Der Mittelrhein ist berühmt für Wein. Dabei birgt die Region auch unter der Oberfläche einige Schätze. Zum Beispiel natürliche Kohlensäure. Da kann die Chemie was draus machen, dachte sich Walther Feld: Vor 130 Jahren gründete der Neuwieder Chemiker im benachbarten Bad Hönningen eine Chemiefabrik, die bis heute Bariumcarbonat und weitere Carbonate herstellt. Heute gehört sie zur Solvay-Gruppe.
Lastwagen fahren an den historischen Ziegelbauten des Betriebsgeländes vorbei. Sie transportieren unter anderem Kohle vom firmeneigenen Rheinhafen zu den Silos. In ihnen wird aus der Kohle, dem Mineral Schwerspat beziehungsweise Coelestin und Kohlendioxid der kohlensäurehaltigen Thermalquellen in Bad Hönningen und Bad Breisig Barium- und Strontiumcarbonat produziert.
Bariumcarbonat macht wetterfest
Die beiden Carbonate sind neben den Persalzen für Waschmittel der zweite Unternehmensbereich am 245 Mitarbeiter starken Standort. Bariumcarbonat wird vor allem als Grundstoff für Hochqualitätsgläser wie Kameralinsen sowie für die Witterungsbeständigkeit von Ziegeln und Klinkern gebraucht. Strontiumcarbonat findet sich in Bildschirmgläsern und den Permanentmagneten kleiner Elektromotoren, etwa in den unzähligen Kleinmotoren in Autos und Waschmaschinen. Als Koppelprodukt fällt Schwefel an, das die Reifenindustrie als Vulkanisationsmittel nutzt.
Ursprünglich wurde über Bariumperoxid, das bei der Produktion von Bariumcarbonat anfällt, auch Wasserstoffperoxid zur Persalzproduktion gewonnen. Persalze nutzt die Waschmittelindustrie als „aktiven Sauerstoff“ zur umweltfreundlichen Fleckenentfernung in Waschmittelpulver oder Spülmaschinentabs. „Heute beziehen wir das Wasserstoffperoxid aus unseren Produktionsstätten in Europa, vor allem aus Bernburg in Sachsen-Anhalt. Das gilt auch für den zweiten wichtigen Rohstoff Natriumcarbonat, das auch als Soda bezeichnet wird“, sagt Manfred Mathes, Betriebsleiter des Unternehmensbereichs Persalze.
Am Bad Hönninger Standort verleibt sich die über Schienen- und Schifffahrtsanbindung mit der Welt vernetzte Produktion wie ein riesiger Organismus aus Silos, Türmen, Öfen, Förderbändern, Rohren, Hallen und Schloten die Rohstoffe ein. Sie werden verarbeitet, über Qualitätskontrolle und Weiterverarbeitung geschickt, bis die Pulver und Granulate schließlich abgefüllt in Säcken auf ihre Auslieferung rund um den Globus warten.
Ihre Produkte begegnen uns jeden Tag
„Ob in Brasilien, wo ich herkomme, oder hier in Deutschland: Es ist unglaublich, wo unsere Produkte weltweit drinstecken“, sagt Marcelo Ferreira-Dinardi, Betriebsleiter Barium- und Strontiumcarbonate. „Wenn wir in unser Auto einsteigen und das Fenster öffnen: Der Elektromotor läuft mit unseren Produkten. Wenn wir zu Hause das Waschbecken oder eine Kamera benutzen: Die Beckenglasur enthält unsere Produkte genauso wie die Kameralinse.“
Doch kaum einer kennt sie, denn auf kaum einem Endprodukt sind die Carbonate made in Rheinland-Pfalz explizit aufgeführt. Stecken sie irgendwo drin, kommen sie in den allermeisten Fällen aus Bad Hönningen, wie Geschäftsführer Erik Bonmann sagt: „Wir sind die einzigen Produzenten für Strontium- und Bariumcarbonat in Europa.“
Die wenigsten Bewerber auf Stellenanzeigen kämen aber wegen der Produkte zu Solvay. „Für die meisten ist die Region ausschlaggebend“, stellt Bonmann fest. Doch auch, wenn die Gegend mit Wein und Thermalquellen ziemlich reizvoll ist: Besonders Chemikanten und Industriemechaniker dürften sich gerne noch stärker für den Solvay-Standort am Mittelrhein interessieren.
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