In einem gemeinsamen Schreiben an die Bundesregierung, die EU-Ratspräsidentschaft sowie weitere europäische Entscheidungsträger fordern die Wirtschaftsorganisationen VCI, BGA, Gesamtmetall, Mittelstandsverbund - ZGV, Stiftung Familienunternehmen und Politik, textil+mode, VDMA und ZVEI, die europäische Lieferkettenrichtlinie zu stoppen.
Bevorstehende Abstimmung im Europäischen Rat
In Kürze steht die Abstimmung der Botschafter im Ausschuss der Ständigen Vertreter und danach das Votum des Rates der EU-Mitgliedstaaten an. „Schon die Vorgaben durch das deutsche Lieferkettengesetz haben dazu geführt, dass auch kleine und mittlere Unternehmen innerhalb ihrer Lieferbeziehungen von den Belastungen völlig überrollt werden. Eine EU-Lieferkettenrichtlinie, wie nun geplant, hätte bürokratische Überlastungen und Rechtsunsicherheit in einer neuen Dimension zur Folge“, warnen die Verbände.
Erschwerter Außenhandel durch Richtlinie
Die Richtlinie erschwere den Außenhandel und gehe zu Lasten europäischer Arbeitsplätze und Wertschöpfung. Unternehmen sollen demnach fast alle Stufen ihrer Lieferketten global auf Verstöße gegen Menschenrechte sowie Umwelt- oder Sozialstandards kontrollieren. Gerade Industriefirmen haben häufig jeweils Zehntausende oder sogar eine sechsstellige Zahl von Zulieferern, von denen jährlich ein beträchtlicher Anteil wechselt. Die Kosten allein zur Befolgung der Vorgaben würden für einzelne Unternehmen nicht selten Millionensummen erreichen.
Risikobasierter Ansatz braucht Ausnahmen
Die Richtlinie macht keine klaren Ausnahmen – nicht einmal für die Lieferbeziehungen innerhalb des ohnehin schon stark regulierten EU-Binnenmarkts. Eine explizite Ausnahme aller im EU-Binnenmarkt ansässigen Zulieferer und Kunden wäre – als Gebot eines risikobasierten Ansatzes – aber dringend geboten.
Vorschriften für Geschäftskunden
Nicht nur Lieferanten und deren Lieferanten sollen laut den EU-Plänen kontrolliert werden, sondern auch Geschäftskunden. Es ist jedoch eine völlig realitätsfremde Annahme, dass mittelständische Betriebe ihren Geschäftskunden Vorschriften machen könnten, wie und wo die verkauften Produkte letztendlich zum Einsatz kommen.
Zivilrechtlichen Haftung ist praxisfremd
Deutliche Kritik üben die Verbände auch an der vorgesehenen zivilrechtlichen Haftung. „Es ist schlicht praxisfremd zu verlangen, dass Unternehmen aus den EU-Mitgliedstaaten für Pflichtverletzungen haften sollen, die in ihren Lieferketten geschehen – und dies noch weltweit“, heißt es in dem Appell. Während Nichtregierungsorganisationen von eigenen Klagebefugnissen profitieren sollen, können auf Unternehmen zusätzliche Beweisanforderungen zukommen. „Auf diese Weise können die oft unkalkulierbaren Haftungsrisiken dazu führen, dass sich Unternehmen aus betroffenen Regionen zurückziehen“, warnen die Verbände. Es würde eine neue Klageindustrie entstehen, die zu mehr administrativen Kosten in den Unternehmen führt. Die Unsicherheit im Außenhandel nähme zu.
Europäische Unternehmen im Generalverdacht
Dabei ist die Wahrung der Menschenrechte rund um den Globus ein Ziel, dem sich auch die Unternehmen eindeutig verschreiben. „Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sind für europäische Unternehmen maßgebend. Daran orientieren sie schon heute ihre globalen Lieferbeziehungen und tragen europäische Standards über ihre internationalen Partner in die Welt“, betonen die Verbände. Europäische Unternehmen nun aber unter Generalverdacht zu stellen, würde sich in der Praxis als kontraproduktiv erweisen, „der ökonomische Substanzverlust in der EU würde sich durch eine solche Lieferkettenrichtlinie weiter verschärfen“, heißt es.
Dialog statt Vorschrift
„Lassen Sie uns statt des Weges über die Richtlinie gemeinsam einen neuen Anlauf nehmen und im Dialog miteinander überlegen, auf welche Weise wir unsere Standards beim Schutz von Menschenrechten und Umwelt über die globalen Lieferketten weltweit noch effektiver durchsetzen können“, resümieren die Wirtschaftsorganisationen.