Arbeiten in der Chemie

Spezialchemie aus Lahnstein

· Lesezeit 4 Minuten.
Foto: Jan Hosan
Foto: Jan Hosan

Bezeichnet man einen Menschen als „Spezialisten“, dann, weil er eine Sache, vielleicht auch zwei oder drei gut kann. Bezeichnet man das Lahnsteiner Chemieunternehmen Zschimmer & Schwarz (Z&S) als Spezialisten, geht es um andere Größenordnungen: Zwischen 800 und 900 Produkte aus rund 1 000 Rohstoffen entstehen allein am Stammsitz, in der international agierenden Firmengruppe sind es weit über 1 500 Produkte. „Wir bewegen uns in Nischen, die zusammen einen interessanten Markt ergeben“, sagt Finanzgeschäftsführer Dietmar Clausen. Und der technische Geschäftsführer Wolfgang Nowak ergänzt: „In der Chemie gibt es 90 Prozent Standardanwendungen – und 10 Prozent Spezialanwendungen, bei denen unsere Problemlösungskompetenz gefragt ist.“ Das spiegelt der Claim des Unternehmens: „Chemie nach Maß“.

© Jan Hosan
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„Wir sind überall im Alltag“

Der Erfolg gibt dem Ansatz recht. Z&S wächst kontinuierlich: die Mitarbeiterzahl auf mehr als 1 300, davon 800 in Deutschland; der Umsatz allein seit 2012 um rund ein Drittel auf zuletzt etwa 600 Millionen Euro. Auch durch Zukäufe, die den Produktkatalog ergänzen. Dabei folgt das Unternehmen einem Plattformmodell, wie man es aus dem Automobilbau kennt, jedoch deutlich feiner ziseliert: „Unsere sieben Geschäftsbereiche stehen für sieben Kundengruppen oder Märkte“, erklärt Clausen. Zurzeit sind das Care Specialities (Kosmetikprodukte, Reinigungs- und Schmiermittel), Leder-, Keramik-, Faser- und Textilhilfsmittel sowie Phosphonate und Polymere. „Für diese stehen uns als Plattformen bestimmte Technologien zur Verfügung“, sagt Nowak. „Auf deren Basis erzeugen wir Produkte – chemische Moleküle mit bestimmten Eigenschaften: die eine Oberflächenspannung reduzieren oder erzeugen, die die Absorptionsfähigkeit steigern …“ Z&S-Produkte lassen etwa Shampoo schäumen und werden bei der Herstellung von Lederschuhen und -sitzen zur Fettung eingesetzt. „Und bei der Keramik sind wir mit unserem Produktangebot Weltmarktführer“, sagt Clausen: „Hier stellen wir Additive für alle Sparten der keramischen Industrie sowie für die Bereiche Glas und Pulvermetallurgie her.“ Der Endkunde begegnet dem Namen Z&S nicht: Die Produkte des Unternehmens sind kleine, aber bedeutende Teile der Fertigungskette und stecken in Markenprodukten wie Autos, Möbeln und Kosmetik. „Wir sind überall im Alltag“, betont Clausen.

Dem Kunden Vorteile verschaffen

Wie speziell die Anwendungen sind, skizziert er an zwei aktuellen Projekten. So ist Z&S Mitglied in einem Konsortium, das den Einsatz von Karbonfasern als Baustoff erforscht: Sie sollen den Stahl im Stahlbeton ersetzen. Dazu brauchen sie eine Beschichtung als Bindeglied zwischen Karbonfasern und Beton, die sehr temperaturund chemikalienbeständig sein muss. Diese Beschichtung entwickelt das Traditionsunternehmen, das 2019 seinen 125. Geburtstag feiert. Mit einem Stahlhersteller erprobt Z&S eine wasserbasierende Beschichtung als Ersatz der herkömmlichen Verarbeitungsadditive auf Ölbasis. „Dazu haben wir ein Polymer-Wachs-Verfahren entwickelt, bei dem die Beschichtung sehr schnell trocknet“, beschreibt Clausen. „So verschaffen wir dem Kunden einen Vorteil. Und darum geht es bei all unseren Spezialitäten.“

© Jan Hosan
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Die Vielfalt der Produkte erfordert einen hohen Aufwand in Produktion und Logistik. In den Z&S-Betrieben wird mal im Batch-Verfahren, mal kontinuierlich produziert. Rund 130 000 Tonnen entstehen allein in Lahnstein jedes Jahr, das Hochregallager verfügt laut Produktionsleiter Markus Gemmerich über 12 000 Stellplätze. Ein Großteil der Produkte geht ins Ausland: „Unsere Exportrate liegt bei etwa 80 Prozent“, erklärt er bei einem Werkrundgang. Jeden Tag werden bei Z&S bis zu 40 Lkws be- und entladen. Noch parken sie am Rand der nach Firmenmitgründer Max Schwarz benannten Straße. Im Jubiläumsjahr aber will das Unternehmen auf der gegenüberliegenden Straßenseite Lkw-Warteplätze eröffnen. Zusätzlich entsteht dort ein neues Verwaltungsgebäude. So schafft Z&S Raum für die Entwicklung vieler neuer Spezialitäten.

Mehr Chemie im Alltag gibt´s in unserer Rubrik Wissenschaffer, mehr Markt- und Innovationsführer aus Rheinland-Pfalz finden Sie in Made in Rheinland-Pfalz.

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