Die Jugend soll die Industrie 4.0 beflügeln. Wie aber klappt das im Alltag? Sind die Firmen technisch gerüstet, die Ausbilder virtuos im Umgang mit digitalen Lernmedien, die Azubis heiß aufs virtuelle Pauken? Das weiß Dirk Werner (53), Ausbildungsexperte am Institut der deutschen Wirtschaft.
Ist der digitale Wandel in der Ausbildung angekommen?
Zwischen den Firmen liegen Welten! Manche sind hochmodern, in anderen hängen noch vergilbte Plakate in der Lehrwerkstatt. Es gibt digitale Nachzügler, etwa jeder vierte, fünfte Betrieb. Es folgt das große Mittelfeld, an der Spitze liegen knapp 30 Prozent – die digitalen Vorreiter.
Kann die „Generation Z“ digital nicht schon alles?
Schön wär’s. Sie sind zwar mit digitalen Technologien wie Smartphone, Internet und Tablet aufgewachsen und digital affin. Doch sie sind nicht ohne Weiteres in der Lage, dieses Wissen in der beruflichen Ausbildung zu verwerten. Da sind wir bei der Medienkompetenz: Junge Leute sind zwar unglaublich schnell, wenn es darum geht, ein YouTube-Video zu finden. Doch zu selten können sie beurteilen: Stimmt das, was ich im Internet gefunden habe? Kann ich es weiterempfehlen? Hilft es mir weiter? Diese kritische Reflexion wird im Arbeitsleben immer wichtiger.
Was sollten Ausbilder heutzutage denn so generell draufhaben?
Sie sollten sich ständig mit den neuesten Technologien vertraut machen. Was passiert in meiner Firma? Wie digital ist die Branche? Wie können wir innovativ bleiben? Bei Firmen, die hier technologisch hinterherlaufen, wird die Zusammenarbeit mit der Berufsschule umso wichtiger.
Müssen alle mitmachen?
In diesem Jahr werden neue Ausbildungsinhalte für alle Berufe verbindlich: Alle Auszubildenden lernen etwas über die „digitalisierte Arbeitswelt“. Es geht um Datenschutz, Datensicherheit, Medienkompetenz, wie wir digital miteinander kommunizieren und selbstständig digital lernen. In den industriellen Metall- und Elektroberufen gibt’s das bereits, Chemikanten haben die Wahlqualifikation „Digitalisierung und vernetzte Produktion“.
Wie wird man digitaler?
Gestandene Ausbilder haben didaktisch was drauf, auch eine Unterweisung hat künftig ihren Stellenwert. Aber mit neuen Methoden kann ich Azubis mehr motivieren, ich kann sie da abholen, wo sie ohnehin unterwegs sind. Und verschiedene digitale Kanäle anwählen, digitale Lernwerkzeuge nutzen – genauso selbstverständlich wie früher Tafel und Stift. Bücher lassen sich in PDFs umwandeln: Sind die Azubis mit einem Tablet ausgestattet, können sie sich Infos suchen, wie etwas funktioniert. Das lässt sich weiter aufbohren, man ergänzt Videos, bietet Podcasts an, einen Blog, vernetzt Azubis miteinander, ruft ein Forum ins Leben, nutzt digitale Berichtshefte – natürlich immer datenschutzkonform! Die Ausbilder 4.0 verstehen sich als Lernbegleiter und fördern eigenverantwortliche Projekte: Azubis können mit einem Handy-Dreh selbst Inhalte für YouTube-Videos erstellen, die Qualität sichern und überlegen, ob das auch andere im Unternehmen gebrauchen können. Sie erhalten größere Aufgaben und gehen diese selbstständig an, planen, recherchieren, finden Lösungsansätze. Bei Fragen kommen sie auf den Ausbilder zu.
Können Azubis Digitalisierungstreiber sein?
Na klar. Es ist keine Seltenheit, dass neue Technologien wie 3-D-Drucker zuerst in der Ausbildungswerkstatt stehen. Später wissen die Azubis manchmal mehr über digitale Technologien und Formate als die Fachkräfte in den Abteilungen. Oder sie bringen neue Ideen oder innovative Werkstücke mit. Und Ältere können von Jüngeren lernen! Natürlich ist ihr Erfahrungswissen sehr wertvoll. Aber wenn sie offen sind und von den Jüngeren digital was mitnehmen, ist es auch für Azubis einfacher, dieses Wissen wertzuschätzen.