Arbeiten in der Chemie

Wie fit sind Schüler für die Ausbildung?

· Lesezeit 4 Minuten.
Schüler mit Masken
Schwierige Zeiten: In der Corona-Pandemie war der Übergang von der Schule in die Ausbildung nicht ohne Hindernisse. Foto: stock.adobe.com/Iryna

 

Sascha Kretz ist Ausbildungsleiter bei Grace in Worms. Foto: Grace
Sascha Kretz ist Ausbildungsleiter bei Grace in Worms. Foto: Grace

 

 

Sascha Kretz, Ausbildungsleiter bei Grace in Worms

 

Unser Einstellungstest zeigt uns, wie fit die Ausbildungsplatzbewerber sind: Das ist ein digitaler Test, den sie vor dem Auswahlverfahren machen. Damit fragen wir Grundkenntnisse in Hauptfächern wie Mathe, Deutsch und technisches Verständnis ab. 20 bis 25 Prozent fallen hier regelmäßig durch, auch vor der Pandemie. Was neu ist: 25 Prozent mehr Bewerber brechen den Test ab oder starten ihn erst gar nicht. Der Grund könnte sein, dass Corona die Berufsorientierung erschwert hat. Wir selbst hatten wenig direkten Kontakt zu Schülern, auch Praktika waren nicht möglich. So haben sich wohl einige „auf Verdacht“ beworben und durch den Test schnell gemerkt, dass Berufe wie Chemikant oder Elektroniker doch nichts für sie sind.

Auch bei der Wiederholung schulischer Grundlagen am Anfang der Ausbildung sehen wir mehr Lücken. Allerdings ist das ein Trend der vergangenen Jahre. Gerade in den Naturwissenschaften hören wir öfter, dass ein Fach wegen Lehrermangels über Monate gar nicht unterrichtet wurde. Da müssen wir dann nacharbeiten, durch Corona vermutlich noch intensiver. Die Zeugnisse geben seit der Pandemie nicht mehr so viel Aufschluss übers Grundlagenwissen: Oft gab es jede Woche Klassenarbeiten, als wieder Präsenzunterricht möglich war, um die Schüler überhaupt benoten zu können. Da war das Niveau nachrangig, sodass die Noten nicht zum Lernniveau passen.

Beim Sozialverhalten sehe ich dagegen positive Effekte: Die Auszubildenden waren total happy, als sie wieder in der Gruppe Unterricht machen konnten. Sie haben den Wert der Klassengemeinschaft wieder richtig schätzen gelernt. Und Corona war ein Katalysator für die digitale Ausstattung an den Berufsschulen. Jetzt gibt es zum Beispiel flächendeckend WLAN für die Schüler. Die Azubis können die Laptops und die elektronischen Schulbücher, mit denen wir sie seit drei Jahren ausstatten, nun endlich richtig einsetzen.

 

Yannick Becker ist Schüler der BBS Wittlich und Vorstandsmitglied der Landesschülervertretung. Foto: privat.
Yannick Becker ist Schüler der BBS Wittlich und Vorstandsmitglied der Landesschülervertretung. Foto: privat.

 

 

Yannick Becker, Schüler der BBS Wittlich und Vorstandsmitglied der Landesschülervertretung

 

 

Viele Schüler haben große Eigeninitiative beim Lernen gezeigt, weil die Lehrer bei der Gestaltung des Onlineunterrichts ziemlich frei waren und die Qualität dadurch sehr unterschiedlich war. Jetzt haben die Schüler Angst, dass sie auf dem Arbeitsmarkt den Stempel „Generation Corona“ aufgedrückt bekommen. Gerade ist wieder in der Diskussion, einen entsprechenden Vermerk im Zeugnis zu machen. Viele befürchten, dass ihre Leistung dann nicht ernst genommen wird.

Was uns helfen würde, wären mehr Investitionen in die digitale Weiterbildung der Lehrer, damit sie die Qualität des Onlineunterrichts verbessern und digitale Tools dazu besser nutzen können. Wir hatten zum Beispiel auch Lehrer, die einfach eine Aufgabe eingestellt haben. Wir Schüler haben in unserer Berufsschulklasse dann selbst eine Online-Konferenz gestartet, über die Aufgabe gesprochen, unsere Lösungen verglichen und uns Zusammenhänge selbst erklärt.

Auch auf die mentale Gesundheit der Schüler wurde insgesamt zu wenig geachtet. Von der Politik gab es keine vorausschauende Planung, und die Schulen erfuhren Sonntagabend, wie der Unterricht am Montag weiterläuft. Das war jedesmal eine sehr spontane Umstellung und damit stressig. Dazu kamen die Isolation und für Berufsschüler oft auch der geschlossene Ausbildungsbetrieb. Das war wirklich schwierig.

Ich wünsche mir deshalb auch von den Ausbildern Verständnis. Der Bildungsstand ist nicht so stark abgesackt wie häufig dargestellt. Sie sollten testen, was die Bewerber wirklich können und sie danach beurteilen. Und in der Berufsorientierung ist es wichtig, dass die Unternehmen mehr Angebote über Livestreams oder Chats schaffen und das auch bekanntmachen – nicht nur im Amtsblättchen, sondern auch digital, wo die Schüler unterwegs sind. Der Bedarf ist groß, weil es immer noch wenige Praktika oder andere Kontakte zu den Unternehmen gibt.

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