Mein Name ist Oliver Hucke. Ich bin 52 Jahre alt und arbeite bei Boehringer Ingelheim (BI) als Principal Scientist in der Forschung. Genauer: der Computerchemie, die Teil der medizinischen Chemie ist. Das Unternehmen forscht hier in verschiedenen Bereichen an Corona-Wirkstoffen. Ich beschäftige mich vor allem mit der Suche nach chemischen Substanzen, die als Wirkstoffe gegen das neue Virus oder mögliche künftige Varianten zum Einsatz kommen könnten. Neben diesen Aktivitäten ist die Antikörperforschung für Sars-CoV-2 ein wichtiges Arbeitsgebiet bei uns in der Forschung.
Virologische Erfahrung
Ich bin seit 2013 am BI-Hauptforschungsstandort in Biberach tätig. Ich habe in Freiburg Chemie studiert und in biophysikalischer Chemie promoviert. Anschließend habe ich Erfahrungen im Bereich Infektionskrankheiten bei einem Projekt der Weltgesundheitsorganisation zu tropischen Erkrankungen wie Malaria in Seattle gesammelt. Schließlich bin ich zu BI gekommen, allerdings nicht direkt nach Biberach: Zunächst habe ich mich acht Jahre lang in Montreal in der virologischen Forschung mit Hepatitis C und HIV beschäftigt. Vor gut sieben Jahren kam ich zurück nach Deutschland. Wegen meiner Erfahrung in der Virologie bin ich nun zum Corona-Team gestoßen.
Schnellstart
Bei uns begann die Corona-Forschung im Februar 2020 sehr schnell und intensiv. Alle rund 15 Mitarbeiter unserer Computerchemie-Arbeitsgruppe haben sich sofort an die Arbeit gemacht. Wir haben den Firmenpool aus über einer Million Substanzen computerbasiert nach solchen durchsucht, die im Kampf gegen das Virus helfen könnten. Erfahrene Medizinalchemiker haben wichtige Hinweise auf vielversprechende Substanzklassen beigetragen. So konnten wir rund 2.000 Substanzen für die Testung identifizieren.
Potenzielle Therapie
Mit seiner Forschung an potenziellen Corona-Therapien ist BI seit Oktober 2020 einen Schritt weiter: Ein Inhibitor des Ionenkanals TRPC6 ist in die klinische Phase-2-Studie gegangen. Man hat beobachtet, dass dieser Ionenkanal bei Covid-19 so aktiviert wird, dass dies zu Schädigungen des Lungengewebes beitragen kann. Solche Schäden können zu akuter Atemnot führen, die tödlich sein kann. Durch die Hemmung des Kanals wollen wir der Schädigung des Lungengewebes entgegenwirken.
Forschung für die Zukunft
Gefundene Substanzen schnell zu einem Medikament zu entwickeln, ist eine große Herausforderung. Einige unserer Ergebnisse werden also womöglich im Kampf gegen die aktuelle Pandemie gar nicht mehr zum Einsatz kommen. Trotzdem ist diese Arbeit natürlich nicht umsonst: Nach Sars-CoV in den Jahren 2002/2003 und Mers-CoV (entdeckt 2012) ist dies die dritte von Corona-Viren in jüngerer Zeit ausgelöste Krankheitswelle. Es ist also sehr wichtig, sich auch für künftige Pandemien zu wappnen.
Modell-Bastler
Ich erstelle am Computer Modelle für Vorhersagen über die Eigenschaften von Substanzen: Wie löslich sind sie? Wie gut werden sie absorbiert? Wir modellieren, wie wir mit kleinen Strukturveränderungen an Molekülen ihre Eigenschaften so verbessern, dass sie zu Wirkstoffen und Medikamenten werden könnten. Dabei nutzen wir sowohl Verfahren, die auf molekularen 3-D-Strukturen beruhen, als auch maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz. Mit den Kollegen, die im Labor mit den Substanzen arbeiten, finden wir so den schnellsten Weg zu den besten Molekülen.
Internationale Zusammenarbeit
BI ist Teil von globalen Entwicklungsinitiativen wie dem Konsortium CARE. Im Rahmen von CARE kooperieren wir mit 36 Partnern, darunter Unternehmen und akademische Einrichtungen, um neue Wirkstoffe und Medikamente gegen Corona zu finden. Alle bringen ihre Kompetenzen ein. Wir arbeiten etwa eng mit der Universität in Leuven zusammen. Dorthin schicken wir unsere Substanzen zur Testung. In einem voll automatisierten Screening-Set-up wird dann untersucht, ob sie lebende Zellen fünf Tage gegen Angriffe des Virus schützen. Wir haben bereits aktive Substanzen gefunden, die wir jetzt mit CARE weiterverfolgen.
Spannende und abwechslungsreiche Karrieren bei Chemie und Pharma in Rheinland-Pfalz.