Musharraf Khan muss nicht lange überlegen, was ihm an Deutschland besonders gefällt. „Das Gesundheitssystem, der öffentliche Nahverkehr, die Work-Life-Balance“, zählt er auf. „Ich genieße es, nach der Arbeit viel Zeit für Freunde und Familie zu haben.“ Seit gut einem Jahr lebt und arbeitet der 32-Jährige in Deutschland. Als eine der ersten indischen Fachkräfte des Kunststoffherstellers profine kam er von Delhi nach Pirmasens, um das Unternehmen im Werkzeugbau zu unterstützen. Inzwischen sind neun weitere indische Kollegen in die Pfalz gezogen.
Schon in Indien arbeitete Khan für profine. In dem Land produziert und vertreibt das Unternehmen vor allem Kunststoffprofile für Fenster und Türen und Sichtschutz-Systeme der Marke Kömmerling. „Ich wollte sehr gern nach Deutschland oder Großbritannien kommen, um mich beruflich weiterzuentwickeln und andere Kulturen kennenzulernen“, sagt Khan. Als intern Personen gesucht wurden, die ins Ausland wechseln wollten, bewarb er sich – und wurde für den Standort Pirmasens ausgewählt.
Acht Monate Vorbereitung
Die Vorbereitung dauerte rund acht Monate. Es galt nicht nur, ein Visum zu bekommen, sondern auch einen Sprachkurs für das Niveau A2 zu absolvieren. Im Mai 2023 stieg Khan ins Flugzeug nach Frankfurt. Schon am Flughafen warteten Kollegen, die ihn auch danach bei allen Alltagsfragen unterstützten.
Wie ist es, von einer Metropole mit fast 33 Millionen Einwohnern in eine Stadt mit gut 40.000 Einwohnern am Rand des Pfälzerwalds zu wechseln? „Die ersten drei Monate waren sehr aufregend“, erinnert sich Khan. Mit zwei indischen Kollegen bezog er eine Dreier-WG in einem Haus, das zu einer ehemaligen Schuhfabrik gehört und von Peter Mrosik, dem Chef und Inhaber von profine, erworben wurde. Sie erkundeten die Gegend, lernten den Weg zum Betrieb und in die Stadt per Bus kennen, machten sich mit ihrem neuen Arbeitsumfeld vertraut und unternahmen an den Wochenenden gemeinsam Ausflüge. Sein Arbeitstag geht in der Regel von 7 bis 16 Uhr. Er demontiert Werkzeuge, arbeitet sie nach, repariert und optimiert sie. Er kümmert sich auch um neue Werkzeuge.
Manchmal kommt das Heimweh
„Es ist toll, wie sehr profine mich von Beginn an unterstützt hat“, sagt Khan. Mehrere indische Freunde von ihm arbeiteten in Deutschland bei anderen Unternehmen, etwa in Berlin und Kaiserslautern. Sie hätten berichtet, dass die Unterstützung durch den Arbeitgeber bei ihnen deutlich geringer ausfiel. „Ich musste mir um nichts Sorgen machen.“
Doch nach der ersten Euphorie kam das Heimweh. Khans Familie ist noch in Indien. Sein zweites Kind kam zur Welt, als er bereits umgezogen war. Zwar konnte er danach mehrere Wochen in der Heimat verbringen. Doch wenn er arbeitet, beschränkt sich der Kontakt auf die täglichen Videotelefonate nach Feierabend. Khan wünscht sich, dass die Familie so schnell wie möglich nachkommen kann nach Pirmasens. „Das ist aber nicht so einfach“, sagt er. Seine Frau ist Ärztin. Um hier arbeiten zu können, müsse sie besonders gut Deutsch lernen.
Ein Stück Indien in der Pfalz
Khan selbst spricht im Alltag meist Englisch und nimmt weiterhin an einem Sprachkurs teil, den sein Arbeitgeber organisiert. 1,5 Stunden pro Woche lernen er und seine indischen Kollegen nach Feierabend mit einer Lehrerin der Volkshochschule, um das Sprachniveau B1 zu erreichen. Zusätzlich übt er mit einer App und trifft sich mit deutschen Freunden. „Ich will die Sprache unbedingt schnell lernen“, sagt er. Wichtig ist ihm aber auch, für sich ein Stück Indien in der Pfalz zu bewahren. Seine Mitbewohner und er unterhalten sich zu Hause auf Hindi, kochen indische Gerichte, trinken indischen Tee und schauen Filme aus der Heimat.
„Die ersten drei Monate waren sehr aufregend. Es ist toll, wie sehr profine mich von Beginn an unterstützt hat.
Die Unterschiede zwischen seiner alten und seiner neuen Heimat seien riesig. „Pirmasens ist so ruhig und friedlich“, sagt Khan. In Indien sei etwa der Kontakt zu den Nachbarn viel enger. „Wenn die eine Familie etwas kocht, gibt sie der anderen nebenan etwas ab“, erklärt er. Häufig würden Feste gefeiert, und man kümmere sich umeinander. Ob er das vermisst? „Nein“, sagt er lächelnd, „und ich habe ja meine Mitbewohner.“ Und bald, so hofft Khan, auch seine Familie.
Ein Frühaufsteher: Musharraf Khans Arbeitstag geht in der Regel von 7 bis 16 Uhr. Foto: Frank Eppler / IW Medien