Arbeiten in der Chemie

Warum Azubis abbrechen – und was dagegen hilft

· Lesezeit 4 Minuten.
Ausbilderin Ingrid Schubert von Boehringer Ingelheim mit Kollege. Foto: Lang/Wir.Hier.
Ausbilderin Ingrid Schubert: „Jeder sollte das tun, was seinen Neigungen und Fähigkeiten entspricht.“ Foto: Lang/Wir.Hier.

Der Start ins Berufsleben sollte Spaß machen und idealerweise die Lust aufs Lernen und Arbeiten anregen. Leider ist das nicht immer der Fall. Viele Azubis sind unzufrieden und brechen ihre Ausbildung ab: Rund jeder vierte Vertrag in der dualen Ausbildung wird in Deutschland vorzeitig gelöst (26,7 Prozent). Ein herber Verlust für die Industrie. Schuld daran sind oft unerfüllte Berufswünsche, so eine Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Wie kommt es dazu und wie lässt sich der Abbruch vermeiden? Wir haben uns die Risikofaktoren und Ursachen angesehen. 

Hauptgrund: Falscher Beruf

Einer der Hauptgründe für den Abbruch ist der falsche Beruf: Weicht das Arbeitsumfeld der Jugendlichen und jungen Erwachsenen stark von ihren ursprünglichen Wünschen ab, lösen sie ihr erstes Ausbildungsverhältnis mit höherer Wahrscheinlichkeit wieder auf. Das betrifft gut 13 Prozent des Azubis. Sie sind starke Kompromisse bei ihrer Berufswahl eingegangen und kündigen ihren Vertrag bereits nach dem ersten Jahr. Zwar schätzt man, dass gut die Hälfte dieser jungen Leute anschließend in ein anderes Ausbildungsverhältnis wechselt. So bleiben sie dem Arbeitsmarkt zwar erhalten, doch ist der erfolgreiche Übergang von der Schule in den Beruf vorerst gescheitert. Das kann sich negativ auf das spätere Erwerbsleben junger Erwachsener auswirken, sagen Experten. Klar, auch beim Wunschberuf kann die Realität von der Vorstellung abweichen. Doch hier liegt der Anteil der Abbrecher nur bei 6 Prozent.

Negative Bewertung der Ausbildung 

Ein weiterer Einflussfaktor ist die subjektive Bewertung der Ausbildung: Wie nimmt der Azubi die Situation im Betrieb aktuell wahr? Hier spielen Faktoren wie Freude an der Ausbildung eine Rolle, aber auch Dinge wie die körperliche Belastung. Nur selten sehen und bewerten die Jugendlichen den späteren Nutzen wie eine abgeschlossene Ausbildung oder bessere Gehaltsaussichten. 

Geschlechtsuntypische Ausbildungsberufe 

Doch auch berufliche Kompromisse mit Blick auf den Sozialstatus und die Geschlechterzusammensetzung sind eine Hürde, zeigt eine weitere BIBB-Studie. Wer in einem geschlechtsuntypische Ausbildungsberuf beginnt, neigt eher dazu, schnell wieder hinzuwerfen. Es sei denn, es ist der eigene Berufswunsch.

„Jeder sollte das tun, was seinen Neigungen und Fähigkeiten entspricht“, rät Ingrid Schubert, Ausbilderin bei Boehringer Ingelheim. Sie hat mit Frauen in sogenannten Männerberufen wie Elektronikerinnen, Industriemechanikerinnen, Mechatronikerinnen oder Maschinen- und Anlagenführerinnen sehr gute Erfahrungen gemacht: „Wir haben in jedem Jahrgang ein, maximal zwei Mädels in der technischen Ausbildung. Fast immer zählen sie zu den besten Absolventen ihres Jahrgangs.“ Damit Jugendliche das früh herausfinden, bieten viele Unternehmen der Chemie-Industrie in Rheinland-Pfalz Praktika und den „Girls’ and Boys‘ Day“ für erste Erfahrungen an. 

Schule soll mehr auf den Beruf vorbereiten

Damit die Ausbildung von Anfang an klappt, gilt es, mehr tun, findet BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser: „Vor dem Hintergrund zum Teil massiver Fachkräfteengpässe, die den Fortbestand mancher Berufe und Branchen gefährden werden, müssen wir derartigen Fehlentwicklungen auf dem Ausbildungsmarkt entschlossen entgegenwirken.“ Sein Tipp: Eine bessere Berufsorientierung während der Schulzeit. Er wünscht sich Formate, welche die Jugendlichen ansprechen und ihnen Karrierepfade in der beruflichen Bildung aufzeigen – „zum Beispiel durch einen verstärkten Einsatz von Ausbildungsbotschaftern und -botschafterinnen“. Aber auch durch digitale Formate wie ein Berufe-TV. Was die Studie auch zeigt: Praktika sind nach wie vor das beste Instrument sind, um junge Menschen auf einen Beruf vorzubereiten. Übrigens: Laut dem jüngsten öffentlichen Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbundes ist der Großteil der Auszubildenden (73,3 Prozent) mit ihrer Ausbildung „zufrieden“ oder sogar „sehr zufrieden“. 

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