Im Betrieb ist gutes Benehmen die Basis für den Umgang unter Kollegen. Wie schaffen es die Menschen in den Chemieunternehmen, stressfrei miteinander zu kommunizieren? Wie verstehen sich Jung und Alt, Frauen und Männer, Chef und Mitarbeiter? Haben sie die gleichen Vorstellungen von Höflichkeit? Wir haben uns bei Ausbildern und Azubis umgehört.
Umgang auf Augenhöhe: Profine legt großen Wert auf Fairness und Toleranz
Ein guter Umgang miteinander? Das ist Kommunikation auf Augenhöhe – egal, ob es Mitarbeiter oder Auszubildende sind. Da sind sich die Ausbilder einig bei Profine, Hersteller von Kunststoffprofilen in Pirmasens. Peter Kölsch (58), Leitung IT-Service, und Hans-Günter Moser (49), Chef der IT, setzen auf Fairness und Toleranz. Sie fördern eigene Ideen und erarbeiten als Lösung von Problemen gern „mehrere Alternativen“.
Für Konstantinos Neofytos (31), angehender Fachinformatiker für Systemintegration im ersten Lehrjahr, äußert sich guter Umgang zunächst in einer freundlichen Begrüßung: „Wenn man guter Laune ist, überträgt sich das auf andere.“ Er findet, man solle „offen und positiv“ sein und „respektvoll“ miteinander umgehen: „Ich weiß, wie man Kritik im Beruf annimmt und umsetzt, aber auch Lob und Anerkennung wertschätzt.“ Und privat? Azubi wie Ausbilder sind über die Frage erstaunt: „Das Unternehmen und speziell die IT-Abteilung ist keine Bühne oder Leinwand. Bei uns gibt es keinen Verhaltensunterschied zwischen Freizeit und Arbeit, niemand soll sich verstellen müssen“, meint IT-Chef Moser. „Ich respektiere die Grenzen der anderen immer“, bekräftigt Azubi Neofytos, „privat aber benehme ich mich lockerer.“
Grenzen gelten auch für die digitale Kommunikation, erklärt Kölsch: „Hier gibt es Rechte und Pflichten, die an humanistischen Grundsätzen auszurichten sind.“ Die IT-Manager wollen junge Menschen zudem im Umgang mit der Informationsflut schulen: „Sie sollen priorisieren, Fake News identifizieren, verschiedene Quellen einbeziehen und Meinungen nicht kritiklos übernehmen.“ Neofytos findet das gut, auch den Aspekt der Sicherheit: „Ich achte jetzt mehr auf meine Daten im Netz.“ Mit Blick auf den Fachkräftenachwuchs wünschen sich beide Ausbilder mehr Wirgefühl, eine „größere Konzentrationsspanne ohne Ablenkung durch die Vielzahl an sozialen Medien“ sowie grundsätzlich „eine gesunde Kreativität im Gegensatz zu mäßigen Fertiglösungen“.
Freundlich und sachlich bleiben: LTS setzt auf Vertrauen und Ehrlichkeit
Einen „respektvollen und freundlichen Umgang untereinander“ erwartet Lukas Schmitz im Arbeitsalltag. Der angehende Chemielaborant (19) lernt im ersten Lehrjahr bei LTS in Andernach. Hier konzentriert man sich auf Therapiesysteme, also die Entwicklung und Herstellung innovativer Darreichungsformen für Arzneimittel. Für ihn bedeutet Respekt zum Beispiel, „bei Diskussionen oder Kritik immer freundlich und sachlich zu bleiben“. Dem kann Ausbilderin Eva-Marie Prinz (41), Laborleiterin Pharmazeutische Entwicklung, nur zustimmen. Es gehe um „Respekt, Ehrlichkeit und Vertrauen“. Das wird den jungen Leuten auch in einem speziellen Seminar nahegebracht. Dabei geht es um „genaue Verhaltensregeln im Umgang mit den Kunden, Arbeitskollegen und Vorgesetzten“.
Auch privat beherzigen beide diese Grundlage. Nur sei der Umgangston mit Freunden in der Freizeit „eben ein ganz anderer“, meint Azubi Schmitz. Und wie sieht es mit Benimmregeln im Internet aus? „Dafür haben wir einen speziellen Leitfaden“, sagt die Ausbilderin. Für den jungen Mann ist das kein Thema: „Da ich niemand bin, der Sachen aktiv auf Social Media postet, hat sich für mich eigentlich nichts verändert.“ Gibt es Wünsche für die Zukunft? „Eine bessere Work-Life-Balance und gelassener bleiben“, sagt Eva-Marie Prinz. Der Azubi ergänzt: „Ich würde die Corona-Situation gerne ändern, aber das ist derzeit leider nicht möglich.“
Konflikte gemeinsam lösen: Renolit hält sich an „Knigge-Regeln“
„Man sollte ehrlich und respektvoll miteinander umgehen“, findet Sabine Metzmann (40), Ausbilderin für Kaufleute sowie dual Studierende bei Renolit in Worms. Korrekte Umgangsformen lernt man beim Spezialisten für Kunststofffolien in einem Knigge-Seminar zu Beginn der Ausbildung: „Wir haben hier zum Beispiel eine Art Begrüßungspflicht“, erklärt Patt Zimmer (22), dualer Student für Betriebswirtschaft im sechsten Semester. „Wenn man morgens über das Betriebsgelände geht und Mitarbeitende sieht, grüßt man sich.“ Respekt heißt für ihn zudem, auch in Konfliktsituationen freundlich zu bleiben.
Das sieht Ausbilderin Metzmann ebenso: „Man kann mit jedem Problem zu mir kommen, das sage ich zu Hause auch meinen Kindern. Man wird nicht immer begeistert sein, aber trotzdem versuchen, den Konflikt gemeinsam zu lösen.“ Sie möchte, dass jeder so respektiert wird, wie er ist – „mit seinen Stärken und Schwächen“. Im Prinzip, sagt sie, laufe in Sachen Kommunikation bei Renolit „alles prima“. Sie habe eine Vorbildfunktion, privat mache sie jedoch „mehr Späße“. Auch der Student ist außerhalb des Werks lockerer: „Mit meinen Brüdern und Freunden bin ich nicht so vorsichtig und reagiere spontaner, einfach ungefiltert.“ Das gelte auch für die Körpersprache: „Da gibt’s schon einmal einen Klaps auf die Schulter“, erzählt er. Und Begriffe aus der Jugendsprache wie „Bro“ für „Bruder“: „Das würde ich wohl zu einem Freund sagen, aber niemals zu einem Kollegen.“
Vorbildfunktion ist wichtig: Bei Grace lebt man gewünschte Verhaltensweisen vor
„Die Basis ist gegenseitiger Respekt und Vertrauen“, sagt Simone Schneider (52), Ausbilderin für Chemikanten beim Spezialchemieunternehmen Grace in Worms. „Wir haben die erfolgreiche Ausbildung als gemeinsames Ziel und arbeiten vertrauensvoll und wertschätzend darauf hin.“ Azubi Marco Mathis (26), angehender Chemikant im vierten Lehrjahr, nickt: „Wir hören einander zu, lassen jeden aussprechen und respektieren uns.“ Wichtig ist der Ausbilderin die Vorbildfunktion: „Das Verhalten, welches ich bei anderen sehen möchte, lebe ich auch selbst vor.“ Deshalb kämen bei ihr neben Respekt und Wertschätzung auch ein freundlicher Umgangston und der Humor nicht zu kurz. Sie ist überzeugt: „Selbst unangenehme Themen und Kritik können so besser transportiert werden.“
Dem kann der Azubi nur zustimmen. Auf der Arbeit sei er aber „eher ruhig“ und „höre anderen etwas mehr zu“ als in der Freizeit. Privat sei er ein „aufgeweckter Typ“, der gerne mal „den einen oder anderen Spaß“ rauslasse. Ausbilderin Schneider hingegen ist beruflich wie privat der gleiche Typ: „Da gibt es kaum Unterschiede. Da ich Kinder habe, bin ich auch in der Freizeit in einer Vorbildfunktion.“ Und wie sieht es mit Benimmregeln im Internet aus? „Wir sind ein weltweit tätiges Unternehmen, Kommunikation findet bei uns sehr oft über das Internet statt“, sagt sie. Es gebe Regeln zur firmeninternen Kommunikation, die regelmäßig mit allen Mitarbeitern besprochen würden – „auch mit den Azubis“. Besonders die firmeneigene „Cyber-Schulung“ findet der 26-Jährige gut: „Da habe ich viel über Sicherheit im Netz gelernt.“ Gerne möchte die Ausbilderin den jungen Leuten mehr Schulungen zu ihren persönlichen und sozialen Kompetenzen anbieten, zum Beispiel eigene Arbeiten präsentieren, Diskussionen führen, Konflikte konstruktiv lösen, Ziele setzen und sich selbst organisieren. Und Marco Mathis? Der würde gerne häufiger über seinen Schatten springen und „anderen mehr bei ihren Aufgaben helfen, wenn sie damit ein Problem haben“.