Bisher hat die Medizin gegen das neue Coronavirus kaum etwas in der Hand. Weder einen Impfstoff noch ein Medikament. Doch es gibt Chancen, dass sich das rasch ändert. In nicht gekanntem Tempo treiben Wissenschaftler die Forschung an dem Virus voran, berichtet Professor Stephan Becker vom Institut für Virologie der Universität Marburg: „Wohl noch nie haben Forscher in so kurzer Zeit so viel Wissen über einen neuen Krankheitserreger erarbeitet.“
Schon 140 klinische Studien
Schon jetzt arbeiten Dutzende Wissenschaftlerteams an Impfstoffen oder Medikamenten gegen die Seuche. ClinicalTrials.gov, die weltgrößte Datenbank für medizinische Studien, listete am 26. März weltweit bereits 140 geplante oder laufende klinische Prüfungen auf. Und fast täglich werden es mehr. Besonders schnell waren zwei US-Unternehmen: Die Biotechfirma Moderna startete bereits einen Impfstofftest, und Gilead Sciences legte mit der Erprobung eines neuen Wirkstoffs an 1.000 Patienten los. Und das in nur drei Monaten nach Bekanntwerden erster Krankheitsfälle.
„Die Impfstoffentwicklung braucht heute anders als früher nicht mehr Jahre“, sagt Virologie-Professor Becker. Möglich ist das, weil Wissenschaftler Impfstoffe heute biotechnisch herstellen. Sie verwenden lediglich Erbgutteile des zu bekämpfenden Virus für die Impfung. Nach der Injektion in den Körper rufen diese Schnipsel die Bildung ungefährlicher Viruseiweiße hervor, die dann die Immunabwehr scharf machen.
Mit der Methode hat auch das Mainzer Start-up Biontech einen Erbgutimpfstoff entwickelt. Das Unternehmen hat bereits die Zulassung erhalten, mit ersten klinischen Prüfungen eines Produktkandidaten loslegen. Biontech arbeitet dafür mit Fosun Pharma als Partner in China zusammen; Fosun soll den Impfstoff später dort vermarkten. Außerhalb Chinas will Biontech hingegen mit dem US-Pharmaunternehmen Pfizer kooperieren.
Impfung wohl in einem Jahr
Übertriebene Hoffnungen bremst Experte Becker jedoch. Auch wenn vieles heute schneller gehe, „die Sicherheit einer Impfung muss gewährleistet sein. Deshalb wird es wohl ein Jahr dauern, bis ein Präparat auf den Markt kommt.“
Solange es noch keinen Impfschutz gibt, könnten Arzneien Corona bekämpfen oder zumindest lindern. Als ein Hoffnungsträger gilt hier der Wirkstoff Remdesivir der US-Pharmafirma Gilead Sciences. Auch das Malariamittel Chloroquin von Bayer wird nun auf seine Eignung geprüft. Zudem haben sich 15 große Pharmakonzerne zusammengetan, um ihre Kräfte bei der Entwicklung von Medikamenten, Impfstoffen und Diagnostika zu bündeln. Mit dabei sind Boehringer Ingelheim, Merck sowie Sanofi aus Frankreich. Zunächst wollen sie Moleküle aus ihren internen Datenbanken gegen das Virus testen.
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