Wer schon einmal einen Ofen befeuert hat, weiß: Der frisst jede Menge Energie. Und erst recht dieser Koloss beim Chemieunternehmen Solvay in Bad Hönningen: Der sogenannte Drehrohr-Ofen ist 70 Meter lang, hat einen Durchmesser von 3,30 Meter, wiegt 890 Tonnen und brennt 1.200 Grad heiß. „Hier Energie einzusparen, das hat mich von Anfang an gereizt“, sagt Uwe Lazer, Energiemanager am Standort (220 Mitarbeiter).
Nun ist Energiesparen keine neue Herausforderung für die Chemiebranche. In diesem Fall allerdings ist die Sache besonders kniffelig: „An der Außenwand des Ofens beträgt die Temperatur 300 Grad. Bringt man hier auf das Rohr eine Isolierung an, wird es zu heiß, und der Stahl schmilzt“, erklärt der gelernte Verfahrensingenieur.
Niedrigere Temperaturen im Ofen kommen auch nicht infrage: „Wir brauchen die Hitze für die Reaktion unserer Produkte.“ Der Betrieb ist auf die Herstellung von Barium- sowie Strontiumcarbonat spezialisiert. Die stecken in hochwertigen Dauermagneten sowie in Alltagsprodukten aus Glas und Keramik.
Energiesparprogramm „Solwatt“
Viele Male hat Lazer das Problem durchdacht. Und am Ende eine geniale Lösung gefunden: „Wir isolieren den Ofen jetzt von innen her Stück für Stück mit einem speziellen porösen Stein“, verrät der 39-Jährige. Innen ist das Ofenrohr zwar bereits mit feuerfesten Steinen ausgekleidet, auf denen der Rohstoff entlanggleitet und die den Mantel vor Verschleiß schützen. Die isolieren allerdings nicht. Und nutzen sich ab, weshalb man sie alle zwei bis drei Jahre erneuert. „Wenn das ansteht, setzen wir nun zwischen diese Schicht und die Außenwand einen weiteren Stein, der die Wärme hält“, erklärt der Ingenieur.
Die Lösung fiel nicht vom Himmel, sondern war das Ergebnis eines langen Prozesses. Angestoßen hat ihn das konzerneigene Energiesparprogramm „Solwatt“, das 2011 als Pilotprojekt startete. Inzwischen hat es nahezu jeder Solvay-Standort absolviert, auch externe Firmen können es buchen. Das Ziel: „Wir wollen die Energiekosten unserer Werke um 10 Prozent senken. Und so auch CO2, also Treibhausgas, einsparen“, fasst es Lazer zusammen.
Alle Maßnahmen sollen sich innerhalb von drei Jahren auszahlen. Kernpunkte sind eine technische Analyse, die Entwicklung von Energieindikatoren sowie die Einstellung und das Verhalten der Mitarbeiter.
„Nicht alles erbringt das erwartete Resultat. Das ist schon ernüchternd“
In Bad Hönningen bat das eigens angereiste internationale Solwatt-Team zunächst alle interessierten Mitarbeiter an den runden Tisch. Und sammelte sämtliche Geistesblitze. „Das waren mehr als 300 Ideen“, sagt Lazer. Die wurden geprüft und bewertet, am Ende blieben 66 übrig.
Umgesetzt wurde zunächst alles, was nichts kostet – zum Beispiel in leeren Räumen das Licht ausschalten und die Heizung runterdrehen. Dann folgten kleinere, aber schnell umsetzbare Maßnahmen. Manche funktionierten nicht oder brachten nicht das erwartete Resultat, „das war schon ernüchternd“, räumt der Manager ein. Andere Ideen erwiesen sich dagegen als großartig. Wie diese hier: „Wir haben viele Ventile, die einen Stahlblechmantel mit Isolierung haben. Der Nachteil hierbei ist das sehr aufwendige Montieren oder Demontieren“, berichtet Oliver Hoffmann, Meister im Kesselhaus. „Jetzt aber schützen ‚textile Mäntelchen‘ diese Ventile, die bei Revisionsarbeiten nur wenig Aufwand für uns bedeuten und damit gleich in zweifacher Hinsicht effektiver sind.“
„Ampelsystem“ in der Messwarte
Zuletzt folgten große Projekte wie der Ofen. „Wir haben erst acht Meter isoliert und sparen bereits 3 Prozent der Braunkohle ein, mit der wir unsere vier Öfen heizen. Das ist beeindruckend“, strahlt Lazer. Auf seinem Rechner kontrolliert er akribisch, wo das Werk auf seinem Einspar-Weg steht.
Stolz ist der Energiemanager auf ein Ampelsystem, das auf den Bildschirmen in der Messwarte zum Beispiel anzeigt, wenn die Trockner zu viel Gas ziehen. Außerdem schult der Ingenieur Mitarbeiter in Sachen Energie und vernetzt sich mit den anderen Solvay-Standorten zum Erfahrungsaustausch.
Lazer ist zuversichtlich, dass sich die geforderten 10 Prozent am Ende einsparen lassen werden. Und dann? „Geht es weiter“, sagt er lächelnd. Denn die zweite Energiespar-Runde steht bereits vor der Tür.
Wie im Land Energie produziert und verbraucht wird und wie wichtig sie als Kostenfaktor für die Chemie ist: die Zahlen und Fakten. Was andere Firmen tun, um die Stromkosten zu senken, haben wir hier zusammengestellt.