Arbeiten in der Chemie

„Beim Leder lernt man nie aus“

· Lesezeit 4 Minuten.
 „Beim Leder lernt man nie aus“

Ich bin Albert Müller, 47 Jahre alt und Ledertechniker bei Trumpler in Worms. Wir produzieren Lederhilfsmittel, also Chemikalien, mit denen man Tierhäute behandelt, damit daraus Schuhe oder Autositzbezüge entstehen können. Ich bin dafür zuständig, mit unseren Kunden, den Gerbereien, die richtigen Rezepturen zu finden, um aus einer Haut das Leder mit den gewünschten Eigenschaften zu machen.

Was das Gerben angeht, bin ich familiär vorgeschädigt: Mein Großvater war Gerber, mein Vater auch. Ich habe schon als Kind in der Garage eine Wühlmaushaut gegerbt. Aufgewachsen bin ich in Brasilien, wo mein Vater zuletzt gearbeitet hat. Später sind wir nach Aachen gezogen. Eigentlich wollte ich wieder auswandern, bin aber 1995 wegen meiner damaligen Freundin nach Worms und zu Trumpler gekommen. 2018 wird unser Unternehmen 150 Jahre alt. Wir sind 80 Mitarbeiter am Standort, darunter zwölf Ledertechniker.

Karriere

Ich habe eine dreieinhalbjährige Ausbildung zum Gerber gemacht, war eineinhalb Jahre als Geselle in Portugal und habe zwei Jahre lang meinen Ledertechniker in Reutlingen drangehängt. Heute heißt die Ausbildung „Fachkraft für Lederherstellung und Gerbereitechnik“ und dauert drei Jahre. Der Weg zum Techniker führt über einen Industriemeister und eine zehnmonatige Weiterbildung an einer Fachschule in Freiberg. Und die Perspektiven sind super: Wir suchen händeringend Leute!


Vorbehandlung

Wir haben in Worms eine Versuchsgerberei, in der wir unsere Rezepturen testen. Dabei durchlaufen die Häute viele Arbeitsschritte. Die rohen Häute werden erst im Entfleischer gesäubert, dann gespalten und nach weiteren Prozessen mit Chrom vorgegerbt. So entstehen die sogenannten Wet Blue, leicht bläulich gefärbte Häute. Ich bin ehrlich: Die Gerberei stinkt. Und schon dieser Geruch schreckt viele Menschen ab.

@ Sandro.com

Nasszurichtung

Wet Blue sind der Ausgangspunkt für jedes Leder. Danach beginnt die Nasszurichtung. In Fässer kommen die Häute und dazu Chemikalien, die deren Eigenschaften beeinflussen: Fettungsmittel, Gerbstoffe und Farbstoffe. Die bestimmen etwa die Wasserdurchlässigkeit, die Haptik und Farben des Leders, das nach diesem Schritt Crust heißt. In unsere Versuchsfässer passen drei Häute – beim Kunden können es 300 sein. Und je nach Qualität kann der Inhalt so eines Fasses einen Wert von mehreren 100.000 Euro haben.

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Zurichtung

Im letzten Schritt erhält das Crust seine Oberflächenbeschaffenheit. Da wird nicht mehr mit Flüssigkeiten gearbeitet, sondern zum Beispiel mit Sprühtechnik zum Imprägnieren. Und wir beseitigen Fehler wie die durch Mückenstiche. Für die Zurichtung gilt: Beim Leder lernt man nie aus, jedes ist anders. Und theoretisch kann man aus allem alles machen. Von unseren Kunden wissen wir immer schon, welche Beschaffenheiten und Farben in der übernächsten Saison „in“ sein werden. Zu den „Marktanteilen“ kann man sagen: 66 Prozent allen Leders stammen vom Rind, 15 Prozent vom Schaf, 11 Prozent vom Schwein. Der Rest von Ziegen – oder Exoten wie Strauß oder Stör.

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Tests

Die zugerichteten Leder unterziehen wir verschiedenen Tests. Im Maeser werden sie unter Wasser 20.000 Mal geknickt, um ihre Wasserdurchlässigkeit zu prüfen. Wir haben auch Maschinen, die Reißfestigkeit testen. Und Ölbäder, die wir erhitzen: So prüfen wir, ob und wie viel ein Leder für Autositze ausdünstet, wenn es heiß wird.

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Rezepturen

Ich arbeite eng mit den Kollegen in der Entwicklung zusammen, was neue Substanzen angeht. Es gibt ganze Stoffgruppen, die noch Potenzial bieten, Silikone und Harze zum Beispiel. Unsere Herausforderung ist es, die Rezeptur zu finden, die den Kundenwunsch erfüllt. Als Ledertechniker muss ich also nicht nur Chemie beherrschen. Ich brauche Biologie, um die Eigenschaften verschiedener Tierhäute zu beurteilen. Ich brauche Technik, um die Gerbereimaschinen zu verstehen. Und ich brauche BWL, damit die Kalkulationen für uns und den Kunden stimmen.

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Reisen

Weil die meisten Gerbereien im Ausland sind, reise ich sehr viel. Ich war schon in Ägypten, China, Vietnam, Thailand, Taiwan, Venezuela, Brasilien, Argentinien, Mexiko, Indien… Fremdsprachen sind enorm wichtig in meinem Job. Es geht um Erfahrung und darum, Vertrauen zum Kunden aufzubauen. Ich muss mit ihm auf Augenhöhe reden, sonst folgt er meinen Empfehlungen nicht. Durch all das ist mein Beruf nie monoton, sondern bunt: Es gibt immer neue Herausforderungen, ich lerne viele Länder, Menschen und Kulturen kennen.

Hier erfahren Sie, wie ein Betriebsratsvorsitzender arbeitet.

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