Ohne Nachhaltigkeit geht es nicht. Doch was tut die Chemiebranche dafür – und was der Nachwuchs? Klar ist: Informierte, qualifizierte und motivierte Beschäftigte sind eine wesentliche Grundlage für Nachhaltigkeit im Unternehmen. Sie setzen die notwendigen Prozesse um und leben die Unternehmenskultur. Dabei hilft ihnen auch die Nachhaltigkeitsinitiative der Deutschen Chemie „Chemie³“. Was konkret passiert, zeigen diese Beispiele:
Beim gerade erfolgreich abgeschlossenen Modellversuch ANLIN („Ausbildung fördert nachhaltige Lernorte in der Industrie“) – einem Netzwerk mit Partnern aus Berufsbildung, Wirtschaft und Wissenschaft – suchten Chemie-Azubis nach Verbesserungen. Sie analysierten ihr Konsumverhalten und das Verhalten ihres Umfelds und informierten sich über Umweltstandards, Gesetze und die politische Umsetzung von Nachhaltigkeit. Gemeinsam suchten sie nach umweltfreundlicheren Lösungen und Handlungsweisen, auch im Betrieb: Was wird schon getan, was kann man besser machen? Das beste Projekt wurde in der Firma umgesetzt.
Energie und Verpackungen
Aktuell können Azubis einen Umwelt-Energie-Führerschein beim Umwelt- und Energieberatungszentrum Mainz-Bingen absolvieren, der Nachwuchs des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim hat es bereits ausprobiert. Es geht um Mobilität, Konsum und Ernährung. Man lernt die komplexen Zusammenhänge in und zwischen den Ökosystemen kennen sowie den Einfluss menschlichen Handelns auf die Umwelt. Das Ziel ist es, den firmeneigenen sowie den privaten CO2-Fußabdruck zu verringern.
In vielen Chemieunternehmen geht es auch um das Recycling von Abfällen wie Verpackungen: Azubis, zum Beispiel von Sebapharma, engagieren sich beim Müllsammeln und besuchen Recyclinganlagen. Sie lernen, wie wichtig die Wiederverwertung für die Kreislaufwirtschaft ist.
Michelin: Nachhaltigkeit ist Unternehmens-DNA
Johannes Ender, Leiter technische Ausbildung bei Michelin, Bad Kreuznach
Wie wichtig ist Ihnen Nachhaltigkeit in der Ausbildung?
Sehr wichtig! Das Thema Nachhaltigkeit ist Teil der Unternehmens-DNA bei Michelin. Selbstverständlich geben wir diese Werte auch an unsere Azubis weiter, und zwar von Anfang an.
Was vermitteln Sie den jungen Leuten?
Zunächst einmal die Grundregeln im täglichen Verhalten wie Abfallmanagement oder richtigem Heizen und Lüften. Zusätzlich binden wir unsere Azubis aktiv in Energieeffizienz-Projekte ein, zum Beispiel in die Verringerung von Druckluft-Verbräuchen in der Vulkanisation oder das werkweite Installieren von LED-Leuchten. So vermitteln wir beim praxisorientierten Lernen ein stärkeres Umweltbewusstsein.
Fördern Chemieberufe Nachhaltigkeit?
Alle Berufe bringen ihre Kompetenzen in Projekte ein, mit denen wir unsere Umweltbilanz kontinuierlich verbessern. Ein aktuelles Highlight ist der Aufbau von neuen Elektro-Vulkanisationspressen, die 90 Prozent Energie einsparen.
LTS Lohmann: Materialauswahl sehr frühzeitig planen
Wie wichtig ist Ihnen Nachhaltigkeit in der Ausbildung?
Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Bestandteil der Unternehmensstrategie und begleitet unsere Azubis. Der sorgfältige Umgang mit Ressourcen und das Abfallmanagement spielen eine zentrale Rolle.
Was vermitteln Sie den jungen Leuten?
Eine ressourcenschonende Rohstoff- und Energienutzung, insbesondere den verantwortungsvollen Umgang mit Chemikalien. Wenn die angehenden Chemilaborant/innen Material aus Originalgebinden entnehmen und in Arbeitsgläser füllen, soll die Menge nah am benötigten Verbrauch liegen.
Fördern Chemieberufe Nachhaltigkeit?
Bei der pharmazeutischen Produktentwicklung erfolgt die Materialauswahl in sehr frühen Phasen. Die vermeintlich kleine Entscheidung wirkt sich aber über den gesamten Produktlebenszyklus aus, der sich über Jahrzehnte erstreckt. Arzneimittel, die eine optimale Ausbeute von Wirkstoffen leisten, reduzieren die Menge an pharmazeutischen Inhaltsstoffen, die durch Ausscheidungen und Abfall in die Umwelt gelangen können.
Budenheim: Schonender Umgang mit Ressourcen
Achim Rocker, Ausbilder Chemieberufe, Chemische Fabrik Budenheim bei Mainz
Wie wichtig ist Ihnen der Aspekt Nachhaltigkeit in der Ausbildung?
Gerade der Umweltschutzaspekt ist zunehmend relevant. Unsere künftigen Chemikant/innen werden in der betriebseigenen Abwasservorbehandlungsanlage eingesetzt. Dort lernen sie die Bedeutung des Gewässerschutzes und der Ressourcenschonung kennen.
Was vermitteln Sie den jungen Leuten?
Den schonenden Umgang mit Rohstoffen, zum Beispiel die Verwendung von Kühlwasser aus dem Fließgewässer Rhein. Auch Wertstofftrennung zum Zwecke der Wieder- oder Weiterverwertung ist für uns ein wichtiger Inhalt.
Fördern Chemieberufe Nachhaltigkeit?
Die chemische Industrie und alle Produkte, die darauf aufbauen, ermöglichen uns allen ein nachhaltigeres Leben. Wenn wir verinnerlichen, dass unsere Prozesse und Arbeitsschritte nicht endlich sind, sondern zu etwas Größerem gehören, können wir durch umweltfreundliche Veränderungen einen entscheidenden Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.
Renolit: Rohstoff reduzieren durch die Kreislaufwirtschaft
Stefania Staikou, Leiterin Ausbildung & Studium bei Renolit in Worms
Wie wichtig ist Ihnen Nachhaltigkeit in der Ausbildung?
Sie ist Teil der Unternehmensstrategie und zentrales Thema in der Ausbildung. Wir binden Nachhaltigkeit bewusst mit Veranstaltungen, Seminaren und Projekten ein.
Was vermitteln Sie den jungen Leuten?
Alle Auszubildenden und dual Studierenden absolvieren eine interne Seminarreihe zum Thema „Renolit Goes Circular“, bei der sie etwas über Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft bei Renolit lernen und Kompetenzen zur Rohstoffreduzierung erlangen. Ein Highlight ist die Praxisphase: Hier erarbeiten die Nachwuchskräfte Verbesserungspotenziale. Oder sie entdecken im Rahmen des Projekts „IHK Energie-Scouts“ Möglichkeiten zum Energiesparen.
Fördern Chemieberufe Nachhaltigkeit?
Die Berufe können im Produktionsprozess und durch die Produkte dazu beitragen, die Dinge aus einer nachhaltigen Perspektive zu sehen und entsprechende Veränderungen vornehmen. Das Wissen, das man sich während der Ausbildung angeeignet hat, fließt in den Arbeitsalltag als Fach- und Führungskraft ein. Zudem agieren sie als Botschafter im Unternehmen.
Werner & Mertz: Nachhaltigkeit ist das, was uns antreibt
Wie wichtig ist Ihnen Nachhaltigkeit in der Ausbildung?
Nachhaltigkeit ist das, was uns antreibt, und ein elementarer Bestandteil unserer Ausbildung. Wir führen unsere Auszubildenden schon früh an die
Themen heran durch Workshops, Schulungen und Projekte. So sollen sie in ihren künftigen Fachabteilungen Optimierungen hinsichtlich Nachhaltigkeit erkennen und entsprechende Maßnahmen einleiten.
Was vermitteln Sie den jungen Leuten?
Nachhaltiges Handeln und Denken. Es gibt zum Beispiel ein Biodiversitätsprojekt mit dem Nabu-Naturschutzzentrum Rheinauen. Hier lernen die jungen Leute die Bedeutung von Biodiversität für den Umwelt- und Artenschutz kennen und dürfen sich aktiv an Maßnahmen an unserem Standort Mainz beteiligen. Zudem erarbeiten sie ein eigenes Nachhaltigkeitsprojekt von der Idee bis zur Umsetzung. Aktuell sind drei Projektgruppen in der
Umsetzungsphase ihrer Projektthemen. Eine Gruppe arbeitet an einer Wettermessstation für eines unserer Gebäude: Sie will herausfinden, ob sich eine Photovoltaikanlage lohnt. Eine andere Gruppe prüft den Einsatz eines pflanzlich basierten Kühlschmiermittels für Maschinen in der Werkstatt, das bisher noch erdölbasiert ist. Die dritte Gruppe prüft den Einsatz von energiesparenderen Leuchtmitteln in einzelnen Gebäuden.
Fördern Chemieberufe Nachhaltigkeit?
Jeder kann aktiv etwas beitragen, unabhängig von Position und Qualifikation. Etwa durch Energiesparen, den sparsamen Einsatz von Material
oder die Beschaffung nachhaltiger Arbeitsmittel. Man kann die Kreislaufwirtschaft fördern und effiziente Prozesse etablieren. Bei uns ist das ein Bestandteil unserer Unternehmenskultur und -philosophie und wird entlang der gesamten Wertschöpfungskette
gelebt.