Freiraum für Ideen ist toll. Aber damit sie Wirklichkeit werden, braucht es einen Rahmen, der festlegt, was wie überhaupt möglich ist. Das weiß jeder, der mal seine Kinder gefragt hat, was sie essen oder wohin sie in Urlaub fahren wollen – und der dann die Tränen laufen sah, als er Pommes und Disneyland ablehnte.
So gesehen ist Gideon Rath der Spielverderber-Vater bei Budenheim: Der Innovation Manager hat für alle weltweit 1 200 Mitarbeiter des Chemieunternehmens einen Prozess aufgesetzt, der klare Vorgaben macht, wie Neuerungen entstehen und vor allem, welche das sein sollten. Budenheim war lange erfolgreich als Produzent von Phosphatspezialitäten für die Lebensmittel- und Pharmaindustrie sowie technische Anwendungen. „Basierend auf dieser über 100-jährigen Expertise bauen wir unser Produktportfolio stetig aus und entdecken manchmal ganz neue Anwendungsfelder“, sagt Rath. Vielfältige Bereiche, in denen vieles möglich wäre. „Aber wir sind immer bedürfnisgetrieben: Wir schauen, was der Markt braucht, unsere Innovationen sind garantiert kundenrelevant.“
Entscheidend: Kundenbedürfnis und Umsatzprognose
Am Anfang des mehrstufigen Prozesses, der als Übersicht in kompakter Form auf ein DIN-A3-Blatt passt, steht das Bedürfnis eines Kunden. Es folgt eine Analyse, die anhand der vermuteten Nachfrage entscheidet, ob ein Markt ausreichend attraktiv ist. Sind die Ergebnisse von Schritt eins und zwei zufriedenstellend, prüft Budenheim sein Produktportfolio: Ist eine Neuentwicklung nötig? Genügt die Anpassung eines bestehenden Produkts und/oder von dessen Fertigungsprozess?
Bringen Budenheim-Mitarbeiter aus Kundengesprächen Ideen mit oder haben sie selbst welche, hinterlegen sie sie auf einer Online-Plattform. Dort durchlaufen sie die Prüfschritte, bis sie umgesetzt oder geparkt werden. „Jeder kennt diesen Prozess“, betont Rath und unterstreicht die strategische Bedeutung: „Ich weiß von Unternehmen, die mehr als ein Dutzend Wege haben, wie sie Ideen kanalisieren. Wir aber investieren in nichts Ressourcen, das nicht diesen einen Weg gegangen ist.“
Ein zukunftsträchtiges Geschäftsfeld sind Beschichtungen für Implantate. Michael Wagner ist als Innovation & Application Development Manager auf Lösungen für medizinische Anwendungen spezialisiert: „Früher hat man Implantate in den Knochen zementiert. Das war häufig mit Nebenwirkungen verbunden. Außerdem musste der Knochen ausgehöhlt werden. Chirurgen wollten Alternativen, und schließlich entstand ein Verfahren mit beschichteten Implantaten.“ Es nutzt Hydroxylapatit, ein Calciumphosphat, das dem Knochenaufbau sehr ähnlich ist und sicherstellt, dass Implantat und Knochen zusammenwachsen.
Zukunftsmarkt Medizintechnik
Mit dieser Substanz hatte Budenheim Erfahrung, verkannte deren Potenzial aber anfangs. „Vor etwa zehn Jahren haben wir dann die Kontakte zu den Medizintechnikherstellern intensiviert und gefragt, was wir verbessern könnten, um in ihre Prozesse zu passen. So haben wir uns nicht nur als Produzent, sondern als innovativer Entwickler etabliert“, erzählt Wagner. Nach einer positiven Marktanalyse begann Budenheim, die Verfahren für seine Spezialbeschichtungen auf die Herstellerbedürfnisse anzupassen: „Das ist ein Megatrend, weil immer mehr ältere Menschen Implantate benötigen werden“, sagt Wagner. „Und aufgrund unserer jahrzehntelangen Phosphatexpertise waren wir gut gerüstet.“ Im Zuge der Entwicklung veränderte Budenheim Verfahrenstechnik und Produktionsprozesse, wechselte Rohstofflieferanten und investierte in die Qualitätssicherung.
Einige Beschichtungen sind im Einsatz, andere noch in der Entwicklung, denn Innovationen im Medizinbereich dauern: Hat Budenheim seinen Teil getan, folgen klinische Studien, die eventuell weitere Anpassungen nach sich ziehen. Auch wollen Kunden unterschiedliche Beschaffenheiten oder nutzen verschiedene Verfahren zum Auftrag der Beschichtungen. All dies muss Budenheim nachvollziehen. Aber das Dranbleiben lohnt sich: „Innovationen machen uns zukunftsfähig“, sagt Rath.
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