Arbeiten in der Chemie

Finzelberg in Andernach: Wie aus Pflanzen Medizin wird

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Finzelberg in Andernach: Wie aus Pflanzen Medizin wird
Nass: René Roth-Ehrang an einem der Verdampfer, die das Lösemittel aus dem Extrakt ziehen. Gerade in Arbeit: Rosskastanie (Foto nachgestellt). Foto: Jan Hosan

Plötzlich steht man vor den „Drogenbefüllkammern“. Seit Betreten der Finzelberg-Hallen in Andernach hat ein Geruch in der Luft gelegen zwischen anregend und beruhigend. Aha, Drogen also! Betriebsleiter Dietmar Kaiser schmunzelt nur kurz, er kennt die Verwunderung: „Droge heißt letztlich nichts anderes als getrocknete Pflanze.“ Und damit kennen sie sich hier in Andernach aus: mit Wirkstoffen aus getrockneten Pflanzen. Seit 1875 extrahiert Finzelberg sie und verkauft sie an Produzenten von Arznei- und Nahrungsergänzungsmitteln.

Dahinter steckt Kompetenz für Heilpflanzen, nicht für Rauschpflanzen. Auch wenn der freimütige Umgang mit dem Drogen-Wort ihnen schon einen Kripoeinsatz beschert habe, erzählt Kaiser. Damals hatte ein Kollege einen Handwerker angerufen, der etwas im „Drogenlager“ erledigen sollte. Tatsächlich lagern dort zerkleinerte Rosskastanien und Baldrian, Ginseng und Melisse, Teufelskralle und Johanniskraut. Diese Rohstoffe bezieht Finzelberg von Martin Bauer. Dem fränkischen Unternehmen ist man im Firmenverbund "the nature network" verbunden. Der deckt die komplette Wertschöpfungskette aus Pflanzen ab, vom Anbau bis zur Verarbeitung für Arzneien und Tees oder als Farb- und Geschmacksstoffe. 6.000 Tonnen Pflanzen hat Finzelberg 2018 verarbeitet und mit den Extrakten knapp 80 Millionen Euro umgesetzt, 13 Prozent mehr als 2017. Auch fürs laufende Jahr stünden die Zeichen auf Wachstum, sagt René Roth-Ehrang, Mitglied der Geschäftsleitung: „Wir profitieren vom Trend zur Natürlichkeit. Unsere Wirkstoffe werden nachgefragt, weil sie nicht schnell, aber nebenwirkungsfrei funktionieren.“ Viele Wirkstoffe haben eine lange Tradition und sind zudem durch zahlreiche Studien hinsichtlich ihrer Wirksamkeit belegt, etwa jene des Baldrians für Entspannung und Entkrampfung.

Von jeder Rohstofflieferung wird anfangs eine Probe gezogen, von der wiederum ein chromatografisches Abbild erstellt wird, ein charakteristisches Profil der Pflanze. Entspricht das nicht dem im Arzneimittelbuch hinterlegten Profil, ist der Rohstoff unbrauchbar. Gegen dieses Abbild und anhand weiterer Qualitätsvorgaben wird auch der fertige Extrakt geprüft. Wobei klar ist: Die Qualität fängt beim pflanzlichen Rohstoff an und ist Resultat der sorgfältigen Fertigung.

Innovationen sind teuer

Solche Anforderungen machen die Extraktion aufwendig. Als Geschäft aber ist sie zugleich berechenbar: Finzelberg-Extrakte stecken in Arzneien wie Wärmepflastern, einem Hustensaft sowie Tropfen gegen Magenbeschwerden – bekannte und bewährte Produkte. Denn Innovationen bei Pflanzenarznei seien teuer und rar, sagt Roth-Ehrang: „Geht es um eine neue Arznei aus einer neuen Pflanze, sprechen wir über einen zweistelligen Millionenbetrag. Der lässt sich kaum einspielen, weil es keine Alleinstellungsmerkmale gibt, wegen derer man hohe Preise aufrufen könnte, wie es die klassische Pharmazie tut.“ Wachstum geschehe eher über „die Auffrischung alter Schätzchen“, also die Wirkungsforschung an bekannten Pflanzen. Zudem wächst der Absatz von Nahrungsergänzungsmitteln. So hat Finzelberg jüngst nachgewiesen, dass ein Extrakt aus dem Griechischen Bergtee die Gedächtnisleistung fördert; ein Kunde will ihn dieses Jahr in den US-Markt einführen. Ebenfalls diskutiert, aber wegen hoher Sicherheitsanforderungen und Kosten verworfen: Cannabis. Für die Kripo wird Finzelberg eine Enttäuschung bleiben.

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