Eva Opitz weiß, welche Fragen ihre Kollegen bewegen. Was ist der Unterschied zwischen Strom und Energie? Was bedeuten Scope 1, 2 und 3? Und wie können wir unsere Büros umweltfreundlich heizen? Die 38-Jährige hat deshalb ein Glossar angelegt: Viele Begriffe rund um Nachhaltigkeit sind darin enthalten. Zu jedem hat sie erklärt, was genau dahintersteckt. „Ich will die Kollegen beim Thema Nachhaltigkeit mitnehmen“, sagt sie. „Sie sollen verstehen, wie wir agieren und in ihrem Arbeitsalltag selbst entsprechend handeln können.“
Opitz, gelernte Umweltingenieurin, ist für das Nachhaltigkeitsmanagement beim Chemiespezialisten Budenheim verantwortlich. Sie koordiniert, dass in sämtlichen Prozessen immer weniger CO₂ verursacht wird. Und zwar nicht nur am deutschen Standort in Rheinland-Pfalz, sondern an allen acht Produktionsstandorten weltweit von den USA bis China. Dafür gestaltet sie die anstehenden Veränderungen zum Beispiel durch Einführung von Zielvorgaben und konkreten Plänen zur Umsetzung. Es geht um Themen wie den Umstieg auf erneuerbare Energie durch Elektrifizierung bis hin zur großen Strategiefrage: Wie können die Produkte des Unternehmens und seine gesamte Lieferkette nachhaltiger werden?
Talk-Format alle drei Monate
Weil Nachhaltigkeit in allen Unternehmensbereichen integriert werden soll, ist Opitz sehr präsent im Unternehmen. Sie berät Teams in allen Geschäftsfeldern und bespricht, wie die dortigen Arbeitsprozesse grüner werden können. Einmal im Quartal organisiert sie einen „Sustainabilty Dialogue“, bei dem sich alle Mitarbeiter weltweit online beteiligen und auf Englisch zu einem Fokusthema diskutieren können. Weil bei Budenheim der Wandel zu einem nachhaltig agierenden Unternehmen als große Chance gesehen wird, gehört Stefan Lihl, der Geschäftsführer des Unternehmens, zu Opitz' wichtigsten Ansprechpartnern. Und ihre „Sustainability Experts“, wie Opitz sie nennt: die Gruppe der Personen, die an den unterschiedlichen Standorten für Nachhaltigkeit zuständig sind.
Zu den größten Erfolgen, die Opitz in den vergangenen beiden Jahren gesteuert hat, gehört das Photovoltaik-Programm: Jeder Standort hat geprüft, ob und wie sich vor Ort Solarflächen bauen lassen. Insgesamt sieben Anlagen werden bis Ende des Jahres realisiert. “Ich bin immer noch beeindruckt davon, wie schnell wir den Photovoltaik-Ausbau gemeinsam vorantreiben konnten”, sagt Opitz. Das spanische Werk in El Puig hat bereits vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt; etwa 40 Prozent davon produziert der Betrieb selbst.
Am rheinland-pfälzischen Standort sei ein derartiger Anteil an selbstproduzierter grüner Energie nicht realisierbar – dafür fehlt es an geeigneten Flächen für Solaranlagen. Doch auch hier gilt das Ziel, künftig ausschließlich grüne Energie zu beziehen. Umgesetzt wird das schon am jüngst errichteten House of Nutrition, einer Produktionsanlage für Säuglingsnahrung und medizinische Ernährung: In dem Gebäude gibt es keine Gasanschlüsse mehr. „Bei unserer Mission geht es darum, Dinge zu hinterfragen“, erklärt Opitz. „Budenheim gibt es seit 1908. Es wäre doch verrückt, wenn heute noch alles so laufen würde wie vor 100 Jahren. Wir entwickeln uns weiter und sichern so langfristig unseren Erfolg.“
Das Team wächst
Die Aufgabe der Nachhaltigkeitsleiterin ist extrem komplex. Denn es geht nicht nur darum, den CO₂-Verbrauch zu reduzieren und die Lieferketten zu optimieren. Ein großer Teil von Opitz’ Arbeit besteht aus Berichterstattung: Es gilt, gegenüber Behörden und Kunden nachzuweisen, dass Regulierungen eingehalten und Ziele erreicht werden. Dafür müssen große Mengen an Daten erhoben, ausgewertet und Kennzahlen ermittelt werden – etwa Treibhausgasemissionen und Energieverbräuche an allen Standorten weltweit. „Das kann ich selbst mit meinem Vollzeitjob gar nicht schaffen“, sagt Opitz. „Und meine Excelkenntnisse stoßen da auch an Grenzen“, ergänzt sie und lacht. Deshalb wächst ihr Team: Bislang gibt es neben ihr eine Nachhaltigkeitscontrollerin. Nun kommen ein zusätzlicher Nachhaltigkeitsmanager und ein Werkstudent hinzu.
Opitz selbst ist direkt nach ihrem Studium in Bingen zu Budenheim gekommen. „Ich wollte in die Chemieindustrie, um von innen heraus etwas zu verändern“, sagt sie. Nach einigen Jahren im Unternehmen hat sie eine berufsbegleitende Weiterbildung als Nachhaltigkeitsmanagerin gemacht. Sie habe sich schon immer für das Thema interessiert, erzählt Opitz.
Nachhaltigkeit als Chance
Sie weiß, dass die grüne Transformation des Unternehmens den Kollegen viel abverlangt. Viele Arbeitsplätze verändern sich, immer wieder gibt es Schulungen. Doch Opitz ist sicher: „Das wird nicht für immer so weitergehen. Irgendwann haben wir die Wende geschafft und dann gibt es eine neue Normalität.“ Eine Alternative dazu sieht sie nicht: „Unsere Kunden fordern ein, dass wir nachhaltiger werden. Deshalb ist das auch wirtschaftlich der richtige Weg.“