Simon Horn (25) hat’s geschafft. Der Chemielaborant sitzt in der Chemischen Fabrik Budenheim bei Mainz fest im Sattel. Sein Weg zum Job verlief über Umwege: Nach dem Abi studierte er zunächst zwei Jahre Chemie in Mainz. Dann zog er die Reißleine und stieg als Azubi bei Budenheim ein.
So wie Horn geht es jährlich rund 100.000 Hochschülern bundesweit: Fast jeder Dritte bricht in der Frühphase sein Studium ab, so eine Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. Rheinland-Pfalz bildet da keine Ausnahme. Auch hier stieg die Zahl der Aussteiger an Unis, Fachhochschulen, Verwaltungshochschulen und kirchlichen Hochschulen, 2017 lag die Zahl bei 19.607 Frauen und Männern.
Zu wenig Praxis, zu hohe Leistungsanforderung
Knapp die Hälfte aller Abbrecher verlässt in den ersten beiden Semestern die Hochschule, weitere 29 Prozent im dritten oder vierten Semester. Betroffen sind besonders mathematisch-naturwissenschaftliche Studiengänge mit Quoten von 39 Prozent an Universitäten und 42 Prozent an Fachhochschulen. Grund für den Sinneswandel sind meist unbewältigte Leistungsanforderungen (30 Prozent), mangelnde Motivation (17 Prozent) und der Wunsch nach mehr Praxis (15 Prozent).
Simon Horn fand sein Chemiestudium „zu theoretisch“, die Vorlesungen „zu unpersönlich“. Alexander Staffeld, der mit ihm eine Ausbildung bei Budenheim absolviert hat, probierte erst Architektur aus, dann Biowissenschaften, beides passte nicht. Die Ausbildung fand er dagegen „handfest“, endlich hatte er „ein klares Ziel“ vor Augen. Auch er wurde fest übernommen. Denn Budenheim schätzt solche Bewerber aufgrund ihrer Reife, ihres Wissens, ihrer Organisationsfähigkeit und ihrer Bereitschaft, ihre zweite Chance zu nutzen.
Viele heimische Chemieunternehmen sind an Studienabbrechern interessiert: Grace in Worms und Wakol in Pirmasens bilden derzeit jeweils vier aus. Auch bei der BASF, Renolit, Zschimmer & Schwarz, Rhenoflex oder Polycasa findet man den begehrten Nachwuchs. Der Pharmahersteller Boehringer Ingelheim bei Mainz fordert Studienabbrecher auf seiner Homepage sogar ausdrücklich auf, sich zu bewerben, 13 werden gerade ausgebildet. Das Unternehmen schätzt besonders, dass sie schwächeren Azubis helfen und fachlich wie persönlich oft einen positiven Einfluss auf die Gesamtgruppe haben. Und auch bei Huhtamaki in Alf an der Mosel hat ein ehemaliger IT-Student sein Azubi-Glück gefunden.
Dass sich der Wechsel gerade in die Chemie lohnt, zeigt schon das Gehalt: So verdient ein Chemikant unter 25 Jahren 3.638 Euro brutto im Monat (Vollzeit), ein Kfz-Mechatroniker hingegen nur 2.295 Euro. Die Chemielaborantin kommt auf 3.072 Euro im Monat, die medizinische Fachangestellte nur auf 1.985 Euro.
Fachkräfte haben Vorteile bei der Jobsuche
Studienabbrecher können die Ausbildungszeit mit Glück auf die Hälfte verkürzen (mit Abi und bei guten Leistungen). „Letztlich sind die Jobchancen in Chemieberufen für Fachkräfte mit Berufsausbildung sogar deutlich besser als für Akademiker“, weiß Alexander Burstedde, Experte für Fachkräftesicherung beim Kölner Institut der deutschen Wirtschaft. Laut dem aktuellen „Fachkräftecheck Chemie“ gibt es in 18 von 35 Berufen, die man der chemischen Industrie zuordnet, einen Fachkräfteengpass. „Auch technische Fachkräfte sind sehr gefragt, allen voran in Kunststoff- und Kautschuktechnik, Mechatronik und Automatisierungstechnik.“ Sie seien zudem häufiger fachlich weisungsbefugt und als Führungskräfte tätig als vergleichbare Hochschulabsolventen.
Als Karriereknick empfinden die beiden Ex-Studenten in Budenheim ihre Entscheidung jedenfalls nicht, im Gegenteil: „Die Ausbildung ist keine Sackgasse“, betont Horn. Er will sich zum Meister oder Techniker weiterbilden.
Mehr Infos für Studienabbrecher und Firmen:
ao5.de/studienabbrecher ao5.de/bmbfchancen
https://www.studienabbruch-und-dann.de/
kofa.de/inhalte-von-a-z/ausbildung
Wie ein Studienabbrecher seinen Traumjob in der Chemiebranche gefunden hat, lesen Sie hier.