Arbeiten in der Chemie

Chemieberufe: Ausbildung mit Anspruch

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Chemiefachkraft im Einsatz. Foto: Seventyfour - stock.adobe.com
Chemieberufe verändern sich: Automatisierung und Digitalisierung verändern die Abläufe und erhöhen die Komplexität. Dafür fallen viele körperlich belastende Tätigkeiten weg. Foto: Seventyfour - stock.adobe.com

Technische Fortschritte und Vernetzung verändern die Berufe

Von der Leitwarte aus per Klick mehrere Anlagen steuern, statt mehrmals täglich Rundgänge auf dem Außengelände zu machen – das ist effizient, aber auch hochkomplex und verantwortungsvoll. Für Chemikanten gehört das oft zum Alltag. Vieles, was früher manuell passierte, läuft heute automatisch. Es gab enorme Fortschritte in Mess- und Regeltechnik, Hydraulik, Pneumatik, Prozesssteuerung und Sicherheit.

Mehr noch: Die steigende Vernetzung der Chemieanlagen erhöht auch die Komplexität der Wertschöpfungskette. „Um so besser müssen Chemikanten reagieren“, betont Thomas Felkl, Experte für Elektro-, IT- und naturwissenschaftlich-technische Berufe bei Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). „Es gilt, das weit verzweigte System so zu steuern, dass es nicht außer Kontrolle gerät“. Dieser Wandel hat Folgen für die Nachwuchskräfte. Nicht nur im Chemikanten-, sondern auch im Mechatroniker-, Industriemechaniker-Beruf und in den Laborberufen.

Soft Skills sind wichtig

Erfahrungswissen, Kommunikations- und Teamfähigkeit, das war in der Chemieindustrie schon immer wichtig. Auf diese bewährten Soft Skills kommt es mehr denn je an. Und zusätzlich in vielen Ausbildungsberufen verstärkt auf digitale Fähigkeiten, vernetztes Denken, Komplexitätsmanagement sowie permanentes Lernen.

Felkl sieht die jungen Leute gerade bei digitalen Kompetenzen besser aufgestellt als zuvor. Betrachtet man die Erfolgsquoten der Abschlussprüfungen, bewältigen sie aus seiner Sicht auch die wachsende Menge an Ausbildungsinhalten gut. Zu den klassischen Inhalten sind neue hinzugekommen. Damit die Ausbildungen zeitgemäß bleiben, gibt es beispielsweise digitale Wahlqualifikationen oder neu geordnete Berufe wie den des Kunststoff- und Kautschuktechnologen.

Das Vorwissen aus der Schule könnte besser sein

Und dennoch: Eine Chemieanlage zu steuern, kennt kein Jugendlicher aus der Schulzeit. Im Gegenteil – Ausbildungsleiterin Annette Orth und Ausbilder Stefan Knoch vom Biozid- und Additivhersteller Thor in Speyer beobachten: Das Schulwissen in Mathe und Deutsch ist eher rückläufig. „Da müssen wir ab und zu mal nachjustieren“, sagt Stefan Knoch. Das Umrechnen von Maßeinheiten, Formel- und logisches Denken sowie räumliches Vorstellungsvermögen sind für den Chemikantenberuf unverzichtbar. Zudem müssen sich die angehenden Fachkräfte präzise mündlich und schriftlich ausdrücken. Hier leisten die Ausbilder des Unternehmens Unterstützung, wenn die Neulinge Lücken zeigen. Auch die älteren Azubis helfen.

Was die fachlichen Fähigkeiten angeht, so stellt Annette Orth fest: „Die Technologie hinter den Anlagen wird komplexer. Chemikanten brauchen eine höhere Problemlösefähigkeit auch für Elektro- und Steuerungstechnik, nicht nur für Chemie. Außerdem stehen Arbeitsschutz, -sicherheit und Umwelt immer mehr im Vordergrund.“

Die Auszubildenden erzielen sehr hohe Erfolgsquoten

Darüber hinaus gibt es vor den Prüfungen Lernwochen. Alle angehenden Thor-Chemikanten schaffen ihren Abschluss. Die Ausbildung abgebrochen habe in den vergangenen zehn Jahren niemand. 

Die Chemie bietet attraktive Perspektiven

Das internationale Unternehmen hat in Speyer seinen einzigen deutschen Standort. Dort sind mehr als 600 Beschäftigte tätig. Ihre Aufgaben sind bislang nur teilweise automatisiert: Nach wie vor überwachen und steuern die Chemikanten bestimmte Prozesse direkt am Reaktor und nicht über die Leitwarte. Für die Ausbildung und den Arbeitsalltag heißt das: „Zwar ist der Beruf in vielen Bereichen durch Digitalisierung und Hebehilfen leichter geworden“, sagt Annette Orth. Aber er ist noch längst kein Bildschirmjob und verändert sich durch neue Anforderungen.

Das Positive daran: „Dass die Arbeit körperlich weniger anstrengend wird, macht sie auch für junge Frauen passender. Außerdem sind die Schulmedien und die Vernetzung untereinander besser geworden. Das ist zum Beispiel bei der Prüfungsvorbereitung ein Vorteil“, berichtet Stefan Knoch.

Hohe Motivation schon in der Ausbildung

Es sind diese Vielseitigkeit sowie die Weiterentwicklungsmöglichkeiten, die die jungen Leute für die Arbeit in der Chemie begeistern. „Wir werden oft schon bei der Bewerbung oder spätestens im zweiten Ausbildungsjahr gefragt: Wie kann ich mich denn zum Meister ausbilden lassen und anmelden?“, sagt Stefan Knoch.

Thor zeigt den vielen Aufstiegswilligen dann Perspektiven auf. Außer Meister, Techniker oder Studium gibt es noch betriebsinterne Spezialisierungen, die sich positiv aufs Gehalt auswirken. „Wir sehen bei den Azubis eine hohe Motivation voranzukommen“, sagt Stefan Knoch.
 

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