Von den 194 Chemienobelpreisträgern sind acht Frauen, ganze 4 Prozent. Damit liegt diese Disziplin noch unter dem mageren Gesamtdurchschnitt von 6,5 Prozent an allen Nobelpreis-Geehrten insgesamt. Umso außergewöhnlicher sind die Persönlichkeiten und Leistungen der Frauen, die die Auszeichnung aus den Händen des schwedischen Königs in Stockholm erhielten.
Im 20. Jahrhundert gab es nur drei Chemie-Nobelpreisträgerinnen
- Die erste Frau, die überhaupt einen Nobelpreis erhielt, war die französische Physikerin Marie Curie (1867-1934) – zuerst 1903 für Physik, dann 1911 für Chemie. Der Chemie-Nobelpreis war die Anerkennung ihrer einzigartigen Leistung: Sie hatte Polonium und Radium entdeckt, Radium isoliert, seine Eigenschaften und Elemente untersucht.
- Auch die Forschungsarbeiten ihrer Tochter zur Synthese neuer radioaktiver Elemente wurden 1935 mit dem Nobelpreis gekrönt. Die Chemikerin Irène Joliot-Curie (1897-1956) war damit die zweite Chemie-Nobelpreisträgerin.
- Die Britin Dorothy Crowfoot Hodgkin (1910-1994) widmete sich ebenfalls der radioaktiven Strahlung, und zwar mit bestimmten Techniken, Analysen und Berechnungen. So gelang es ihr, die Struktur von Penicillin und von Vitamin B12 zu bestimmen, das die komplexeste Struktur aller Vitamine aufweist. Dies brachte ihr 1964 den Chemie-Nobelpreis ein.
Frauen haben Anteil an dynamischer Forschung – und an den Chemie-Nobelpreisen
Allein in diesem Jahrhundert ehrten die zuständigen Nobelpreisgremien fünf der bisher acht Frauen für ihre Spitzenleistungen in der Kategorie Chemie – und die Abstände werden kürzer.
Von der Struktur der Ribosomen zur Produktion von Antibiotika
Die israelische Biochemikerin und Strukturbiologin Ada Yonath (* 1939) gilt als Pionierin in der Erforschung von Ribosomen. Das sind Makromolekül-Komplexe, die eine zentrale Rolle bei der Proteinbiosynthese der Zellen spielen. Sie bestehen aus Hunderttausenden von Atomen. Mit anderen Forschern entschlüsselte Ada Yonath per Röntgenkristallographie die Struktur der Ribosomen. Dies war unter anderem für die Herstellung von Antibiotika von Bedeutung. Sie erhielt den Preis 2009 zusammen mit dem britischen Strukturbiologen Venkatraman Ramakrishnan und dem US-amerikanischen Molekularbiologen Thomas A. Steitz. In jüngster Zeit widmet sich Ada Yonath der Wirkung von Antibiotika. Sie klärte den Mechanismus von mehr als 20 Antibiotika auf. Das Ziel: Resistenzen durch eine neue Generation von Antibiotika überwinden.
Der Evolution von Enzymen auf die Sprünge helfen
Frances Arnold (* 1954) promovierte nach ihrem Studium in Maschinenbau und Luft- und Raumfahrttechnik in Chemieingenieurwesen. 1993 führte sie die erste gezielte Evolution von Enzymen durch. Ihre Idee: die Natur als „die beste Bioingenieurin der Geschichte“ anzuerkennen und ihre Prinzipien zu nutzen. Mögliche Anwendungen ihrer Entwicklungsarbeit sind beispielsweise die umweltfreundlichere Herstellung von Arzneimitteln und die Produktion erneuerbarer Brennstoffe. Letzteres ist das Spezialgebiet der US-Amerikanerin: Energietechnik. Sie gründete 2005 ein Unternehmen zur Herstellung erneuerbarer Kraftstoffe. Frances Arnold erhielt 2018 als Hauptpreisträgerin den Nobelpreis für Chemie mit dem Amerikaner George P. Smith und dem Briten Gregory P. Winter, die ebenfalls zu gezielter Evolution gearbeitet hatten.
Bahnbrechende Werkzeuge zur Bearbeitung der DNA
2020 ehrte die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften Emmanuelle Charpentier (*1968, Frankreich), Direktorin der Berliner Max-Planck-Forschungsstelle für die Wissenschaft der Pathogene, und Jennifer Doudna (*1964, USA), Molekularbiologin an der University of California. Sie erhielten den Chemie-Nobelpreis für ihre bahnbrechenden Arbeiten zur Genom-Editierung. Dabei geht es um die Bearbeitung der DNA (Desoxyribonukleinsäure, Trägerin der Erbinformation). Die beiden Professorinnen hatten 2012 das von ihnen und ihren Teams entwickelte Gen-Werkzeug CRISPR-Cas9-System beschrieben – einschließlich eines Einsatzleitfadens. Das Werkzeug lässt sich unter anderem in Landwirtschaft, Biotechnologie und Medizin anwenden, etwa, um neue Therapien zu entwickeln.
So funktioniert Gen-Editing:
Molekulare Bausteine effizient zusammenfügen
Bei der Klick-Chemie verknüpfen kurze Verbindungsmoleküle andere, längere Moleküle miteinander – auch wenn sie sonst nicht miteinander reagieren würden. Die Chemiker K. Barry Sharpless (* 1941, USA) und Morten Meldal (* 1954, Dänemark) prägten dieses Konzept unabhängig voneinander. Beide wurden 2022 gemeinsam mit Carolyn R. Bertozzi (*1966) mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Die US-Chemie-Professorin und Spezialistin für chemisches Protein-Engineering sowie Bio-Nanotechnologie entwickelte bioorthogonale (extrem spezifische) Reaktionen, die in lebenden Organismen ablaufen, ohne die normale Chemie der Zelle zu stören. Mit der bioorthogonalen Chemie schuf Carolyn R. Bertozzi ein neues Forschungsgebiet. Die bioorthogonalen Reaktionen werden nun eingesetzt, um Zellen zu erforschen, biologische Prozesse zu verfolgen und die Ausrichtung von Krebsmedikamenten zu verbessern.
So funktioniert Klick-Chemie:
Wissenschaftlerinnen im Dienste der Life Sciences
Die Arbeiten der Chemie-Nobelpreisträgerinnen reichen unter anderem in das Fachgebiet der Molekularbiologie. Sie entfalten ihre Wirkung in vielen Umwelt- und Lebensbereichen. Zumeist ist es der Wunsch, Therapien zu verbessern, der die Wissenschaftlerinnen antreibt. Dies galt im Übrigen schon für die Pionierinnen Marie und Irène Curie. Um verletzte Soldaten und die Ärzte in den Lazaretten zu unterstützen, fuhren Mutter und Tochter mit selbst konstruierten mobilen Röntgengeräten an die Front. Damit untersuchten sie und andere Geschulte ca. eine Million Verwundete.
So wundert es nicht, dass kürzlich auch der Medizinnobelpreis an eine Chemikerin ging: Im Dezember erhielt die Biochemikerin Katalin Kariko (* 1955) ihn von König Gustav II. für ihren entscheidenden Beitrag zur Entwicklung von mRNA-Technologien. Die gebürtige Ungarin wurde übrigens 2013 von Ugur Sahin für Biontech eingestellt. Bis heute ist sie dem Mainzer Unternehmen als Beraterin verbunden.