Im Gespräch: Professor Dr. Axel Plünnecke, Leiter des Kompetenzfelds Bildung, Zuwanderung und Innovation beim Institut der deutschen Wirtschaft
Herr Professor Plünnecke – Frauen und MINT-Berufe, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik: Wie gut passt das in Deutschland inzwischen zusammen?
In Biologie oder Chemie stellen sie teils die Mehrzahl der Studierenden. Informatik allerdings hat weiterhin zu Unrecht ein Nerd-Image. Da ist die Vorstellung von Frauen, die mit Pipetten arbeiten, wohl akzeptierter.
Prägen tatsächlich solche Klischees noch immer die Berufswahl?
Die Anteile nehmen so langsam zu, dass es so sein muss. Bei Elektrotechnik liegt der Anteil unter 10 Prozent, bei Informatik unter 20, während es bei Pharmazie mehr als 70 Prozent Frauen sind. Dahinter stehen verfestigte Rollenbilder.
Aber es gibt ja zahlreiche Initiativen, die das ändern sollen.
Die Initiativen sind wichtig und hilfreich. Parallel dazu besteht aber eine Gegenbewegung in den Medien. Es gibt zum Beispiel Untersuchungen, welche Berufe die Charaktere in Vorabendserien ausüben: Man hat den Eindruck, es gibt Kreative, Ärzte und wenig anderes. Den Elektrotechniker sehen Sie so gut wie nie.
In den MINT-Ausbildungsberufen betrug der Frauenanteil zuletzt sogar nur 12 Prozent.
Viele Prozesse, aus denen sich Vorstellungen verfestigen, laufen ja unheimlich früh ab: Mädchen spielen häufiger „Familie“ mit ihren Puppen, Jungs bauen häufiger Unfälle mit ihren Spielzeugautos. In der Schule kommt die Berufsorientierung hinzu: Dort arbeiten viele Lehrerinnen, die einen größeren Bezug zu Dienstleistungs- und weniger zu Industriearbeitsplätzen haben. Deshalb drängt die Wirtschaft auf eine klischeefreie und breite Vermittlung. Aus Untersuchungen wissen wir außerdem, dass Jungen ihre Kompetenzen im MINT-Bereich eher überschätzen, während Mädchen sich eher unterschätzen. Und es kann das Unbehagen eine Rolle spielen, es als Frau im Beruf mehrheitlich oder nur mit Männern zu tun zu haben.
Wer ist da wie gefragt?
Wir können den Medien nicht vorschreiben, welche Bilder sie wählen. Wir können rosafarbenes und blaues Spielzeug nicht verbieten. Aber wir können an Schulen Berufe systematischer und öfter vorstellen. Und Unternehmen können sich besser überlegen, wen sie mit den Bildern und Beispielen auf ihren Karriereseiten ansprechen. Sie müssen Geschichten erzählen über erfolgreiche Frauen und so die Bilder in den Köpfen ändern. Denn bislang fehlen Frauen solche Vorbilder.
Klingt nach einem Prozess für die nächsten Jahrzehnte.
Das wird nur langsam gehen. Der Anteil der Absolventinnen im MINT-Bereich nimmt zu – und auch der Frauenanteil an Promotionen und Habilitationen in diesen Fächern. Aber es dauert eben, bis aus der Absolventin die Hochschullehrerin geworden ist, die mehr Studentinnen gewinnen kann, weil sie das Rollenbild aufbricht. Gleiches gilt für beispielhafte Karrieren nach einer Berufsausbildung. Das Problem ist doch: Schauen Sie sich eine Technik- Preisverleihung an – acht Männer. Oder eine Podiumsdiskussion zur Digitalisierung – zehn Männer. Diese Bilder aufzubrechen, das ist die Aufgabe.
Kann die Digitalisierung daran etwas ändern? Es ist ja deutlich einfacher geworden, sich Vorbilder zu googeln.
Wenn ich gezielt suche, schon. Lasse ich mich nur berieseln, werde ich sehr vielen Frauen in Medienberufen begegnen. Und mehr Infos dazu finden, wie ich gut aussehe, als dazu, wie ich meinen Chemiebaukasten nutze. Was die Digitalisierung auf jeden Fall verändern wird: die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. Studien zeigen, dass es im IT-Bereich eine Lohnprämie gibt, Menschen mit sonst gleichen Voraussetzungen verdienen dort also mehr. Und solche Berufe studieren oder erlernen häufiger Männer. Es wird für Frauen also schwieriger, den Abstand aufzuholen. Natürlich gibt es grundsätzlich keine Männer- oder Frauenberufe. Berufe stehen jedem offen, und Präferenzunterschiede darf es geben. Jeder sollte sich aber der Folgen der Berufswahl bewusst sein.