notfall binnen fünf Minuten einsatzbereit sein
So wie an einem Morgen im vergangenen Dezember. Nils Maurer fährt gerade mit einem Stapler durch die Produktionshalle, als er von draußen die Sirene hört. Sofort parkt er an der Seite, läuft die wenigen Meter von seinem Arbeitsplatz ins Feuerwehrhaus. Was ist passiert? Im zweiten Obergeschoss eines Firmengebäudes brennt ein Schaltschrank, Kollegen haben den Alarm ausgelöst.
Maurer tauscht Arbeitskleidung gegen Uniform, steigt ins Löschfahrzeug. Innerhalb von fünf Minuten ist das Team am Einsatzort. Mit Atemschutzgerät geht Maurer in das Gebäude, alles ist voller Rauch. Die Mitarbeiter haben schon begonnen, die Flammen mit einem Feuerlöscher zu stoppen. Dann gelingt es den Feuerwehrleuten, die Gefahr unter Kontrolle zu bringen.
![Wichtige Hilfe: Ein Mann in Feuerwehrkleidung prüft bei einem Kollegen, ob die Atemschutzmaske richtig sitzt.](/fileadmin/_processed_/4/2/csm_Michelin_Feuerwehr_WirHier-037_f39ed80892.jpg)
„Bei uns auf der Schicht ist vereinbart, dass die freiwilligen Feuerwehrleute alles stehen und liegenlassen dürfen, wenn der Alarm geht“, erklärt der junge Mann. Einige Male im Jahr kommt das vor. Kollegen springen dann kurzfristig ein.
Bei Michelin ist Maurer seit Anfang 2024. Bis dahin hatte er als Kfz-Mechatroniker in seinem Ausbildungsbetrieb gearbeitet. Doch nach viereinhalb Jahren wollte er in ein anderes Unternehmen wechseln. „Die Produktion von Reifen hat mich schon immer interessiert“, sagt er. Er bewarb sich bei Michelin. Kurz darauf konnte Maurer als sogenannter Klasseur in der Reifenprüfung anfangen.
Job in der Reifenprüfung: Hunderte Reifen pro Schicht
Eine seiner wichtigsten Aufgaben ist die sogenannte Aspektkontrolle. Maurer steht am Endes eines Bandes, über das er viele verschiedene Reifen anfordert. Er greift sich den nächsten, dreht ihn in schwindelerregender Geschwindigkeit durch die Hände. Seine Augen scannen den Reifen aufmerksam. So findet Maurer kleinste Auffälligkeiten – selbst, wenn dem berühmten Michelin-Männchen, das stets aufgedruckt wird, eine Hand fehlt.
Stellt er einen Fehler fest, tippt er den Befund in einen Computer. Der Reifen wird dann repariert oder aussortiert. Zwar unterstützt künstliche Intelligenz schon bei der Fehlersuche. Doch jeder Reifen wird nochmal von einem Menschen geprüft – für hundertprozentige Qualität. Mehrere hundert Stück schafft Maurer pro Schicht.
![Hochkonzentriert: Hochkonzentriert:](/fileadmin/_processed_/5/7/csm_Michelin_Feuerwehr_WirHier-081__1__7594a13dad.jpg)
Kollegen in der Feuerwehr: Starker Zusammenhalt
Eigentlich ist er bei der Arbeit also gut beschäftigt. Warum noch für die Werkfeuerwehr engagieren? „Mir macht es Spaß, Menschen zu helfen“, erklärt Maurer. Gefahren möglichst früh zu erkennen und zu bekämpfen, sei ihm sehr wichtig. Deshalb hat er auch einen speziellen Atemschutzlehrgang gemacht. So kann er mit in brennende Gebäude und Personen retten.
Besonders wichtig ist ihm auch der Teamgeist – die Kameradschaft, wie es unter Feuerwehrleuten heißt. Die einen, so beschreibt er es, sind in einer Sportmannschaft, die anderen eben bei der Feuerwehr. Man steht füreinander ein, muss sich in gefährlichen Situationen voll aufeinander verlassen können, lernt Freunde fürs Leben kennen.
Von jetzt auf gleich losmüssen, immer etwas zu tun haben – viele fänden das wohl stressig. „Mich beruhigt es tatsächlich eher“, sagt Maurer lachend. Kein Wunder, dass seine Freizeit ebenfalls gut durchgetaktet ist. Maurer ist Fußballschiedsrichter und auch in seiner Heimat in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv. Per Pieper ist er hier immer erreichbar, sogar nachts. Er ist eben immer im Einsatz.
Michelin: Hintergrundinfos zum Unternehmen
Der Reifenhersteller Michelin mit Hauptsitz im französischen Clermont-Ferrand beschäftigt rund 130.000 Mitarbeiter in 170 Ländern. 1400 davon arbeiten in Bad Kreuznach. Der deutsche Standort gilt als Vorbild innerhalb des Weltkonzerns. Hier werden unter anderem sogenannte Selfseal-Reifen gefertigt, die selbst Nägeln standhalten, und geräuscharme Acoustic-Reifen. Jedes Jahr beginnen in dem Werk 15 Menschen ihre Ausbildung, zum Beispiel als Industriemechaniker oder Elektroniker für Betriebstechnik.
Hintergrund: „Ohne Bart zum Einsatz“
Harald Wolf, Chef der Werkfeuerwehr bei Michelin in Bad Kreuznach, über Voraussetzungen für Freiwillige.
![Kameraden in der Werkfeuerwehr: Kameraden in der Werkfeuerwehr:](/fileadmin/_processed_/0/6/csm_Michelin_Feuerwehr_WirHier-052_1ff8aad58d.jpg)
Rasieren ist für Harald Wolf keine Stilfrage, sondern eine berufliche Pflicht. Denn für Feuerwehrleute gilt: Sie müssen glattrasiert sein. „Ein Schnauzbart ist in Ordnung, mehr aber nicht“, erklärt der Leiter der Werkfeuerwehr bei Michelin in Bad Kreuznach. Der Grund: Bärte können verhindern, dass die Atemschutzmasken dicht sind. Rauch könnte hindurch gelangen. Deshalb gilt nicht nur für Hauptberufliche, sondern auch für Freiwillige: Der Bart muss weg.
Wer sich für ein Engagement in der Freiwilligen Feuerwehr oder Werkfeuerwehr interessiert, muss aber keine speziellen Fähigkeiten mitbringen. Ein Gesundheitscheck ist Voraussetzung, Spaß an Teamarbeit und die Bereitschaft, sich zu engagieren und weiterzubilden, sind wichtig. Nach der Grundqualifikation sind 40 Übungsstunden pro Jahr Pflicht. Daneben gibt es optionale Qualifikationen, etwa um Pumpen und andere Maschinen bedienen zu dürfen.
Freiwillige Feuerwehrleute werden mit kleinen Funkmeldeempfängern ausgestattet, auch Pieper oder Pager genannt. Damit sind sie für Notfälle rund um die Uhr erreichbar. Auch Harald Wolf trägt immer einen Pager bei sich. Die freiwilligen Mitglieder der Werkfeuerwehr wiederum werden nur während der Arbeitszeit per Sirene alarmiert.
Männer und Frauen, die mitmachen wollen, werden immer gesucht. Angst haben müsse man nicht, sagt Wolf. „Feuerwehrleute werden so gut auf Einsätze vorbereitet, dass sie Gefahren richtig einschätzen können.“